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Die WM-Kolumne von Dennis Trautwein

Business Goals (4) - Regeln und Nischen

  • Dennis Trautwein
Die WM läuft auf Hochtouren, der Ball rollt – und der Rubel, werden geneigte Betrachter anmerken, ebenso. Die deutsche Elf hat ihr Auftaktspiel gegen Mexiko verdientermaßen mit 0:1 verloren und trifft am Samstag auf Schweden. Ein richtungsweisendes Match mit Blick auf die Achtelfinalqualifikation, die für etliche Teams der acht Vorrundengruppen jetzt schon greifbar wird. Für das DFB-Team ist die Partie schon das erste Endspiel dieses Turniers.
Der Gastgeber ist bedeutend besser in die WM gestartet: 5:0 gegen Saudi-Arabien und 3:1 gegen Ägypten – das war der allgemeinen Stimmung im Land natürlich zuträglich. Die Hoffnungen auf eine gute WM aus russischer Sicht haben bei den Einheimischen deutlich zugenommen. Das erlebt man hier vor Ort täglich, zumal das Team bereits fürs Achtelfinale qualifiziert ist. Derzeit herrscht eine regelrechte Euphorie um die ‚Sbornaja’. Um den Weltmeister indes müssen die deutschen Fans zuhause und hier vor Ort bangen.

Auch abseits des Spielfelds bleibt es spannend, geht es für alle Beteiligten um Höchstleistungen und darum, dass die Ideen der Spielmacher greifen. Spielmacher – darunter verstehe ich auf unser Terrain bezogen die Marketing-Entscheider, die FIFA-Partner und -Sponsoren; die Macher hinter den Kulissen. Wir von Octagon, aber natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen aller anderen Agenturen, die bei der WM ihre Kunden betreuen und beraten, sind im Dauereinsatz. Denn nicht nur zwischen den Toren findet ein harter Wettbewerb statt.

Für viele Sponsoren geht es bei einer WM um eine bestmögliche Performance und eine höhere ‚Awareness’ für die Marke, also eine gesteigerte Wahrnehmung. Sich mit der WM zu verbinden, ist eine große Chance. Wir wollen für unsere Kunden darüber hinaus emotionale Brücken zu den Konsumenten bauen, Partnerschaften zum Leben erwecken – unter Berücksichtigung, aber auch unter Ausreizung der FIFA-Spielregeln, die mitunter sehr restriktiv anmuten. Dabei gibt es vor Ort, im Stadion und zunehmend auch auf den Fan-Festen durchaus noch so manche Aktivierungsmöglichkeit.

Wir schauen für Sponsoren ganz genau in Nischen und entdecken Potenziale, die sie ohne uns vielleicht nicht erkennen würden. Denn so mancher Kunde weiß nicht um die Optionen, die bei der WM über Bandenwerbung und andere standardisierte Werbeformen hinaus noch bestehen. Es gibt die sogenannten Sole and Exclusive-Rechte, Sonderrechte, die von der FIFA im Vorfeld gewährt werden, um Firmen maßgeschneiderte Kommunikations- und Promotionsformen zu ermöglichen. Die Kunst ist es, die richtigen zu finden. Natürlich gibt es diese Individualrechte nur in begrenzter Anzahl. Aus Marketing-Sicht hat man einiges erreicht, wenn es gelingt, ein solches Recht zu identifizieren und dann auch wirklich auszuschöpfen.

Vivo, offizieller FIFA-Smartphone-Sponsor, erhielt für die WM-Turniere in Russland und Katar beispielsweise das exklusive Recht, ausgewählte Gäste beim Aufwärmen der Spieler als Vivo-Smartphone-Fotografen einzusetzen und Handy-Bilder vom Spielfeldrand aus zu machen.

Das Spielfeld – eigentlich eine Tabuzone, selbst für die Sponsoring-Partner der FIFA, abgesehen von adidas, dem offiziellen Ball-Lieferanten. Welche Möglichkeiten bleiben dort? Uns gelang es, 2014 eine Nische zu finden und unserem Kunden Johnson & Johnson zu einer eigentlich nicht vorgesehenen Präsenz zu verhelfen: Der Pharmazie- und Konsumgüterhersteller wurde offizieller Healthcare-Partner der FIFA WM und schaffte es somit auf den Rasen. Alle Mannschaftsärzte wurden von Johnson & Johnson mit Equipment ausgestattet – vor allem die ärmeren Verbände waren wirklich dankbar dafür. Und so liefen viele Team-Mediziner mit ihrer gebrandeten Johnson-Johnson-Arzttasche aufs Spielfeld. Da sind die kleinen Erfolgsstories mit denen man sich abgrenzt! Kein Recht, das vorher klar identifizierbar war, sondern nach intensiver Recherche, welche Kategorien die FIFA-Regeln beinhalten und wie sie sich auslegen lassen, herausgefiltert wurde. Im intensiven Dialog mit dem Weltverband.

Juristen sitzen während solcher Prozesse natürlich bei der vertraglichen Ausgestaltung mit am Tisch. Am Anfang der Reise. Wenn es dann aber darum geht, wie vereinbarte Regularien gelebt werden können, ist das eher eine Marketing-Diskussion. Zumal die FIFA-Regeln nach all den Jahren WM-Erfahrung so etwas wie unsere ‚second nature’, also in Fleisch und Blut übergegangen sind. So können wir die Verhandlungen mit der FIFA verkürzen.

Über die Kraft der Sozialen Netzwerke und was die FIFA mit ihren strikten Regeln beabsichtigt– davon berichte ich im nächsten Beitrag. Dann steht auch das Achtelfinale bevor, hoffentlich mit deutscher Beteiligung. Daumen drücken!

Bis bald, Ihr Dennis Trautwein


trautweinZur Person: Dennis Trautwein

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war auch Dennis Trautweins ganz persönliches Sommermärchen – die erste WM-Teilnahme des damals 26-Jährigen: Sein Job im WM-Organisation-Komitee war der perfekte Einstieg ins Berufsleben. Und ein prägender. Denn Fußball-Weltmeisterschaften sollten auch nach seinem Wechsel zu Octagon Germany im Jahr 2007 eine große Rolle für den heute 38-Jährigen spielen. Sein strategischer Fokus lag in der Folge auf den FIFA WM-Turnieren 2010, 2014 – und aktuell natürlich auf der WM 2018 in Russland. Dennis Trautwein ist hierzulande einer der führenden Sportmarketingexperten – und absoluter Szenekenner.



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