Ernährung mit Hartz4 – „Schwierig aber nicht unmöglich“
- Christian Riedel
Um eine finanzielle Grenze zu haben, hat sich der dipl. Sportwissenschaftler am Regelsatz für Hartz IV orientiert, der ab dem 1. Januar 2011 in Deutschland gelten soll. Dabei hat jeder ALG II-Empfänger 128,46 Euro im Monat für Ernährung und alkoholfreie Getränke zur Verfügung. Umgerechnet sind das 4,24 am Tag, die man für seine Ernährung ausgeben kann.
Einen Monat lang mit dem Regelsatz ernährt. Er hat möglichst billig eingekauft, selber gekocht und genau dokumentiert, was er gegessen hat. Beraten wurde er dabei von den beiden dipl. Oecotrophologinnen Anne Krenzin und Melanie Stoll. Die beiden haben genau aufgepasst, was der 33-Jährige im Testmonat November gegessen hat und ob die Ernährung auch ausgewogen und gesund war. Wenn nötig haben Krenzin und Stoll eingegriffen und die Ernährung entsprechend korrigiert.
Ernährung und Fitness
Da zu einer gesunden Lebensweise nicht nur die Ernährung, sondern auch Bewegung gehört, hat Christian Riedel zu Beginn und nach dem Projekt im Kölner Fitnessclub RochusFit einen Fitnesstest auf dem Fahrradergometer durchgeführt. Zudem wurden sein Gewicht und Körperfettanteil gemessen. Bei der Ernährung musste er dann natürlich auch den zusätzlichen Kalorienbedarf berücksichtigen.
„Ich hätte nie gedacht, wie aufwändig das Projekt wird“, sagt Christian Riedel. „Ich musste ja nicht nur fast jeden Tag kochen, sondern mir auch richtig Gedanken machen, wo und wann ich was am günstigsten kaufen kann. Schließlich kann man viel Geld sparen, wenn man beim Einkaufen die Augen offen hält.“
Nach einem Monat war es dann geschafft und tatsächlich blieben noch 4,69 Euro auf dem Konto übrig. Das heißt jetzt aber nicht, dass es einfach ist, sich mit dem Regelsatz gesund zu ernähren. „Natürlich hat das Geld gereicht, wenn auch nur knapp“, sagt Christian Riedel. „Doch man muss einige Punkte beachten, wenn man das nackte Ergebnis betrachtet. Zum einen muss man bedenken, dass es auch Monate mit 31 Tagen gibt, an denen man nicht mehr Geld bekommt und trotzdem satt werden muss. Zum anderen gab es am Wochenende auch Tage, an denen ich nur zweimal gegessen habe. Das spart Geld. Und schließlich musste ich ja nicht alles neu kaufen. Gewürze oder Öl habe ich nur gekauft, wenn die alte Packung leer war. Schließlich wird ja niemand von einem Tag auf den anderen zum Hartz IV-Empfänger und muss sich alles neu kaufen.“
Dennoch hat das Geld gereicht, und auch die Ernährungswissenschaftlerinnen waren mit der Auswahl an Nahrungsmitteln zufrieden. „Insgesamt kann man sagen, dass Christian Riedel sich in dem Testzeitraum gesund und ausgewogen ernährt hat“, sagt Anne Krenzin. „Die Kalorienzufuhr war ausreichend, und auch Fisch, Fleisch, Gemüse und Obst gab es. Positiv war auch, dass Christian Riedel überwiegend Vollkornprodukte gegessen hat.“
Auch der finale Fitnesstest ergab positive Werte. Christian Riedel nahm rund 1,5kg ab, der Körperfettanteil reduzierte sich von 15,1 auf 12,8 Prozent. „Man muss hier natürlich sagen, dass immer eine gewisse Messungenauigkeit mit eingerechnet werden muss“, sagt dipl. Sportwissenschaftler Oliver Schell, der die Messung vorgenommen hat. „Je nachdem, wie weit die Dioden auseinander liegen und wo man sie anklebt, können kleine Unterschiede entstehen. Dennoch haben sich die Werte deutlich verbessert.“
Dabei war auch das Ergebnis auf dem Ergometer deutlich besser als vor dem Projekt. Der netzathleten-Redakteur steigerte seine Leistung von 237 auf 275 Watt. Umgerechnet auf die Leistung pro kg Körpergewicht bedeutet das eine Steigerung von 3,0 auf 3,55 Watt/kg. „Diesen Leistungszuwachs finden wir sonst nur bei Anfängern, die neu mit dem Fitnesstraining beginnen“, erklärt Schell, der stellvertretende Leiter des RochusFit.
Fazit:
Auch wenn das Hartz IV-Geld gereicht hat, sollte man laut Christian Riedel das Ergebnis kritisch sehen: „Fakt ist, dass man leicht zu günstigeren Produkten greift, wenn man sehr penibel aufs Geld schauen muss. Da ist es natürlich problematisch, dass viele Fertigprodukte, die oft bedenkliche Zusatzstoffe enthalten, deutlich günstiger sind. Und es ist sehr schwierig, sich etwas zu gönnen, wenn man jeden Tag nur 4,24 Euro zur Verfügung hat. Schokolade gab es beispielsweise kein einziges Mal. Einmal habe ich mir zwei Flaschen Bier gekauft und einmal ein Pfund Kaffee. Wein oder andere Süßigkeiten lagen nie im Einkaufswagen.“ Natürlich kann man hier sagen, dass Süßes und Alkohol nicht zu einer gesunden Ernährung gehören. Aber bei Vielen sind sie für die Psyche wichtig. Schließlich gilt Schokolade beispielsweise als Glücklichmacher. Und hier kann man anmerken, dass eine gesunde Psyche für einen gesunden Körper ebenso wichtig ist.
Fakt ist zudem, dass man sich ohne ein gewisses Grundwissen kaum ausgewogen und günstig ernähren kann. Die Ernährung wird ansonsten leicht entweder zu teuer oder zu ungesund. Hier haben die Ernährungsberaterinnen Anne Krenzin und Melanie Stoll große Hilfe geleistet. Aber leider hat nicht jeder den Vorteil, zwei Beraterinnen zur Seite zu haben.
Eine ausgewogene Ernährung mit Produkten, die im normalen Lebensmittel-Discounter erhältlich sind, ist also überwiegend möglich, sagt Christian Riedel. Allerdings nur, sofern man das Know-how für gesunde Ernährung hat und die Motivation, selber zu kochen, besitzt und kaum Geld für Genussmittel ausgibt.
Mehr zum Projekt gibt es unter www.ernaehrung-mit-hartz4.de
Die Expertinnen: www.service-ernaehrung.de
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