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Honig als Wundheilmittel – Wie funktioniert‘s?

  • Nils Borgstedt
Honig – Brotaufstrich, Süßungsmittel und Arzneimittel. Was zunächst komisch klingt, ist schon seit mehreren tausend Jahren bekannt und wird auch heute noch eingesetzt: Honig kann bei der Wundheilung helfen. Doch welcher Honig eignet sich zum medizinischen Einsatz und warum? „Die Besonderheit liegt in seiner speziellen Zusammensetzung“, erklärt Prof. Dr. Arne Simon vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg.

Um zu verstehen, wie und wann der Honig wirkt und eingesetzt werden kann, muss man sich zunächst vor Augen führen, wie die Wundheilung in der Regel abläuft. Sie gliedert sich in verschiedene Phasen, in denen jeweils unterschiedliche Prozesse stattfinden. „Zunächst gibt es eine Entzündungsphase, die unter anderem dazu dient, Reparaturzellen in die Wunde zu bringen. Im zweiten Schritt geht es darum, abgestorbenes Gewebe abzubauen und zu entfernen, damit sich neues Gewebe ausbilden kann. Schließlich wird die Wunde epithelisiert, es bildet sich also zunächst eine sehr empfindliche, später robuste neue Hautschicht.“, erklärt der Professor.

Antibakteriell und geruchshemmend

Der Honig kann, und darin liegt ein Vorteil gegenüber anderen Medikamenten, in jeder Phase der Wundheilung eingesetzt werden. „Am Anfang wirkt er antientzündlich und entfernt Bakterien aus der Wunde, abgestorbenes Gewebe wird durch den Honig schonend abgelöst. Daher ist es oft so, dass bei Beginn der Behandlung die Wunde erst mal etwas tiefer wird. Dennoch begünstigt der medizinische Honig bei einigen Patienten die Wundheilung und verhindert, dass es zu einer Infektion der Wunde während des Heilungsverlaufs kommt.“, sagt Simon, der sich seit mehreren Jahren intensiv mit der Wirkung von Honig bei der Wundheilung beschäftigt.

Verantwortlich dafür sind seine Inhaltstoffe und Zusammensetzung. Honig besitzt eine hohe Osmolarität. Vereinfacht ausgedrückt wird Krankheitserregern dadurch die Flüssigkeit entzogen und so ihre Vermehrung gehemmt, sie sterben ab. „Enzyme und bestimmte Phenolverbindungen, die bereits von Natur aus im Honig enthalten sind, wirken zudem antibakteriell. Sie kommen über den Nektar der Teebaumpflanzen in den medizinischen Honig.“, erläutert Simon und führt weiter aus: „Die Enzyme bilden in Wechselwirkung mit dem Wundsekret Wasserstoff-Peroxid, das ebenfalls antibakteriell wirkt.“ Gerade die Wirkung gegen MRSA (Methicilin-resistenter Staphylococcus aureus), also multiresistente Bakterien, ist beim medizinischen Honig zentral. „Jede Charge wird auf diese Wirksamkeit geprüft. Nur wenn die Wirkung nachgewiesen ist, wird eine Charge freigegeben.“, erklärt der Arzt. Das ist wichtig, da Honig in dieser Beziehung anderen Alternativen zur Wundbehandlung überlegen ist.

Zudem hält Honig die Wunde feucht, was wichtig für die Wundheilung ist, und reduziert unangenehme Gerüche, wie sie vor allem bei chronisch offenen Wunden oder Tumoren auftreten. Und auch rein praktische Vorteile, abseits von biochemischen Prozessen, bietet der Honig. „Der Verbandswechsel mit medizinischem Honig ist relativ einfach und schmerzarm möglich. Wenn man die Honigkompressen vorher gut mit steriler Kochsalzlösung anfeuchtet, kann man sie sehr gut ablösen, ohne die Wunde erneut zu verletzen.“, berichtet Simon.

