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„An eSports kommt keiner mehr vorbei“
- Frank Heike
Bei der „Spielmacher“-Konferenz in Hamburg beschäftigte sich die Fußball-Szene mit dem rasant wachsenden Geschäftsbereich eSports. Eines ist klar: Nur noch Romantiker und Laien stellen sich die Frage, ob eSports denn überhaupt Sport ist. Wer im Thema ist, befasst sich längst mit weitreichenden Aufgabenstellungen und Strategien. Profiklubs inklusive.
Wer sich mit Dennis Trautwein über das Phänomen eSports unterhält, bekommt keine vorgefertigten Antworten oder Marketing-Kauderwelsch präsentiert. Der 38 Jahre alte Senior Director der weltweit agierenden Beratungsagentur im Sponsoring, Octagon, kennt die Vorbehalte nur zu gut, die mancher Verfechter des traditionellen Sports dem „kleinen Bruder“ an der Konsole entgegenbringt. Trautwein selbst ist kein Kind des eSports; dafür ist der Familienvater aus Düsseldorf dann doch ein paar Jahre zu alt. Und er kennt alle Klischees über die „gamer“, die zuhause die Rollos runterlassen und bei Cola und Chips die Nächte „durchdaddeln“.
Das Problem ist nur – sie stimmen nicht. Längst hat sich die ganze Szene professionalisiert. Und die habituelle Verachtung, die die Generation der über 40-Jährigen und im Sportverein Sozialisierten den eSportlern entgegenbringt, kann Dennis Trautwein auch nicht teilen. Er sagt: „Für die aktuelle und die nächste Generation von jungen Menschen ist es natürlich, mit eSports groß zu werden. Man kann als älterer Mensch versuchen, eSports kleinzureden oder zu ignorieren. Aber mit dieser Haltung wird man nicht weit kommen.“
Ob „Fifa“, „Fortnite“, „League of legends“ oder „World of warcraft“, für immer mehr Menschen auf der ganzen Erde gehören interaktive Spiele zur aktiven Freizeitgestaltung. Dabei ist eSports im Mainstream angekommen, bedient nicht nur spezielle Gruppen, sondern die breite Masse und wird laut einer aktuellen Studie im Jahr 2020 weltweit die Schallmauer von einer Milliarde Euro Umsatz gebrochen haben. Auch viele Fußballvereine haben an diesen Erfolg angedockt, beginnend hierzulande 2015 mit dem VfL Wolfsburg – denn die Wachstumszahlen sind frappierend. Schalke 04 gilt als deutscher Marktführer und hat einen schwierigen ersten Schritt schon genommen; nämlich vereinsintern zu verdeutlichen, dass eSports das gesamte Paket von Spielen mit Joystick und Tastatur am Bildschirm umfasst, und nicht etwa nur „fifa“, was ja irgendwie doch so gerade noch Fußball sei.
Das bedeutet, dass beim FC Schalke Vereinsspieler eben auch das betreiben, was hierzulande ungeschönt „Ballerspiele“ genannt wird. Dennis Trautwein (re. im Bild) sagt: „Fifa macht im eSports nur einen verschwindend geringen Teil aus. Für die meisten Gamer ist fifa sogar mehr oder weniger uninteressant.“ David Görges, Leiter Neue Medien bei Borussia Dortmund, sagte es auf der jüngsten „Spielmacher“-Konferenz Anfang August in Hamburg ganz unverblümt: „eSports hat nichts mit Fußball zu tun.“
Eine Basis-Erkenntnis, die vielen deutschen Profivereinen der Bundesliga erst noch mit auf den Weg gegeben werden muss in ihrer eSports-Strategie, die vor allem auf Mitnahmeeffekte für das klassische Geschäft abzielt, nach dem Motto: über eSports kommen wir an eine junge Zielgruppe heran, die sich für die Fußball-Bundesliga nicht oder nicht mehr interessiert. Auf der „Spielmacher“-Konferenz, die sich neben dem Thema eSports umfassend mit der Digitalisierung im Fußball befasste, gab es niemanden, der diesen Ansatz für sinnvoll oder richtig hielt.
