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Barfußlaufen ja oder nein? Interview mit Fußexperte Thomas Rogall
Barfußlaufen ja oder nein? Thomas Rogall von der Fußschule München erklärt, worauf es beim Barfußlaufen ankommt und warum es nicht für jeden geeignet ist.
netzathleten.de: Das Barfußlaufen erlebt seit einiger Zeit wieder deutlich mehr Zuspruch. Aber worauf muss man dabei achten? Worauf kommt es an?
Thomas Rogall: Zunächst einmal sollte man den Untergrund beachten, auf dem ich barfußlaufen möchte. Ein weicher Boden bietet sich natürlich etwas besser an, als harter Untergrund. Jeder kennt das unangenehme Gefühl, wenn man auf einem harten Boden geht. Da will man gar nicht die Ferse zuerst aufsetzen und läuft eher über den Ballen. Etwa so, als würde man sich anschleichen wollen. Kann man auch machen, birgt aber auch Probleme.
netzathleten.de: Welche sind das? Gerade der Ballenlauf wird ja derzeit häufig ebenfalls trainiert.
Thomas Rogall: Die Problematik bei einem ausdauernden Vorfußlaufen ist, dass die Wadenmuskulatur, beziehungsweise die ganzen rückseitigen Muskelketten zu sehr unter Spannung stehen. In der Folge kann es zu Wadenproblemen inklusive Achillessehnenproblemen kommen. Barfußlaufen auf der Almwiese ist trotzdem toll. Allerdings muss man auch hier aufpassen, dass man sich nicht verletzt. Zum Schutz kann man dann eben Barfußschuhe tragen.
netzathleten.de: Was bedeutet Barfußschuh für Sie? Nur eine Sandale oder zählen auch Schuhe mit dünner Sohle und ohne Sprengung dazu?
Thomas Rogall: Solche Schuhe zählen für mich auf jeden Fall dazu. Es ist toll zu sehen, wie sich der Markt und das Angebot hier in den letzten zehn Jahren entwickelt haben. Das ist eine gute Sache, weil Füße eben sehr individuell sind und Menschen auch sehr unterschiedlich gehen.
Und nochmal Bezug nehmend auf die vorherigen Fragen. Es ist für mich zentral zu sehen, was die Körpermitte macht, also die Verbindung beider Füße, das Becken und das Hüftgelenk. Wie bewegen diese sich über den Fuß? Bei manchen Leuten funktioniert das alles einwandfrei. Aber bei vielen ist das auch problematisch. Entweder es bewegt sich das Becken nicht oder ist instabil oder die Beinachsen stimmen nicht. Und grundsätzlich gilt natürlich: Wenn die Biomechanik bei einem Menschen nicht stimmt und er greift dann auf einen Barfußschuh zurück und denkt sich: „jetzt kräftige ich meine Füße und alles wird wunderbar“, dann wird genau das sicherlich nicht eintreten. Auch wenn man andere orthopädische Probleme wie einen Fersensporn oder eine Metatarsalgie hat, kann Barfußlaufen wirklich problematisch sein.
netzathleten.de: Heißt also: Grundvoraussetzung ist richtiges Gehen.
Thomas Rogall: Genau. Und zwar nicht nur im Barfußschuh, sondern auch in einem normalen Schuh. Bei der Fußschule München beschäftigen wir uns seit 25 Jahren mit Füßen und dem richtigen Gehen. Mein Tipp: Wechseln Sie die Schuhe. Tragen Sie nicht immer den gleichen Schuh. Zudem sollte der Schuh so geformt sein, dass er der Anatomie des Fußes entspricht und sie nicht auf den Kopf stellt. Also keine hohen Absätze und vorne möglichst spitz. Der Fuß ist nun mal vorne breit und nicht hinten. Die Ferse wiederum ist für die Stabilität des Fußes verantwortlich und je höher ich die Ferse stelle, desto größer sind die wirkenden Hebel und desto wackliger wird die ganze Geschichte.
