Cliff Diving – Absprung am Abgrund picture-alliance

Cliff Diving – Absprung am Abgrund

  • Derk Hoberg
Was einst als romantische Mutprobe in Mexico begann ist mittlerweile eine ernsthafte Wettkampfdisziplin. Beim Cliff Diving springt man aus rund 28 Metern Höhe – der Höhe eines zehnstöckigen Hauses – ins Wasser. Mit 90 km/h kommt der Springer dort an und wird in Zehntelsekunden auf Null abgebremst.

La Quebrada heißt der berühmte Felsen, auf dem in Acapulco alles begann. 1934 kletterte der 13-jährige Enrique Rios auf die Klippe und sprang gut 16 Meter tief in die Wassermassen. Er war somit der erste der legendären mexikanischen Klippenspringer. Die Schwierigkeit bei den Sprüngen dort besteht vor allem darin, weit genug nach vorne zu springen, da man ansonsten gegen die Felsformation prallen würde. Und auch das mit den Wassermassen ist an dieser Stelle sehr relativ, denn die Wassertiefe beträgt hier, selbst bei Flut, gerade mal vier Meter.

Wo kommt Cliff Diving her?

Aber der Sport kommt nicht wirklich aus Acapulco. Was die wenigsten wissen: Cliff Diving stammt eigentlich aus Hawaii. Das Klippenspringen war Teil eines Zeremoniells der Ureinwohner der Insel. Der Maui-König Kahekili sprang um 1770 von einem 15 Meter hohen Felsen ins Meer. Seine Krieger hatten es ihm gleich zu tun, um damit ihren Mut zu beweisen.

Weltweit bekannt wurde die mexikanische Version und Touristenattraktion aber hauptsächlich durch einen anderen King. Elvis Presley sprang in seinem Film „Fun in Acapulco“ von der Quebrada, um Filmpartnerin Ursula Andress zu imponieren.

Mitte der 80er Jahre begann schließlich eine wahre Rekordjagd nach der größten Höhe, die das Klippenspringen ein wenig in Verruf brachte. Der Weltrekord steht im Übrigen bei 54 Metern, was der Höhe des Schiefen Turms von Pisa entspricht. Dieser Wetteifer sorgte aber auch dafür, dass erstmals messbare Kriterien eingeführt wurden, um die Leistungen der Springer zu bewerten.

Mut, Können und Konzentration

Seit 1997 werden sogar Weltmeisterschaften ausgetragen. In diesem Jahr wurde auch die World High Diving Federation gegründet. Deren Regularien sehen vor, dass bei Europameisterschaften aus Höhen zwischen 13 und 22 Metern gesprungen wird, bei Veranstaltungen wie Weltcups oder Weltmeisterschaften geht es sogar bis auf 28 Meter hinauf.

Dabei bewertet eine Jury die Sprünge je nach Schwierigkeitsgrad zwischen Null und zehn Punkten. Im Gegensatz zum olympischen Wasserspringen, wird beim Cliff Diving überwiegend mit den Füßen voran ins Wasser eingetaucht. Anders wäre das Verletzungsrisiko bei mehreren Sprüngen am Tag zu groß, es lasten bei jedem Versuch unglaubliche Kräfte auf die Hals- und Schultermuskulatur. Die Sprünge setzen sich, ähnlich dem normalen Wasserspringen, aus Schrauben und Salti zusammen und werden von sicheren und überhängenden Absprungplattformen gesprungen.


Um noch ein wenig mehr Sicherheit für die wagemutigen Springer herzustellen, sind während der Wettkämpfe ständig Rettungstaucher anwesend. Dennoch ist die Gefahr nicht zu unterschätzen. Jahrelanges Training im Wasserspringen ist die Grundvoraussetzung, um diesen Sport einigermaßen kalkulierbar auszuführen. Beim Eintauchen ins Wasser lastet das 35-fache des Körpergewichts auf den Springer, da ist es eine Grundvoraussetzung, in jeder Sprungphase die Kontrolle und den Überblick zu behalten.

Kolumbianischer König der Klippen

Auch wenn der aktuelle Weltmeister Artem Silchenko (Ukraine) heißt, Orlando Duque aus Kolumbien gilt als der König der Klippen schlechthin. Er sammelte in den vergangenen 10 Jahren neun Weltmeister-Titel und steht mit seinem perfekten Sprung bei der WM 2000 – er bekam von allen sieben Punktrichtern die Höchstnote 10 – im Guiness Buch der Rekorde. Mittlerweile wurde seine Karriere sogar verfilmt. „9 Dives“ zeigt in atemberaubenden Bildern das bewegte und aufregende Leben des südamerikanischen Draufgängers.

Die Angst springt laut Duque aber immer mit. Sie sei ein wichtiger Faktor, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen muss er mittlerweile immer öfter auch mitten in Europa treffen. Ein Getränkehersteller, der nach eigener Aussage gewissermaßen mit dem Fliegen verbunden ist, bringt die weltbesten Cliff-Diver immer wieder an ausgefallenen Orten zusammen.

Ob im Hamburger Hafen oder dem von Rotterdam, nicht immer sind Felsküsten die Schauplätze der Cliff Diving Series. So ist ein Sprung vom Eisernen Steg in den Frankfurter Main für die Springer wohl genau so exotisch wie für unsereinen die Felsklippen in Acapulco. Das einzige Problem dabei: Hier ist es meistens nicht so angenehm warm wie dort, so dass sich die Akteure wohl noch mehr als ohnehin schon überwinden müssen, den Sprung in die Tiefe zu wagen.

Derk Hoberg

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