Dennis Trautwein stellt sich zudem auch andere Fragen. Fragen, deren Antworten dem eSports das Baller- und Zocker-Image nehmen, das eine ältere Bevölkerungsgruppe diesem immer noch entgegenbringt: „Wie können wir Spielräume öffnen, die eSports die Definition als Sport erleichtern?“, fragt sich Trautwein. Die lange Konzentration, die mentale Leistung, und das kognitive Verständnis eines Spiels sind nach Expertenmeinung Parameter, die eine Definition als Sport „erlauben“ – dass die Stars der Szene zudem bis zu acht Stunden am Tag neben dem Joystick-Training Muskeln und Sehnen präparieren, ist längst kein Geheimnis mehr. Wo es um dicke Preisgelder geht, professionalisiert sich die Szene von ganz allein.
Doch Octagon verfolgt noch einen anderen Ansatz: wer sind eigentlich diese leidenschaftlichen Gamer? In einer „Passion Drivers“ genannten Studie mit 505 Befragten hat der Vermarkter deutschlandweit eSport-Fans unter die Lupe genommen. Dabei ist herausgekommen, dass diese zur Hälfte zwischen 21 und 35 Jahre alt sind – deutlich jünger als Fans traditioneller Sportarten. Interessant sind die Faktoren, die die Spieler in ihrer Leidenschaft für eSports prägen. Fast 70 Prozent wollen vor allem ihr eigenes Spiel verbessern. Knapp 65 Prozent wollen sich auf vielfältige Weise über das Spiel austauschen. 63 Prozent nennen die Nahbarkeit der Stars der Szene und die Begeisterung für sie als ausschlaggebenden Punkt ihrer Spiel-Leidenschaft. Mehrfachnennungen waren möglich. Aber auch Stressabbau, das Entdecken einer neuen Welt, die Aussicht, Preisgelder zu gewinnen oder die Freude am „Trashtalk“ nach Spielen treibt die Gamer laut der Octagon-Umfrage an.
Was die Befragung noch ergeben hat, ist eine Einteilung in vier unterschiedliche Fan-Typologien: Social Strategists, Victory Seekers, Experienced Experts und Casual Commenters. Die ersten schätzen am eSports vor allem die Sozialkontakte, den zweiten geht es ums Gewinnen, die dritten spielen schon lange und wollen sich verbessern, die vierten sind nur manchmal dabei, dann aber sehr lange. Trautwein ist Marktforschungsexperte und sagt: „Nicht jedes der Ergebnisse einer solchen Befragung ist komplett überraschend. Aber wir konnten verschiedene Gruppen identifizieren, die unterschiedlich an eSports herangehen und zum Teil völlig unterschiedliche Motive haben.“ Als sehr junge und sich schnell wandelnde Sportart ist die Erforschung des eSports auf solche Untersuchungen angewiesen. In der eSports-Welt gebe es zwar einige Spiele-Dauerbrenner, aber niemand könne sagen, welche Spiele in vier, fünf Jahren die relevanten seien, hieß es in Hamburg.
Dennis Trautwein und Octagon stellen sich längst weitere Fragen zum baldigen Milliardenmarkt eSports. „Um interessanter zu werden, müssen wir Wege finden, mit eSports mehr Frauen anzusprechen“, sagt er. Aktuell interessieren sich deutlich weniger Frauen für eSports bezogen auf „fifa“ als für den klassischen Fußball. „Außer, dass der Markt rasant wächst, wird Stand heute wohl niemand voraussagen wollen, wie sich eSports in zehn Jahren entwickelt hat“, sagt Trautwein. Gerade das sei für ihn und Octagon auch das reizvolle an diesem Geschäftszweig.
Das Problem ist nur – sie stimmen nicht. Längst hat sich die ganze Szene professionalisiert. Und die habituelle Verachtung, die die Generation der über 40-Jährigen und im Sportverein Sozialisierten den eSportlern entgegenbringt, kann Dennis Trautwein auch nicht teilen. Er sagt: „Für die aktuelle und die nächste Generation von jungen Menschen ist es natürlich, mit eSports groß zu werden. Man kann als älterer Mensch versuchen, eSports kleinzureden oder zu ignorieren. Aber mit dieser Haltung wird man nicht weit kommen.“
Ob „Fifa“, „Fortnite“, „League of legends“ oder „World of warcraft“, für immer mehr Menschen auf der ganzen Erde gehören interaktive Spiele zur aktiven Freizeitgestaltung. Dabei ist eSports im Mainstream angekommen, bedient nicht nur spezielle Gruppen, sondern die breite Masse und wird laut einer aktuellen Studie im Jahr 2020 weltweit die Schallmauer von einer Milliarde Euro Umsatz gebrochen haben. Auch viele Fußballvereine haben an diesen Erfolg angedockt, beginnend hierzulande 2015 mit dem VfL Wolfsburg – denn die Wachstumszahlen sind frappierend. Schalke 04 gilt als deutscher Marktführer und hat einen schwierigen ersten Schritt schon genommen; nämlich vereinsintern zu verdeutlichen, dass eSports das gesamte Paket von Spielen mit Joystick und Tastatur am Bildschirm umfasst, und nicht etwa nur „fifa“, was ja irgendwie doch so gerade noch Fußball sei.