Ein Barfußschuh erfüllt in der Regel diese Anforderungen. Vor allem bin ich dem Boden nah, selbst, wenn man nicht die Versionen mit extrem dünner Sohle nimmt. Und vor allem steht die Ferse tief, was für ein Training der kurzen Fußmuskeln günstig ist.
netzathleten.de: Und wie sieht dann der ideale Bewegungsablauf beim Gehen aus? Wie muss man sich das vorstellen?
Thomas Rogall: Ein normaler, erwachsener Mensch kommt auf der Ferse auf. Man sollte möglichst flächig auf der Ferse landen und nicht zu weit hinten. Wenn ich zu weit hinten lande, ist das Knie gestreckt. Das Knie ist aber das Hauptfederelement im Bein und das schalte ich dadurch aus. So entsteht ein starker Stoß, der sowohl für das Knie, als auch alle anderen Gelenke bis hinauf zur Halswirbelsäule ungünstig ist.
Also: Flächig landen. Die Ferse fungiert sozusagen als Steuerruder und verteilt die Belastung auf den Vorfuß, auf die fünf Strahlen. Diese fünf Strahlen sollten möglichst gleichmäßig belastet werden. Nach der Landung bleibt der Fuß stehen und es kommt die Gleichgewichtsphase, die so genannte mittlere Standbeinphase. Während dieser wandert der Mensch mit seinem Körper über den Fuß. Hier ist ganz wichtig, dass der Fuß gleichmäßig belastet ist. Oft kippt die Ferse in diesem Moment schon nach innen, wodurch der Fuß sehr stark über den Großzehenballen belastet wird und der Kleinzehenballen fast gar nicht mehr. Ein Indiz für eine solche Belastungsverteilung sind häufig kleine Zehen, die sich unter den vierten Zeh schieben oder nach oben gebogen sind und gar keinen Bodenkontakt mehr haben.
Der wichtigste Moment beim Gehen ist aber für mich, wenn der Fuß hinter mir steht. Das Problem ist, dass der hintere Fuß nie in der Linie der Körpermitte steht. Er steht außerhalb, der Körper ist über ihn hinweggewandert, nicht auf der Innen- sondern auf der Außenseite besteht ein durchgehender Bodenkontakt. Genau dann besteht die größte Gefahr, dass mir der Fuß nach innen kippt. Und in dem Moment, in dem das passiert, ist die schöne Gewölbekonstruktion des Fußes für die Katz.
Ich belaste den Fuß hauptsächlich innen über den Großzehenballen. Dann hebe ich die Ferse an, dabei werden die Zehen in den Grundgelenken auch noch ein bisschen nach oben gebogen. Wenn ich dann nur das Großzehengrundgelenk belaste, bekomme ich dort ein Problem. Das kann ein Hallux Valgus sein oder ein Hallux Rigidus. Ich muss also darauf achten, dass mein Fuß von Anfang bis Ende stabil auf dem Boden steht. Der Abdruckmoment sollte nicht zu spät kommen. Der richtige Abdruckmoment ist, wenn mein gesamter Vorfußbereich belastet ist. Das kann man sehr schön über die Zehen wahrnehmen. An der kleinen Zehe sollte man Belastung spüren und dann aktiv den Abdruck auslösen. Es kann sein, dass diese Abläufe nicht mehr richtig wahrgenommen und gesteuert werden können, beispielsweise, wenn man bereits eine Spreizfußproblematik entwickelt hat. Dann muss man die Bewegung erst wieder erlernen. Dabei unterstützen wir die Leute in der Fußschule. Es gibt auch Hilfsmittel wie beispielsweise Kinesio-Tapes, die man einsetzen kann. Das Wichtigste ist aber, den Menschen bewusst zu machen, wie sie gehen. Jeder Mensch kann seine Geh-Gewohnheiten relativ schnell ändern. Man muss nur wissen, worauf man zu achten hat.
netzathleten.de: Gibt es Übungen, die man zu Hause machen kann?
