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Doping-Serie: Die moderne Medizin revolutioniert das Doping

  • Redaktion
Im 20. Jahrhundert machte die Medizin große Fortschritte. Viele Krankheiten konnten plötzlich geheilt werden. Doch es dauerte nicht lange, bis diese Medikamente missbraucht wurden. Der Weg war geebnet für das moderne Doping. Im dritten Teil der Serie geht es um die Anfänge des Dopings im Profisport.

Alles hat zwei Seiten. Diese allgemeine Weisheit zeigt sich besonders beim Doping. Niemand wird bestreiten, dass die Fortschritte in der Schulmedizin und der Pharmaindustrie der Menschheit einen großen Dienst erwiesen haben. Doch diese Entwicklung hat auch ihre Schattenseiten: Mit der Erfindung synthetischer Hormone in den 1930er Jahren hielt nämlich auch das medikamentöse Doping Einzug in den Sport. Hier wird deutlich, was das eigentlich Perverse am Doping ist: Körperlich gesunde Menschen machen sich die Fortschritte der Medizin zur Heilung Kranker zu Nutze, um selber leistungsstärker zu werden.

Ein Beispiel: Für jeden Dialyse-Patienten ist die Entwicklung des Präparats Erythropoetin (EPO) ein Segen. Denn sein Körper kann die für den Sauerstofftransport im Blutkreislauf benötigten Erythrozyten alleine nicht in ausreichendem Maße herstellen. Dagegen verfügt ein gut trainierter Ausdauersportler von Haus aus über ausreichend viele Erythrozyten.

Durch EPO kann er allerdings deren Anzahl in seinem Körper auf ein Maß steigern, sodass seine Ausdauerleistung und Regenerationsfähigkeit massiv verbessert ist. Ein ähnlicher Effekt wäre sonst nur durch ein mehrwöchiges Höhentrainingslager zu erzielen. Dort würde er wegen des geringeren Sauerstoffgehalts in der Luft seinen Körper zur vermehrten Erythrozytenbildung „zwingen“.


Doping wird strafbar


Die Einnahme leistungssteigernder Mittel bei Mensch und Tier war lange Zeit sportjuristisch nicht illegal. Es gab weder einen Anti-Doping-Code noch eine Liste verbotener Substanzen. Erst ab den 1920er Jahren regte sich allmählich der Ruf nach einem verbindlichen Regelwerk. De facto dauerte es aber bis in die 1950er Jahre, ehe etwas geschah.

Als besonders problematisch erwies sich zum Beispiel allein schon die Definition des Begriffs „Doping“. Erst die Einführung einer Liste mit verbotenen Substanzen und unregelmäßige Dopingtests waren allererste Schritte im Kampf gegen den Medikamenten-Missbrauch. Allerdings hielt sich die Abschreckung dieser Maßnahmen in Grenzen. In vielen Sportarten, besonders im Profi-Radsport, wurde flächendeckend weiter gedopt. Daran änderten auch die erstmals bei der Tour de France 1966 durchgeführten unangemeldeten Dopingkontrollen nichts. Im Gegenteil: Die Fahrer wagten eine Machtprobe und streikten bei der nächsten Etappe. In der Folge sah die Rennleitung von weiteren unangemeldeten Kontrollen ab.

Es wird ernst – Der Todesfall Tom Simpson und seine Folgen


Erst ein prominenter Todesfall weckte langsam das Bewusstsein für die Gefahren des Dopings. Der Brite Tom Simpson, Straßenrad-Weltmeister von 1965, starb während der Tour de France 1967 beim Aufstieg zum Mont Ventoux an einem Giftcocktail aus Alkohol und Amphetaminen. Dieser Vorfall markierte den Startschuss für gezieltere Dopingkontrollen in den meisten Sportarten, auch gegen den Willen vieler Athleten. Allerdings fielen gerade im Radsport die Strafen nach positiven Doping-Tests eher lasch aus: Bis in die 1980er Jahre hinein wurden überführte Fahrer oft nur für die Dauer des laufenden Wettbewerbs ausgeschlossen. Insofern verwundert es nicht, dass fast jeder Tour-de-France-Sieger seit den 1960ern mindestens einmal positiv getestet wurde bzw. zumindest unter massivem Dopingverdacht stand.


Doper haben immer einen Vorsprung – Der Hase und der Igel


Mittlerweile sind die Doping-Fahnder in allen Sportarten unterwegs und bemüht, den Rückstand ihrer Analysemethoden auf die Medizin so weit wie möglich zu reduzieren. Ein Einholen ist im Prinzip ausgeschlossen. So sieht es jedenfalls Prof. Dr. Wilhelm Schänzer, Leiter des WADA-Anti-Dopinglabors Köln: „Die Athleten werden langfristig immer einen kleinen Vorteil haben, gerade dann, wenn sie mit neuen oder körperidentischen Substanzen arbeiten. Man wird den Sport nie hundertprozentig sauber bekommen. Unser Ziel kann es nur sein, die Abschreckung zu verstärken und das Doping in den nächsten Jahren noch schwieriger zu machen.“

Allenfalls das Einfrieren alter Proben bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Technik das Mittel XY nachweisen kann, ist das Optimum, was die Doping-Fahnder erreichen können. Auf diese Weise konnte etwa dem siebenfachen Tour de France Sieger Lance Armstrong (USA) mit sechsjähriger Verspätung nachgewiesen werden, dass er seinen ersten Tour-Sieg im Jahre 1999 nicht nur mit der Kraft seiner Beine und seines Willens errungen hatte. Allerdings konnte Armstrong nicht belangt werden, weil seine Proben aus rein wissenschaftlichen Zwecken geöffnet wurden.

Letzten Endes erinnert die Jagd nach den Doping-Sündern dieser Welt jedoch irgendwie an die alte Geschichte von dem Hasen und dem Igel. Angesichts dieser Hilflosigkeit bleibt der Welt-Anti-Doping-Organisation (WADA) nichts anderes übrig, als auf präventive Maßnahmen zu setzen. Dazu zählt die Aufklärung über mögliche Folgeschäden, das Appellieren an die Ehre der Athleten, und nicht zuletzt die Abschreckung: Ein positiv getesteter Athlet wird heute je nach Härte des Verstoßes für bis zu zwei Jahre gesperrt. Anschließend gibt man ihm die Chance zur Läuterung, er kann wieder in seinen Sport zurückkehren. Bei einem zweiten Vergehen wird er dann allerdings lebenslang gesperrt.

Marco Heibel

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