Business Goals (8) - Katar. United. China? gettyimages.de -- Weltmeister 2018: Frankreich
Die WM-Kolumne von Dennis Trautwein

Business Goals (8) - Katar. United. China?

  • Dennis Trautwein
Frankreich ist Weltmeister!  Die FIFA WM 2018 ist vorbei. Auch für unser Team vor Ort war das ein Abend voller Emotionen, denn nach Jahren der Vorbereitung und intensiven Momenten in den letzten Wochen geht diese Reise nun langsam aber sicher zu Ende. Es ist Zeit, kurz inne zu halten, Danke zu sagen und Abschied zu nehmen von dem Rausch in den man sich während eines Turniers lebt. Gleichzeitig die Vorfreude nach schier endlos erscheinender Zeit, Freunde und Familie wiederzusehen.
Wohin aber geht die Reise vom heutigen Tag an? Der Blick richtet sich bereits jetzt auf die stark umstrittene WM 2022 in Katar. Vier Jahre später sind die USA, Kanada und Mexiko („United“) Gastgeber. Und 2030? Welche Optionen hat die FIFA für die weitere Zukunft? Angesichts der Investitionen in den Fußball während der letzten Jahre bin ich sicher, dass der Weltverband so bald wie möglich eine WM in China austragen möchte. Das ist 2030. Ich glaube, China ist dafür der heißeste Kandidat.

Allein eine chinesische WM-Teilnahme hätte nach jüngsten Schätzungen unserer Kollegen von Futures immense globale Folgen. Unter anderem: Weltweit drei Prozent mehr TV-Zuschauer. Noch glauben die Chinesen zwar nicht so sehr an die Entwicklung ihres Nationalteams. Doch für die FIFA ist China bereits heute ein ganz wichtiger Player. Und selbst, wenn es wie Zukunftsmusik klingt und auch noch ist: Der nächste spannende Markt könnte Indien sein. Auch wenn WM-Turniere in diesen Ländern organisatorisch riesige Herausforderungen wären.

Ich weiß: Vor allem hierzulande lösen solche Perspektiven Argwohn aus. Die immer wiederkehrende Frage, ob der Fußball seine Seele verkauft und der Hinweis darauf, dass er sich als Milliardengeschäft zu sehr von den Fans wegbewegt, und die von vornherein kritische Haltung ist mir aber zu reflexartig und zu eindimensional. Ich empfehle, die deutsche Brille mal kurz abzunehmen und durch die der FIFA zu blicken. Denn: Die Kommerzialisierungsdebatte existiert in dieser Vehemenz und Form nur in den Märkten, die eine lange Historie haben und in denen der Fußball konkurrenzlos Sportart Nummer eins ist – sogenannte „Mature Football Markets“. Klassische Fußballmärkte wie Deutschland und England. Selbstverständlich sind das sehr wichtige Fußball-Nationen mit riesigen Fan-Potenzialen. Hier wird die Entwicklung ganz anders wahrgenommen als in vielen anderen Teilen der Welt. Und seitens der FIFA. Dort gibt es diese Thematik gar nicht, zumindest ist sie nicht derart problembehaftet wie insbesondere hier. Denn: Ob Deutschland und England für die FIFA entscheidende Märkte sind auf der Suche nach Wachstumschancen für ihre Produkte, darf hinterfragt werden.

Die DFL und ihre Sponsoren müssen sich durchaus des schmalen Grats zwischen der ursprünglichen Identität und der Kommerzialisierung des Fußballs bewusst sein. Ebenso die Premier League. Der Schulterschluss mit den Fans dort ist natürlich extrem wichtig, zumal die negative Stimmung in den Medien schon stark vernehmbar ist. Anderswo aber, auf anderen Kontinenten, Asien, Afrika oder in der arabischen Welt gibt es all diese Vorbehalte kaum. Deswegen wird die FIFA sie in Europa und Südamerika – wo nötig – auch dezent abmoderieren. Für sie und ihre globalen Partner ist das auch gar nicht so eine große Herausforderung. Im Gegenteil: Für sie geht die Reise in eine andere Richtung, denn das Business-Potential in den WM-Märkten der Zukunft, allen voran in China, ist gigantisch und noch lange nicht ausgeschöpft. Darauf wird die FIFA entsprechend den Fokus richten.

Ob künftig 32 oder 48 Mannschaften bei einer WM starten und diese dadurch sportlich verwässert wird – eine Diskussion, die ich mit Blick auf die aufgestockte Teilnehmerzahl bei der EM 2016 absolut nachvollziehen kann –, bewertet die FIFA weniger kritisch. Die Ausweitung ist aus ihrer Warte sogar logisch: Wenn das Turnier größer wird, steigen auch die Möglichkeiten der Vermarktung, selbst wenn dies sportlich fragwürdig ist. Aber die FIFA scheint zu verstehen, dass sie eine WM entsprechend promoten muss: Als großes, interkulturelles Fest. Als globale Party. Und wenn diese länger dauert und mehr Gäste daran teilnehmen, profitieren viele davon. Der FIFA winken dadurch erhebliche Mehreinnahmen. Aus ihrer Sicht ist das legitim.

Jetzt also Katar. Vorbehaltlich der geopolitischen Entwicklungen wird die WM dort trotz aller Kritik wie geplant ablaufen. Für die Fans wird das ein sehr spezielles Erlebnis. Die WM der ganz kurzen Wege. Und der extremen Temperaturen. Die organisatorischen Tests, die beim Confed-Cup im Jahr vor einer WM durchgeführt werden können, entfallen 2021 in dieser Form. Eine spannende Ausgangslage. Dafür soll der Klub-World Cup nach Katar verlegt werden. Das macht für die Abläufe der Organisatoren sicherlich Sinn, aber gerade für Sponsoren, die keine Rechte an der Veranstaltung haben, ist die Situation noch nicht geklärt.

Die Diskussionen werden nicht abreißen. Ich hoffe, liebe Leserinnen und Leser, ich konnte während der letzten Wochen ein wenig dazu beitragen, die Dinge aus mehreren Perspektiven zu betrachten – und einzuordnen.

Bleiben Sie dem Fußball gewogen. Er verbindet noch immer die Menschen. Mehr, als Politik dies vermag. In diesem Sinne:

Ihnen alles Gute und einen schönen Sommer noch.

Ihr Dennis Trautwein!


trautweinZur Person: Dennis Trautwein

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland war auch Dennis Trautweins ganz persönliches Sommermärchen – die erste WM-Teilnahme des damals 26-Jährigen: Sein Job im WM-Organisation-Komitee war der perfekte Einstieg ins Berufsleben. Und ein prägender. Denn Fußball-Weltmeisterschaften sollten auch nach seinem Wechsel zu Octagon Germany im Jahr 2007 eine große Rolle für den heute 38-Jährigen spielen. Sein strategischer Fokus lag in der Folge auf den FIFA WM-Turnieren 2010, 2014 – und aktuell natürlich auf der WM 2018 in Russland. Dennis Trautwein ist hierzulande einer der führenden Sportmarketingexperten – und absoluter Szenekenner.








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