Thomas Rogall: Natürlich gibt es die, allerdings ist es schwierig sie einfach so zu beschreiben. Die müsste ich am besten vormachen. Generell gibt es aber natürlich Übungen für den Fuß, vor allen Dingen zum Quergewölbetraining und zur Entspannung der Zehen, damit sie sich wieder normal strecken können. Dazu Stabilitätstraining und Wahrnehmungstraining. Sehr viel dreht sich gerade am Anfang auch um die Körpermitte, also das Becken. Wie sich das Becken über den Fuß bewegt, ist das A und O. Auf den kleinen Fuß mit seinen kleinen Muskeln und auch auf die lange Fußmuskulatur, die dann bis in den Unterschenkel hochgeht, wirken sehr große Kräfte. Für einen effizienten und richtigen Gang muss ich meinen Körper geschickt über meinen Fuß bewegen. Dazu brauche ich zum Beispiel auch genügend Streckfähigkeit im Hüftgelenk. Bin ich da verkürzt, wird mein Fuß ein Problem bekommen. Es muss sich aber auch, etwas salopp gesagt, in der Schwungbeinphase der Hintern wieder lösen. In der Fußschule habe wir ein Programm aus Wahrnehmungsübungen, Dehnübungen, Koordinationsübungen und Kräftigungsübungen entwickelt, die auch genau in dieser Reihenfolge durchgeführt werden.
netzathleten.de: Bewegung kommt also vor Kraft.
Thomas Rogall: Auf jeden Fall. Kraft ist das, was ich dann entwickeln kann, wenn ich mich günstig bewege. Die Muskulatur ist davon abhängig, wie die einzelnen Knochen zueinander stehen. Wenn die Knochen ungünstig zueinander stehen, kann die Muskulatur ihre volle Funktion nicht erreichen. Habe ich beispielsweise einen Spreizfuß, sind die Mittelfußknochen gespreizt, die Muskulatur dazwischen ist gedehnt. Aber eine gedehnte Muskulatur ist immer schwach. Wie will ich so die Muskulatur trainieren? Ich muss also zunächst die Knochen in die richtige Stellung bringen und kann dann die Muskulatur trainieren.
netzathleten.de: Gibt es eine Faustregel für wen Barfußlaufen geeignet ist?
Thomas Rogall: Ich sage es mal so: Wenn jemand schon über Jahre Bergwanderungen macht, sich gerne und viel gehend und laufend bewegt und dabei keine Schmerzen oder Probleme hat, dann wird er sich vermutlich biomechanisch ganz günstig bewegen. Dann soll derjenige auch gerne einen Barfußschuh ausprobieren. Spannend ist dann natürlich zu gucken, was sich an meinem Gang verändert. In einem Barfußschuh geht man in der Regel viel vorsichtiger und macht dadurch auch eine andere Beckenbewegung.
Als ganz grobe Faustregel kann man festhalten: Wenn ich den Schuh anziehe, muss es sich gut anfühlen. Dann muss man natürlich auch immer schauen, wie lange man mit dem Schuh läuft. Für mich ist ein Barfußschuh immer noch ein Trainingsgerät. Man muss sich umstellen.
netzathleten.de: Aber eigentlich kommt man ja barfuß auf die Welt und erlernt in der Regel das Laufen ja auch barfuß.
Thomas Rogall: Auch wenn wir am Anfang barfuß laufen, laufen wir als kleine Kinder ganz anders als Erwachsene. Wir laufen als kleine Kinder auf dem Vorfuß, landen also nicht gleich auf der Ferse. Dass wir über die Ferse laufen, entsteht eigentlich erst im Alter von zehn, zwölf Jahren. Der Vorteil über die Ferse zu laufen, ist der geringere Energieverbrauch. Im Laufe der Evolution war das ja enorm wichtig. Bei möglichst wenig Energieaufwand wollte man möglichst weit kommen. Bei einem Erwachsenen, der über die Ferse läuft, gilt: Ausprobieren ja, aber Vorsicht bei harten Böden. Gerade in der Stadt würde ich den Barfußschuh nicht als permanente Alternative sehen. Man muss aber auch sagen, dass wir durchaus Patienten haben, denen es sehr gut geht, seitdem sie Barfußschuhe tragen. Es zeigt sich deutlich, und das lernen wir auch immer wieder, Füße und Laufen sind einfach sehr individuell. Jeder Mensch kann im Grunde davon ausgehen, dass ihm ein Barfußschuh nicht schadet, wenn er ein gutes Gefühl hat. Und dann kann man ihn ruhig auch einmal ausprobieren.
