Iss was? - Warum man mit Ernährungsstudien vorsichtig sein sollte
- Christian Riedel
Rotes Fleisch erhöht das Risiko für einen Herzinfarkt. Laut aktuellen Studienergebnissen stimmt das nicht. Rotwein schützt das Herz. Oder etwa doch nicht? Forscher wollen auch herausgefunden haben, dass Omega-3-Fettsäuren gar nicht so gesund sind, wie wir immer geglaubt haben. Und ob Schokolade nun gesund ist oder nicht, hängt auch davon ab, welche Studie wir gerade in der Hand halten. Am Ende gibt es so viele Studien zu jedem Thema, dass man den Anschein bekommen könnte, man muss nur lange genug nach der richtigen Studie suchen, damit man die Ernährungsempfehlung bekommt, die man gerade haben will.
Bevor man einer Ernährungsstudie glauben schenken darf, sollte man zunächst auf mehrere Faktoren genau achten. Den schlimmsten Fehler, den man machen kann ist, jede Studie für bare Münze zu nehmen. Das ist auch schwierig, da entsprechende Untersuchungen oft genau das Gegenteil der anderen ergeben. Hier den Überblick zu behalten, ist schwierig.
Problem: Studiendesign
Gerade bei Ernährungsstudien ist oft das Problem, dass die Ergebnisse von so genannten Beobachtungsstudien stammen. Das gilt beispielsweise für viele Studien, die eine Reduzierung des Herzinfarktrisikos ergeben haben. So gab es Beobachtungsstudien, die ergeben haben, dass täglich acht Gramm Schokolade das Herzinfarktrisiko um 39 Prozent senkt. Eine andere Studie hat das Ergebnis zu Tage gebracht, dass eine Hand voll Nüsse am Tag das Risiko um 48 Prozent senkt und einer weiteren Untersuchung zu Folge kann man mit einmal fettem Fisch pro Woche das Risiko noch einmal um 44 Prozent senken. Wenn man nun alle drei Faktoren zusammen nehmen würde, würde so eine Schokolade-Nüsse-Fisch-Diät unser Herz ja beinahe unverwundbar machen. Doch leider ist das nicht der Fall.
Was Beobachtungsstudien nämlich nicht zeigen ist, ob es auch tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung hat. Die wenigsten Studien finden nämlich unter kontrollierten Bedingungen statt. Insofern kann man höchstens Rückschlüsse ziehen, die nicht unbedingt in einem direkten Zusammenhang stehen müssen. Zum Beispiel hat eine Studie ergeben, dass der Verzicht aufs Frühstück das Herzinfarkt-Risiko signifikant erhöht. Was aus der Studie nicht hervorgeht ist, warum das der Fall ist. Eine mögliche Ursache könnte sein, dass gestresste Menschen sich keine Zeit zum Frühstücken nehmen. Und Stress erhöht tatsächlich das Herz-Risiko. Ob die Betroffenen nun frühstücken oder nicht spielt hier aber keine Rolle.
Man stelle sich nur mal vor, man befragt Raucher, wie viele Pausen bei der Arbeit sie am Tag nehmen. Je mehr man raucht, desto mehr Pausen nimmt man sich. Allerdings dürfte auch das Risiko für Lungenkrebs mit jeder Zigarette deutlich ansteigen. Nimmt man nun nur die Zahl der Pausen und das Risiko für Lungenkrebs, könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass Pausen das Krebsrisiko erhöhen. Klingt ziemlich unglaubwürdig. Genau das wird aber in einigen Studien gemacht.
Wer isst wann was?
Das nächste Problem bei vielen Studien ist, dass die Teilnehmer befragt werden und ihre Ernährungsgewohnheiten aus dem Gedächtnis aufschreiben müssen. Aber mal ehrlich. Wer weiß denn noch genau, was er letzte Woche Mittwoch zum Abendessen hatte. Und auch wenn man seine Ernährungsgewohnheiten dokumentiert, hat kein Forscher die Gewissheit, dass auch wirklich alles richtig aufgeschrieben wird. Und ohne diese Gewissheit ist so eine Studie mehr Zeitverschwendung und mit Sicherheit keine wissenschaftliche Arbeit.
Vorgeplante Ergebnisse
In jedem Fall sollte man einen genauen Blick darauf werfen, wer die Studie in Auftrag gegeben hat. Viele Ernährungsstudien werden von Lebensmittelherstellern in Auftrag gegeben und auch finanziert. Hier ist klar, dass das Ergebnis zu Gunsten des Geldgebers ausfallen sollte. Falls das nicht der Fall sein sollte, wird die Studie gern auch einmal vergessen. Oder das Studiendesign wird so angepasst, dass das Ergebnis unweigerlich zu Gunsten des Auftraggebers ausfallen muss.
Wer macht mit?
Noch ein Problem ist, dass die Zahl der Teilnehmer oft sehr klein ist. Wirklich repräsentative Ergebnisse bei Probandengruppen unter 100 Personen sind schlicht unmöglich. Teilweise werden aber Studien durchgeführt mit 50 und noch weniger Teilnehmern. Ergebnisse aus solchen Studien können aber höchstens als Grundlage für weitere, umfangreichere Studien dienen. In keinem Fall sollte man den Fehler machen und sie für absolut nehmen.
Natürlich gibt es auch viele Studien, die seriös geplant und durchgeführt werden und zu eindeutigen und wissenschaftlich relevanten Ergebnissen führen. Randomisierte, kontrollierte Studien über einen längeren Zeitraum mit einer ausreichenden Teilnehmerzahl liefern solche Ergebnisse. Sie sind aber relativ selten. Oft fallen diese Studien im Gros der aktuellen Untersuchungen aber gar nicht auf, weil sie vielleicht auch weniger spektakuläre Ergebnisse liefern. Doch darum geht es zumindest bei seriöser Forschung auch nicht. Wer sich allerdings wirklich beim Thema Ernährung weiterbilden will, sollte seinen gesunden Menschenverstand einschalten und bei den Studien nicht nur auf das Ergebnis schauen.