Wie hängen Muskeln zusammen – Fragen an Dr. Sport
- Christian Riedel
Guten Tag lieber Dr. Sport,
ich bin Marathon-Läuferin und hatte bisher keine Probleme in der Gesäßmuskulatur, sehr wohl aber seit längerer Zeit nach Tempoläufen Schmerzen im Genick. Während des Laufens habe ich keine Schmerzen.
Nach einigen Stunden bekam ich dann Kopfschmerzen, ein dumpfes Gefühl im Kopf und Schwindel. Der Physio meinte, das sind die Triggerpunkte in den Occipitalen Muskeln (div. Nackenmuskeln) in Verbindung mit dem Trapezius. Also habe ich nach jedem Lauf versucht, die Triggerpunkte im Genick zu entschärfen. Das ging auch immer gut. Dann las ich, dass solche Triggerpunkte mit dem Muskel Iliopsoas (Lenden-Darmbeinmuskel) zusammenhängen könnten. Im Iliopsoas war dann tatsächlich auch ein Triggerpunkt, den ich ebenfalls entschärft habe, die Genickschmerzen sind dadurch um ca. 75 Prozent gesunken.
Und jetzt beginnt das Drama: Seitdem „spinnt und muckt“ mein Gluteus (großer Gesäßmuskel) herum. Schon während des Laufes spüre ich im Tensor fasciae latae (Muskel im Oberschenkel) und im Gluteus medius eine Spannung und ein Stechen, nach dem Lauf kann ich meine Hüfte fast nicht mehr bewegen. Nach häufigem Dehnen dieser Region gehen die Schmerzen natürlich wieder weg, bis nach dem nächsten Lauf.
Die Genickschmerzen sind zwar um ein Vielfaches geringer geworden, leider habe ich dafür Gesäßschmerzen eingetauscht.
Was mich jetzt interessiert ist:
- Was passiert, wenn der Iliopsoas gedehnt wird?
- Was hat der Iliopsoas mit dem Gluteus medius und mit dem Tensor fasciae latae zu tun?
- Was muss ich kräftigen bzw. dehnen, um aus diesem Genick-Gesäß-Dilemma herauszukommen?
Für Ihre Antwort bedanke ich mich im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia
Liebe Claudia,
wie Du es selber schon erkannt hast, zeigt dein Bewegungsapparat an verschiedenen Stellen Zeichen der Über- oder Fehlbelastung. Triggerpunkte im M. iliopsoas und im Nacken hängen zum Beispiel oft alleine schon durch die sitzende Tätigkeit der meisten Personen zusammen. Bei funktionellen Beschwerden des Bewegungsapparates, wie Du sie beschreibst, sollte eine gründliche manualmedizinische Diagnostik erfolgen. Das bedeutet, ein Orthopäde oder Manualmediziner schaut sich Deine Statik und das Gangbild an, sowohl barfuss, als auch mit Deinen Sportschuhen. Anschließend sollten verschiedene Muskeln auf ihre Dehnfähigkeit überprüft werden. Falls notwendig sollte eine Röntgenaufnahme der Wirbelsäule erfolgen.
Dann ist es möglich, Dir gezielt Tipps zu Dehnung und ausgleichenden Kräftigung zu geben, um die wie es scheint verschiedenen muskulären Dysbalancen auszugleichen. Die zu Grunde liegenden funktionellen Muskelketten an dieser Stelle zu erklären, würde den Rahmen dieses Textes sprengen. Als kurzes Beispiel sei angeführt, dass eine Überbeanspruchung des Tenso fasciae latae sowohl von der Fußstellung beim Laufen (Senk-/Platt-/Spreizfuß), den Schuhsohlen (weich/hart), der Beinachse (X-/O-Bein), der Beckenstellung und damit auch vom Dehnungszustand des M. iliopsoas abhängen kann.
Ein erster praktischer Tipp vorab ist es, nach dem Training im gesamten Bein-Becken Bereich die Muskulatur zu dehnen und die Faszien zu lockern. Dies geht einfach über eine Eigenmassage mit den Händen, einem Tennisball oder einer Pilatesrolle. Weiterhin bessern sich viele der beschriebenen Beschwerden, wenn zuerst einmal ca. alle 5 min beim Joggen eine Gehpause von 30-60 Sekunden eingelegt wird.
Viel Erfolg bei Deinem Training und gute Besserung!
Dr. Markus Klingenberg
Sportmediziner
www.laktatmessung.info