Hier gibt es weitere Informationen zur Fußschule München und Thomas Rogall
Thomas Rogall: Zunächst einmal sollte man den Untergrund beachten, auf dem ich barfußlaufen möchte. Ein weicher Boden bietet sich natürlich etwas besser an, als harter Untergrund. Jeder kennt das unangenehme Gefühl, wenn man auf einem harten Boden geht. Da will man gar nicht die Ferse zuerst aufsetzen und läuft eher über den Ballen. Etwa so, als würde man sich anschleichen wollen. Kann man auch machen, birgt aber auch Probleme.
netzathleten.de: Welche sind das? Gerade der Ballenlauf wird ja derzeit häufig ebenfalls trainiert.
Thomas Rogall: Die Problematik bei einem ausdauernden Vorfußlaufen ist, dass die Wadenmuskulatur, beziehungsweise die ganzen rückseitigen Muskelketten zu sehr unter Spannung stehen. In der Folge kann es zu Wadenproblemen inklusive Achillessehnenproblemen kommen. Barfußlaufen auf der Almwiese ist trotzdem toll. Allerdings muss man auch hier aufpassen, dass man sich nicht verletzt. Zum Schutz kann man dann eben Barfußschuhe tragen.
netzathleten.de: Was bedeutet Barfußschuh für Sie? Nur eine Sandale oder zählen auch Schuhe mit dünner Sohle und ohne Sprengung dazu?
Thomas Rogall: Solche Schuhe zählen für mich auf jeden Fall dazu. Es ist toll zu sehen, wie sich der Markt und das Angebot hier in den letzten zehn Jahren entwickelt haben. Das ist eine gute Sache, weil Füße eben sehr individuell sind und Menschen auch sehr unterschiedlich gehen.
Und nochmal Bezug nehmend auf die vorherigen Fragen. Es ist für mich zentral zu sehen, was die Körpermitte macht, also die Verbindung beider Füße, das Becken und das Hüftgelenk. Wie bewegen diese sich über den Fuß? Bei manchen Leuten funktioniert das alles einwandfrei. Aber bei vielen ist das auch problematisch. Entweder es bewegt sich das Becken nicht oder ist instabil oder die Beinachsen stimmen nicht. Und grundsätzlich gilt natürlich: Wenn die Biomechanik bei einem Menschen nicht stimmt und er greift dann auf einen Barfußschuh zurück und denkt sich: „jetzt kräftige ich meine Füße und alles wird wunderbar“, dann wird genau das sicherlich nicht eintreten. Auch wenn man andere orthopädische Probleme wie einen Fersensporn oder eine Metatarsalgie hat, kann Barfußlaufen wirklich problematisch sein.
netzathleten.de: Heißt also: Grundvoraussetzung ist richtiges Gehen.
Thomas Rogall: Genau. Und zwar nicht nur im Barfußschuh, sondern auch in einem normalen Schuh. Bei der Fußschule München beschäftigen wir uns seit 25 Jahren mit Füßen und dem richtigen Gehen. Mein Tipp: Wechseln Sie die Schuhe. Tragen Sie nicht immer den gleichen Schuh. Zudem sollte der Schuh so geformt sein, dass er der Anatomie des Fußes entspricht und sie nicht auf den Kopf stellt. Also keine hohen Absätze und vorne möglichst spitz. Der Fuß ist nun mal vorne breit und nicht hinten. Die Ferse wiederum ist für die Stabilität des Fußes verantwortlich und je höher ich die Ferse stelle, desto größer sind die wirkenden Hebel und desto wackliger wird die ganze Geschichte.
Ein Barfußschuh erfüllt in der Regel diese Anforderungen. Vor allem bin ich dem Boden nah, selbst, wenn man nicht die Versionen mit extrem dünner Sohle nimmt. Und vor allem steht die Ferse tief, was für ein Training der kurzen Fußmuskeln günstig ist.
netzathleten.de: Und wie sieht dann der ideale Bewegungsablauf beim Gehen aus? Wie muss man sich das vorstellen?
