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Wenn Ehrgeiz schadet - Vom Couchpotatoe zum Ironman

  • Jörg Birkel
Triathlon zählt sicher zu den großen Abenteuern in unserer Gesellschaft. Gerade wenn man die Bilder des Ironman Hawaii vor Augen hat, juckt es den einen oder anderen Hobbysportler, sich dieser Herausforderung zu stellen. Falscher Ehrgeiz kann aber schädlich sein.

Von Null auf Marathon ist bereits ein gewagtes Unterfangen für untrainierte Einsteiger und Hobbysportler. Es gibt dennoch zahlreiche Bücher und Trainingspläne in Zeitschriften, die einem suggerieren, ein Marathon sei mit dem richtigen Trainingsplan für jeden Novizen machbar.

Betrachtet man lediglich den Stoffwechsel und die Muskulatur, dann ist diese Annahme auch bedingt richtig. Die meisten Laufanfänger sind nach einer gewissen Zeit in der Lage, die Marathonstrecke von 42 Kilometern zu meistern. Irgendwie zumindest. Und vielleicht mit der ein oder andere Gehpause. Aber ankommen, dass ist möglich.

Welcher Belastung man seinen Körper dabei aussetzt, ist den wenigsten Menschen tatsächlich bewusst. Und das gilt für Ironman-Novizen umso mehr. Denn unsere Muskeln und unser Stoffwechsel sind ja nur zwei Aspekte im Körper. Die Muskulatur kann sich innerhalb von Wochen an eine regelmäßige Belastung (Trainingsumfänge) gewöhnen und auch der Stoffwechsel macht relativ schnell Fortschritte.

Den passiven Bewegungsapparat im Blick

Für Sehnen, Bänder und Gelenkknorpel gilt das leider nicht. Unser passiver Bewegungsapparat benötigt manchmal Jahre, um sich an die hohen Belastungen, die vor allem das Lauftraining mit sich bringt zu gewöhnen. Erschwerend hinzu kommt der Umstand, dass Knorpelgewebe keine eigene Nervenfasern oder Blutgefäße hat. Verschleißt der Gelenkknorpel beispielsweise durch zu schnell gesteigerte Laufumfänge oder eine schlechte Lauftechnik, dann bekommen wir das zunächst gar nicht mit.

Der schleichende Verschleiß kann sich über Jahre hinziehen. Und plötzlich fängt das Knie an zu schmerzen. Die Diagnose Knorpelschaden mit Arthrose kann für einen passionierten Ausdauersportler niederschmetternd sein. Vor allem, weil jegliche Warnhinweise wie Schmerz oder Brennen ausbleiben.

Ist der Knorpel erstmal ruiniert, lässt sich dieser kaum wieder flicken. Geschädigtes Knorpelgewebe regeneriert sich nämlich nicht wieder und muss in schlimmen Fällen operativ abgetragen werden. Ist der Verschleiß zu groß, kommt es zu Entzündungsprozessen und chronischen Schmerzen. Dieses Risiko ist vielen Lauf- und Triathlon-Einsteigern gar nicht bewusst.

Typische Läuferbeschwerden

Sehr viel schneller als ein Knorpelschaden machen sich Bänder und Sehnen bemerkbar. Ein typisches Läuferleiden ist die Achillessehnenreizung oder sogar -entzündung. Typische Vielläuferbeschwerden sind auch das Schienbeinkantensyndrom oder das Illiotibial-Band (ITB)-Syndrom.

Ursache ist in den meisten Fällen eine zu schnelle Steigerung der Trainingsumfänge und Laufkilometer. Eine Steigerung die nicht ausbliebt, wenn man sich einen Marathon oder gar einen Ironman zum Ziel setzt. Ein entsprechendes Laufpensum ist nämlich zwingend nötig, wenn man eine solche Wettkampfstrecke gesund bewältigen will.

Wobei gesund ohnehin schon relativ wird, wenn man über Laufdistanzen jenseits der 30 Kilometer spricht. Ein Marathon ist alles andere als gesund. Das gilt sogar für Profi-Läufer. Dennoch übt eine so lange Strecke einen gewissen Reiz auf Sportler aus. Die eigenen Grenzen kennen lernen und ausloten, dass motiviert Hobbysportler jedes Jahr aufs Neue.

