Abschiedstraum Peplies Consult
Die Kolumne von Eric Frenzel

Abschiedstraum

  • Eric Frenzel
Nachdem nach meinem vor dem Weltcup in Oslo erklärten Rücktritt vom Leistungssport zum Saisonende bereits überwältigende Reaktionen von vielen internationalen Medien und vor allem von weltweiten Fans zu bemerken waren, führte der nun wirklich letzte Wettkampf meinerseits in Lahti nochmals eine emotionale Steigerung mit sich. Viele kleine, schöne Momente reihten sich aneinander und verdichteten sich zu einem großen, in der Sekunde, als ich durch die Ziellinie lief.
Zum letzten Mal auf dem Balken sitzend, lächelte ich nach unten in den Auslauf des Sprungstadions und erkannte, dass mein Vater und nicht der ebenso scheidende Bundestrainer Hermann Weinbuch auf der Trainerloge stand, um mich abzuwinken. Also gut-dann los, in die Hocke zum Ansitzen und ein starker Absprung: einerseits voller Konzentration, andererseits wollte ich den Sprung, ohne auf die Weite zu achten, einfach nur genießen. Landung – inmitten von Jubelschreien und Fanfaren. Minutenlange Standing Ovations, wie zuvor in Oslo am Holmenkollen, gingen selbstverständlich nicht spurlos an mir vorbei.

Mittagspause, kleiner Imbiss, Ruhe vor dem Lauf, über mehr als ein Jahrzehnt ein gewohnter Ablauf.

Auch den Kampf in der Loipe habe ich nicht mehr mit letzter Konsequenz geführt. Ich habe nochmal einen Lauf im Wettkampf bewusst spüren und Strecke wie Zuschauer gleichermaßen aufnehmen wollen. Wenige Meter vom Ziel entfernt bekam ich ein überdimensionales Gelbes Trikot angeboten, das ich mir überzog und dann, ja dann kam der schönste Moment des Abschiedsnehmens. Kurz vor der Ziellinie hatten sich Sportler aller Nationen zum Spalier gestellt, die Norweger um Jarl Magnus Riiber, der mich schon in Oslo mit netten Worten öffentlich verabschiedet hatte, die Österreicher um den neuen Gesamtweltcupsieger Johannes Lamparter, die Japaner um meinen Freund Akito Watabe, mit dem ich trotz aller Wettkampfhärten eine wundervolle ,private Freundschaft aufbauen konnte – alle waren da und bildeten einen Einlauftunnel für mich ins Ziel; dort angekommen, hatten sich meine Mannschaftskameraden bereits präpariert – eine ultimative Sektdusche ging auf mich nieder, um dann mit einem langen Schluck aus der Magnum-Flasche beendet zu werden. Gratulanten aus den Trainerstäben, wiederum viele Sportler gaben mir die Hand und Schulterklopfer.

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Ich muss ehrlich gestehen, die Feuchte im Gesicht war nicht nur dem Schaumwein geschuldet.

Es war ein Abschied in Raten vom Weltcup – vom Holmenkollen nach Lahti – an beiden Orten war ich Weltmeister geworden. Es war ein Abschied voller Emotionen. Es war ein Abschied, wie ich ihn für mich nicht besser hätte inszenieren können. Es war ein Abschiedstraum, für den ich allen danke, die an diesem mitgewirkt haben.

Ich verneige mich und ziehe den Vorhang zu.

Herzliche Grüße
Eric Frenzel

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