Thomas Rogall: Ein normaler, erwachsener Mensch kommt auf der Ferse auf. Man sollte möglichst flächig auf der Ferse landen und nicht zu weit hinten. Wenn ich zu weit hinten lande, ist das Knie gestreckt. Das Knie ist aber das Hauptfederelement im Bein und das schalte ich dadurch aus. So entsteht ein starker Stoß, der sowohl für das Knie, als auch alle anderen Gelenke bis hinauf zur Halswirbelsäule ungünstig ist.
Also: Flächig landen. Die Ferse fungiert sozusagen als Steuerruder und verteilt die Belastung auf den Vorfuß, auf die fünf Strahlen. Diese fünf Strahlen sollten möglichst gleichmäßig belastet werden. Nach der Landung bleibt der Fuß stehen und es kommt die Gleichgewichtsphase, die so genannte mittlere Standbeinphase. Während dieser wandert der Mensch mit seinem Körper über den Fuß. Hier ist ganz wichtig, dass der Fuß gleichmäßig belastet ist. Oft kippt die Ferse in diesem Moment schon nach innen, wodurch der Fuß sehr stark über den Großzehenballen belastet wird und der Kleinzehenballen fast gar nicht mehr. Ein Indiz für eine solche Belastungsverteilung sind häufig kleine Zehen, die sich unter den vierten Zeh schieben oder nach oben gebogen sind und gar keinen Bodenkontakt mehr haben.
Der wichtigste Moment beim Gehen ist aber für mich, wenn der Fuß hinter mir steht. Das Problem ist, dass der hintere Fuß nie in der Linie der Körpermitte steht. Er steht außerhalb, der Körper ist über ihn hinweggewandert, nicht auf der Innen- sondern auf der Außenseite besteht ein durchgehender Bodenkontakt. Genau dann besteht die größte Gefahr, dass mir der Fuß nach innen kippt. Und in dem Moment, in dem das passiert, ist die schöne Gewölbekonstruktion des Fußes für die Katz.
Ich belaste den Fuß hauptsächlich innen über den Großzehenballen. Dann hebe ich die Ferse an, dabei werden die Zehen in den Grundgelenken auch noch ein bisschen nach oben gebogen. Wenn ich dann nur das Großzehengrundgelenk belaste, bekomme ich dort ein Problem. Das kann ein Hallux Valgus sein oder ein Hallux Rigidus. Ich muss also darauf achten, dass mein Fuß von Anfang bis Ende stabil auf dem Boden steht. Der Abdruckmoment sollte nicht zu spät kommen. Der richtige Abdruckmoment ist, wenn mein gesamter Vorfußbereich belastet ist. Das kann man sehr schön über die Zehen wahrnehmen. An der kleinen Zehe sollte man Belastung spüren und dann aktiv den Abdruck auslösen. Es kann sein, dass diese Abläufe nicht mehr richtig wahrgenommen und gesteuert werden können, beispielsweise, wenn man bereits eine Spreizfußproblematik entwickelt hat. Dann muss man die Bewegung erst wieder erlernen. Dabei unterstützen wir die Leute in der Fußschule. Es gibt auch Hilfsmittel wie beispielsweise Kinesio-Tapes, die man einsetzen kann. Das Wichtigste ist aber, den Menschen bewusst zu machen, wie sie gehen. Jeder Mensch kann seine Geh-Gewohnheiten relativ schnell ändern. Man muss nur wissen, worauf man zu achten hat.
netzathleten.de: Gibt es Übungen, die man zu Hause machen kann?
