Doping-Serie: Doping im Breitensport
- Redaktion
Nicht nur im Spitzensport wird gedopt. Vor allem im Bodybuilding- und Fitnessbereich ist die Einnahme von Anabolika und Wachstumshormonen keine Seltenheit. Laut einer Studie der TU Darmstadt haben etwa 20 bis 25 Prozent der Männer und 4 bis 5 Prozent der Frauen in deutschen Fitnessstudios schon einmal zu Muskel aufbauenden Präparaten gegriffen. Im Unterschied zum Profisport fällt die Einnahme dieser Mittel im Breitensport genau genommen jedoch nicht unter den Begriff Doping, sondern gilt „nur“ als Medikamenten-Missbrauch – was das Ganze beileibe nicht besser macht.
Einstieg mit Nahrungsergänzungsmitteln
Die wenigsten Breitensportler greifen direkt zu Anabolika und Wachstumshormonen. Der Einstieg erfolgt für gewöhnlich über die harmlos erscheinenden Nahrungsergänzungsmittel (NEM). Allerdings weisen auch in Deutschland vertriebene NEM zu mehr als zehn Prozent Verunreinigungen mit anabolen Steroiden auf, wie der Landessportverband Baden-Württemberg berichtet.
Netzwerke im Hintergrund
Ähnlich wie beim Doping im Spitzensport, gibt es auch im Breitensport im Hintergrund weltweit agierende Netzwerke, die Interessenten meist via Internet mit den gewünschten Stoffen versorgen – Sucht nicht ausgeschlossen. Die Risiken werden dabei oft unterschätzt. Anabolika sorgen zwar für Muskelwachstum, allerdings kann die Einnahme auch weniger schöne Begleiterschönungen haben: Bei Männern kommt es häufig zu Akne, Haarausfall oder Impotenz, bei Frauen zu einer „Vermännlichung“ (tiefere Stimme, Bart- und Körperhaarwuchs).
Enorme gesundheitliche Risiken
Im schlimmsten Fall drohen sogar lebensbedrohliche Nebenwirkungen, wie Prof. Dr. Wilhelm Schänzer, Leiter des WADA-Antidopinglabors Köln, erläutert: „Gerade die anabolen Wirkstoffe haben ganz massive Auswirkungen auf den Kreislauf und können Organe wie Herz und Leber schädigen, was bei langfristiger Einnahme sogar zum Tod führen kann.“
Ist man dann einmal bei den „härteren“ Sachen angelangt, schrecken viele Hobby-Sportler auch vor der Einnahme von Tierarznei nicht zurück. Diese steht im Ruf billiger, wirkungsvoller und leichter zu beschaffen zu sein als spezielle Präparate für den Menschen.
Das Paradoxe dabei ist, dass die Sportler auf der einen Seite diese Mittel einnehmen, die erwiesenermaßen gesundheitsschädlich sind. Auf der anderen Seite geht dieser Medikamenten-Missbrauch mit einem ansonsten auf Gesundheit ausgerichteten Lebensstil einher (z.B. bewusste, ausgewogene Ernährung).
Präventionsbedarf schon in der Schule
Die Dopingproblematik im Breitensport ist schon länger bekannt. Aber angesichts der Tatasche, dass nach neueren Studien etwa jeder zehnte Schüler in Deutschland bereits Erfahrungen mit Dopingmitteln gesammelt hat und 30 Prozent wissen, wie sie welche beschaffen können, kommt der Aufklärung eine immer größere Bedeutung zu. „Im Grunde ist es so, dass die Präventionsmaßnahmen im Freizeitbereich noch nicht ausreichend unterstützt werden. Ich denke, da braucht es noch mehr Aufklärungsprojekte. Wir machen das hier in Köln in einer Arbeitsgruppe unseres Instituts und gehen zum Beispiel in Schulen“, sagt Doping-Experte Wilhelm Schänzer.
Gesamtgesellschaftliches Problem
Die Einnahme verbotener Substanzen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Das macht die Aufklärungsarbeit nicht einfacher. Nicht nur im Sport, sondern auch in anderen Bereichen werden Medikamente und Drogen nicht nur missbraucht, sondern ihr Konsum wird teilweise sogar als „chic“ empfunden. Hinzu kommt der Körperkult unserer Zeit, der viele Menschen unter den Druck setzt, immer jung und fit auszusehen. Nicht ohne Grund arbeiten in deutschen Fitnessstudios heutzutage sechs Millionen Menschen mehr oder weniger regelmäßig an der Modellierung ihres Körpers.
Generell steigender Leistungsanspruch
Aber auch der Leistungsanspruch an sich selbst nimmt im Breitensport zu. Gerade bei Langzeitbelastungen wie einem Marathonlauf greifen immer mehr Läufer im Vorfeld zu Aspirin oder Voltaren, um ihre Schmerzgrenze ein wenig nach oben zu verschieben. Dies ist natürlich beileibe kein Doping. Im Gegenteil, man könnte es sogar als „clevere“ Arbeitserleichterung sehen; dieses Vorgehen zeigt jedoch, dass selbst Breitensportler vielfach professionell und nicht mehr aus Liebe zum Sport agieren.
Marco Heibel