Prinzipiell ist das auch lobenswert. Wer sich Ziele setzt, schafft damit Anreize fürs Training. Man steigert die Motivation, sich regelmäßig zu bewegen. Allerdings ist es unter gesundheitlichen Gesichtspunkten auch notwendig, dass man sich realistische Ziele setzt.

In Bezug auf Triathlon heißt das, dass der ein oder andere sich in Geduld üben sollte, wenn ihm die eigene Gesundheit lieb ist. Ohne eine entsprechende Sporthistorie, ist einem Triathlon-Rookie von einer Langdistanz innerhalb der ersten fünf Jahre nach Einstieg abzuraten.

Von den Profis lernen

Fragt man Triathlon-Profis, dann wird man mit erstaunen feststellen, dass kaum einer seine Karriere mit einer Langdistanz gestartet hat. In der Regel kommen die meisten Profis über den Kurzdistanz Triathlon zu den längeren Distanzen. Triathlon Legende Jürgen Zäck hat beispielsweise seinen ersten Ironman erst nach sieben Jahren gemacht.

Auch die Hawaii Sieger und Podiumsplatzierte der letzten Jahre kommen von der Kurzdistanz. Andreas Raelert hat zweimal an Olympischen Spielen teilgenommen, bevor er auf die Langstrecke gewechselt ist.

Profis wissen sehr genau, was sie ihrem Körper zumuten können. Schließlich ist der eigene Körper das Kapital, mit dem ein Sportler sein Geld verdient. Im Amateur- und Breitensport hat man nicht immer diesen Eindruck. Allzu schnell beginnen erfahrene Ironman-Finisher von ihren Abenteuern zu schwärmen und verleiten gerne mal Rookies dazu, viel zu früh den Schritt auf die Langdistanz zu wagen.

Bei einem richtigen Triathlon sind schließlich 226 Kilometer zu bewältigen, alles andere zählt da nicht mehr. Lass Dich von solchen Ideen nicht beeinflussen. Eine Langdistanz ist nicht zu unterschätzen und birgt etliche Gesundheitsgefahren, wenn man die Vorbereitung darauf auf die leichte Schulter nimmt.

Lieber mal kleine Brötchen backen

Eine Langdistanz innerhalb der ersten beiden Jahren nach Trainingseinstieg ist nicht empfehlenswert. Ausnahmen sind erfahrene Läufer, die eine entsprechende Laufhistorie haben. Ansonsten solltest Du Dir mindestens fünf Jahre Zeit nehmen und Dich zunächst auf den kürzeren Distanzen austoben.

Eine Mitteldistanz oder Halb-Ironman erfordert bereits ein so hohes Laufpensum im Training, dass man diese frühestens nach zwei Jahren in Erwägung ziehen sollte. Ausnahmen sind auch hier wieder erfahrene Läufer, denn vor allem das Laufpensum belastet den passiven Bewegungsapparat.

Fehlt der läuferische Background, sind Volksdistanz und Kurzdistanz die empfohlenen Wettkampfformate für Einsteiger. Aber unterschätzen Sie die kurzen Strecken nicht, auch auf einer Sprintdistanz kann man seine Grenzen ausloten. Profi-Triathleten bestreiten die auch als Sprintdistanz bezeichneten Volkstriathlons von Anfang an auf oder oberhalb der Laktatschwelle.

Wie sich oberhalb der Laktatschwelle anfühlt, weißt Du, wenn Du schon mal 1.000 Meter auf Anschlag gelaufen bist. Dann kannst Du Dir auch leicht vorstellen, dass eine kurze Distanz zu einer Grenzerfahrung werden kann.

Fazit: Gegen ehrgeizige Ziele ist im Grunde nichts auszusetzen, aber man sollte sich Gedanken machen, in welchem Zeitraum man ein solches Ziel erreichen will. Der Gesundheit zu liebe, solltest Du manchmal lieber etwas Geduld aufbringen und Dir auf den Kurzstrecken die nötige Geschwindigkeit holen, damit die Langdistanz dann irgendwann nicht zur endlosen Qual wird.

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