Gewichtmachen mit Rüdiger May Jörg Birkel

Gewichtmachen mit Rüdiger May

  • Rüdiger May
Es ist wohl der Albtraum eines jeden Kampfsportlers: beim Einwiegen vor dem Wettkampf zeigt die Waage zu viel für die entsprechende Gewichtsklasse an. „Damit das nicht passiert, sollten Boxer, Judoka und andere Kampfsportler rechtzeitig mit dem Gewichtmachen anfangen“, rät der ehemalige Box-Profi Rüdiger May.

Es hat schon Boxer gegeben, die beim offiziellen Wiegen ihre Unterhose ausziehen mussten, um die nötigen Gramm für ihre Gewichtsklasse zu schinden. Auch Profisportler tun sich manchmal schwer mit dem Abnehmen. Teilweise kommen dann altmodische Maßnahmen zum Einssatz, um auf die Schnelle noch die nötigen Pfunde loszuwerden. „Abkochen“, wie es in der Boxersprache heißt, bedeutet stundenlanges Seilspringen, ausgiebige Saunagänge und teilweise sogar Trinkverbot während des Trainings. Gesund ist das allerdings nicht wirklich. Und schon gar nicht für abnehmwillige Hobbysportler zu empfehlen.

„Solche kurzfristigen Gewichtsverluste schafft man meist nur über den Wasserhaushalt“, sagt Rüdiger May. „Arthur Abraham zum Beispiel hatte manchmal eine Woche vor dem Wettkampf noch 5-7 Kilogramm zu viel auf den Hüften.“ Soviel Fett kann man in einer Woche kaum verbrennen, zumal Profisportler in dieser Trainingsphase bereits einen sehr niedrigen Körperfettgehalt haben. Ein solcher Gewichtsverlust ist nur durch Ausschwitzen von Flüssigkeit zu bewerkstelligen.

Flüssigkeitsmangel verschlechtert die sportliche Leistungsfähigkeit


„Früher galt im Training sogar Trinkverbot. Heute weiß man, dass das kontraproduktiv und sogar gefährlich ist. Wassermangel wirkt sich nicht nur auf die Leistungsfähigkeit aus, sondern schränkt auch die Konzentration deutlich ein und kann teilweise sogar lebensgefährlich sein“, sagt Rüdiger May. „Wenn der Körper zu viel Wasser verliert, dickt das Blut ein. Bei starken Trainingsbelastungen kann das zu Hirnblutungen führen.“

Wer bis zum Wettkampf 10 Kilo abnehmen muss, solle deshalb bereits 12 Wochen vorher damit anfangen, rät der ehemalige Boxprofi und Fitnesstrainer. Ein gutes Beispiel dafür sei Felix Sturm, der mit einem Ernährungsinstitut in Köln zusammenarbeite und sich nach einem maßgeschneiderten Plan ernähre. „Deshalb sieht der Felix nicht so ausgemergelt aus wie andere Boxer“, so May.

Profis greifen auch immer häufiger auf Nahrungsergänzungspräparate zurück. Das fängt bei Vitamintabletten an und reicht über Proteinshakes bis hin zu Aminosäurekonzentraten. „Ich habe das früher auch ausprobiert, war damit aber nicht so zufrieden. Zwar sind meine Muskeln davon dicker geworden, aber eben nicht deutlich leistungsfähiger“, sagt Rüdiger. Und für Hobbysportler bestehe keine Notwendigkeit dafür. Der Normalbürger laufe auch bei intensivem Training nicht Gefahr, mit Nährstoffen unterversorgt zu sein.

Vorsicht, versteckte Kalorien


Am wichtigsten ist es, ausreichend zu trinken. Leider fangen da für Viele die Gewichtsprobleme an. In den meisten Softdrinks ist Zucker enthalten. „Doch Getränke ohne Geschmack mag ja keiner. Und so droht schnell eine Überernährung durch die tägliche Flüssigkeitsaufnahme“, erklärt Rüdiger. Die besten Sportlergetränke sind immer noch Wasser und ungesüßte Tees. Aber Vorsicht: Schon im Warenkorb beginnt das Gewichtsproblem. Fertiggetränke wie Eistee oder Fruchtsäfte enthalten ebenfalls viel Zucker.


Finger weg von Fertigprodukten


Eine ausgewogene Ernährung ist beim Abnehmen entscheidend. Viel frisches Gemüse, Obst und mageres Fleisch gehören auf den Speiseplan eines Sportlers. Genauso wie Fisch, Nüsse, Milchprodukte und gesunde, ungesättigte Fettsäuren. Stimmt die Nahrungsauswahl, klappt es auch mit dem Gewichtmachen. Vorausgesetzt natürlich, man beginnt rechtzeitig damit.

Auch fettreduzierte Fertigprodukte sind nicht unbedingt kalorienarm. Meist ist in den so genannten Light-Produkten mehr Zucker enthalten, und der wirkt sich wiederum direkt auf den Insulinspiegel aus. Die Folge: Nimmt ein Sportler mehr Zucker zu sich als er direkt verbrennen kann, wird die überschüssige Energie als Fett gespeichert. Besser sind hochwertige Kohlenhydrate als Energiequelle geeignet.

Rüdigers Tipp: Immer erst auf die Inhaltsstoffe schauen oder Fertigprodukte ganz von der Einkaufsliste streichen. Am Besten sind natürliche Lebensmittel, die man frisch kauft und selber zubereitet.

Nach dem Verzehr von Vollkornprodukten steigt der Insulinspiegel weniger stark an; die aufgenommen Kohlenhydrate stehen dem Körper gleichmäßiger zur Verfügung und können nach und nach verbrannt werden. So lässt sich die Kalorienzufuhr besser dosieren, weil auch Heißhungerattacken ausbleiben.

In einem Kilogramm Körperfett stecken übrigens rund 7.000 Kilokalorien (kcal). Eine ganze Menge Energie. Deshalb ist es auch so schwierig, in kurzer Zeit viel Fett zu verbrennen. Ein 80kg schwerer und 180cm großer 30jähriger Mann verbrennt in einer Stunde Boxtraining durchschnittlich 700 kcal. Um wie Artur Abraham in einer Woche 5kg abzunehmen, müsste er also 50 Stunden am Stück Boxen. Das ist in einer Woche wohl kaum zu schaffen. Zudem kann sich ein so massiver Gewichtsverlust auch auf die Leistungsfähigkeit auswirken.

Auf den letzten Drücker lässt sich das dann tatsächlich nur noch über den Wasserhaushalt bewerkstelligen. Leichter ist es, stattdessen den Körperfettgehalt über mehrere Wochen zu reduzieren und die einzusparenden Kalorien über einen längeren Zeitraum zu verteilen. Den Rest kann man dann ja immer noch in der Sauna abkochen. Das ist dann aber längst nicht mehr so kräftezehrend.

Box-Star Rüdiger May (*26.11.1974 in Meerane)
Disziplin: Boxen
Größte Erfolge: Deutscher Meister, EU-Meister, 52 Kämpfe, 43 Siege, 11 davon mit K.o.

Jörg Birkel

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