Honig ist kein Wundermittel

Bei allen positiven Eigenschaften des medizinischen Honigs muss man bedenken, dass er nur eine Alternative neben anderen in der Wundbehandlung ist. „Es gibt bisher nur sehr wenige vergleichende Untersuchungen mit anderen Verfahren. Da hat sich zwar eine äquivalente Wirksamkeit des Honigs gezeigt. Aber die wissenschaftliche Basis, die Evidenz für ein bestimmtes Verfahren, beruht sehr stark auf Erfahrungswerten und nicht auf kontrollierten Studien – zumindest in der Pädiatrie und pädiatrischen Onkologie.“ Nichtsdestoweniger ist Honig in Einzeluntersuchungen vergleichsweise gut erforscht. „Es stellt sich heraus, dass er bei einigen Patienten sehr, sehr hilfreich ist.“, sagt Simon, schränkt aber ein: „Trotzdem gilt das sicherlich nicht für alle und sicherlich ist der Honig auch kein Wundermittel.“

Nebenwirkungen beim Einsatz von Honig sind nämlich ebenfalls bekannt. Nach Aussage von Simon kann es bei etwa zwei bis drei Prozent der Patienten zu lokalen Unverträglichkeiten kommen. An den betroffenen Stellen bilden sich Ekzeme. Für ebenso viele kann die Behandlung schmerzhaft sein. „Es scheint aber so zu sein, dass diejenigen Patienten, die Schmerzen bei einer Honigbehandlung haben, in der Regel schon an schmerzhaften Neuropathien leiden.“, so der Professor. „In einem solchen Fall ist die Empfindlichkeit der Schmerzfasern bereits hochreguliert, beispielsweise aufgrund einer Zuckerkrankheit oder eines chronischen Nierenversagens.“ Treten solche Nebenwirkungen auf, muss die Behandlung mit Honig eingestellt werden.

Honig aus dem Supermarkt ist nicht geeignet

Bevor jetzt aber jeder zum Supermarkt rennt und sich mit Honig eindeckt, um bei kommenden Schürfwunden gerüstet zu sein, dem sei gesagt: keine Eile. Der Einsatz von Honig ist zur akuten Wundbehandlung bei kleineren, unkomplizierten Wunden nicht erforderlich. Sinn macht eine Behandlung mit Honig vor allem bei chronischen, schlecht heilenden Wunden.
Der Honig, der in der medizinischen Wundheilung zum Einsatz kommt, unterscheidet sich zudem deutlich von Haushalts- oder Imkerhonig. Unterscheid Eins: Die Inhaltstoffe. Die meisten wirksamen Bestandteile des Medihoney, wie der medizinische Honig genannt wird, stammen aus den Teebaumpflanzen und finden sich etwa im Kleehonig nicht. Zweitens kann es sein, dass industrieller „Supermarkt-Honig“ pasteurisiert wurde, um Bakterien zu vernichten. Dadurch werden allerdings auch alle wirksamen Inhaltstoffe zerstört.

Bevor Medihoney zum Einsatz kommt, werden die Chargen bestrahlt. Durch die Bestrahlung mit Gamma-Strahlen werden Clostridium-Sporen inaktiviert. Diese Sporen des Bakteriums Clostridium botulinum können im Honig enthalten sein. „Gelangen diese, gegen Umwelteinflüsse sehr resistenten, Sporen in eine tiefere Wunde, wo wenig Sauerstoff vorhanden ist, können sie auskeimen und so einen Wundbotulismus auslösen.“, erklärt Simon.

Medihoney ist ein Medizinprodukt und genau so, wie man ihn nicht auf das Frühstücksbrot schmieren sollte, sollte man den Frühstückshonig nicht auf Wunden streichen. Im medizinischen Einsatz scheint Honig aber durchaus eine sehr ansprechende Alternative – gerade bei Kindern.

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