Thomas Rogall: Natürlich gibt es die, allerdings ist es schwierig sie einfach so zu beschreiben. Die müsste ich am besten vormachen. Generell gibt es aber natürlich Übungen für den Fuß, vor allen Dingen zum Quergewölbetraining und zur Entspannung der Zehen, damit sie sich wieder normal strecken können. Dazu Stabilitätstraining und Wahrnehmungstraining. Sehr viel dreht sich gerade am Anfang auch um die Körpermitte, also das Becken. Wie sich das Becken über den Fuß bewegt, ist das A und O. Auf den kleinen Fuß mit seinen kleinen Muskeln und auch auf die lange Fußmuskulatur, die dann bis in den Unterschenkel hochgeht, wirken sehr große Kräfte. Für einen effizienten und richtigen Gang muss ich meinen Körper geschickt über meinen Fuß bewegen. Dazu brauche ich zum Beispiel auch genügend Streckfähigkeit im Hüftgelenk. Bin ich da verkürzt, wird mein Fuß ein Problem bekommen. Es muss sich aber auch, etwas salopp gesagt, in der Schwungbeinphase der Hintern wieder lösen. In der Fußschule habe wir ein Programm aus Wahrnehmungsübungen, Dehnübungen, Koordinationsübungen und Kräftigungsübungen entwickelt, die auch genau in dieser Reihenfolge durchgeführt werden.
netzathleten.de: Bewegung kommt also vor Kraft.
Thomas Rogall: Auf jeden Fall. Kraft ist das, was ich dann entwickeln kann, wenn ich mich günstig bewege. Die Muskulatur ist davon abhängig, wie die einzelnen Knochen zueinander stehen. Wenn die Knochen ungünstig zueinander stehen, kann die Muskulatur ihre volle Funktion nicht erreichen. Habe ich beispielsweise einen Spreizfuß, sind die Mittelfußknochen gespreizt, die Muskulatur dazwischen ist gedehnt. Aber eine gedehnte Muskulatur ist immer schwach. Wie will ich so die Muskulatur trainieren? Ich muss also zunächst die Knochen in die richtige Stellung bringen und kann dann die Muskulatur trainieren.
netzathleten.de: Gibt es eine Faustregel für wen Barfußlaufen geeignet ist?
Thomas Rogall: Ich sage es mal so: Wenn jemand schon über Jahre Bergwanderungen macht, sich gerne und viel gehend und laufend bewegt und dabei keine Schmerzen oder Probleme hat, dann wird er sich vermutlich biomechanisch ganz günstig bewegen. Dann soll derjenige auch gerne einen Barfußschuh ausprobieren. Spannend ist dann natürlich zu gucken, was sich an meinem Gang verändert. In einem Barfußschuh geht man in der Regel viel vorsichtiger und macht dadurch auch eine andere Beckenbewegung.
Als ganz grobe Faustregel kann man festhalten: Wenn ich den Schuh anziehe, muss es sich gut anfühlen. Dann muss man natürlich auch immer schauen, wie lange man mit dem Schuh läuft. Für mich ist ein Barfußschuh immer noch ein Trainingsgerät. Man muss sich umstellen.
netzathleten.de: Aber eigentlich kommt man ja barfuß auf die Welt und erlernt in der Regel das Laufen ja auch barfuß.
Thomas Rogall: Auch wenn wir am Anfang barfuß laufen, laufen wir als kleine Kinder ganz anders als Erwachsene. Wir laufen als kleine Kinder auf dem Vorfuß, landen also nicht gleich auf der Ferse. Dass wir über die Ferse laufen, entsteht eigentlich erst im Alter von zehn, zwölf Jahren. Der Vorteil über die Ferse zu laufen, ist der geringere Energieverbrauch. Im Laufe der Evolution war das ja enorm wichtig. Bei möglichst wenig Energieaufwand wollte man möglichst weit kommen. Bei einem Erwachsenen, der über die Ferse läuft, gilt: Ausprobieren ja, aber Vorsicht bei harten Böden. Gerade in der Stadt würde ich den Barfußschuh nicht als permanente Alternative sehen. Man muss aber auch sagen, dass wir durchaus Patienten haben, denen es sehr gut geht, seitdem sie Barfußschuhe tragen. Es zeigt sich deutlich, und das lernen wir auch immer wieder, Füße und Laufen sind einfach sehr individuell. Jeder Mensch kann im Grunde davon ausgehen, dass ihm ein Barfußschuh nicht schadet, wenn er ein gutes Gefühl hat. Und dann kann man ihn ruhig auch einmal ausprobieren.
Hier gibt es weitere Informationen zur Fußschule München und Thomas Rogall