Das bedeutet, dass beim FC Schalke Vereinsspieler eben auch das betreiben, was hierzulande ungeschönt „Ballerspiele“ genannt wird. Dennis Trautwein (re. im Bild) sagt: „Fifa macht im eSports nur einen verschwindend geringen Teil aus. Für die meisten Gamer ist fifa sogar mehr oder weniger uninteressant.“ David Görges, Leiter Neue Medien bei Borussia Dortmund, sagte es auf der jüngsten „Spielmacher“-Konferenz Anfang August in Hamburg ganz unverblümt: „eSports hat nichts mit Fußball zu tun.“
Eine Basis-Erkenntnis, die vielen deutschen Profivereinen der Bundesliga erst noch mit auf den Weg gegeben werden muss in ihrer eSports-Strategie, die vor allem auf Mitnahmeeffekte für das klassische Geschäft abzielt, nach dem Motto: über eSports kommen wir an eine junge Zielgruppe heran, die sich für die Fußball-Bundesliga nicht oder nicht mehr interessiert. Auf der „Spielmacher“-Konferenz, die sich neben dem Thema eSports umfassend mit der Digitalisierung im Fußball befasste, gab es niemanden, der diesen Ansatz für sinnvoll oder richtig hielt.
Dennis Trautwein stellt sich zudem auch andere Fragen. Fragen, deren Antworten dem eSports das Baller- und Zocker-Image nehmen, das eine ältere Bevölkerungsgruppe diesem immer noch entgegenbringt: „Wie können wir Spielräume öffnen, die eSports die Definition als Sport erleichtern?“, fragt sich Trautwein. Die lange Konzentration, die mentale Leistung, und das kognitive Verständnis eines Spiels sind nach Expertenmeinung Parameter, die eine Definition als Sport „erlauben“ – dass die Stars der Szene zudem bis zu acht Stunden am Tag neben dem Joystick-Training Muskeln und Sehnen präparieren, ist längst kein Geheimnis mehr. Wo es um dicke Preisgelder geht, professionalisiert sich die Szene von ganz allein.
Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion "Passion Drivers - Was (E)Sport(s) Fans wirklich bewegt?!": Dennis Trautwein (Octagon), Jörg Höflich (The E-Sports Company), David Görges (BVB), Nadine Heidenreich (Moderation) - v.li.)
Doch Octagon verfolgt noch einen anderen Ansatz: wer sind eigentlich diese leidenschaftlichen Gamer? In einer „Passion Drivers“ genannten Studie mit 505 Befragten hat der Vermarkter deutschlandweit eSport-Fans unter die Lupe genommen. Dabei ist herausgekommen, dass diese zur Hälfte zwischen 21 und 35 Jahre alt sind – deutlich jünger als Fans traditioneller Sportarten. Interessant sind die Faktoren, die die Spieler in ihrer Leidenschaft für eSports prägen. Fast 70 Prozent wollen vor allem ihr eigenes Spiel verbessern. Knapp 65 Prozent wollen sich auf vielfältige Weise über das Spiel austauschen. 63 Prozent nennen die Nahbarkeit der Stars der Szene und die Begeisterung für sie als ausschlaggebenden Punkt ihrer Spiel-Leidenschaft. Mehrfachnennungen waren möglich. Aber auch Stressabbau, das Entdecken einer neuen Welt, die Aussicht, Preisgelder zu gewinnen oder die Freude am „Trashtalk“ nach Spielen treibt die Gamer laut der Octagon-Umfrage an.
Was die Befragung noch ergeben hat, ist eine Einteilung in vier unterschiedliche Fan-Typologien: Social Strategists, Victory Seekers, Experienced Experts und Casual Commenters. Die ersten schätzen am eSports vor allem die Sozialkontakte, den zweiten geht es ums Gewinnen, die dritten spielen schon lange und wollen sich verbessern, die vierten sind nur manchmal dabei, dann aber sehr lange. Trautwein ist Marktforschungsexperte und sagt: „Nicht jedes der Ergebnisse einer solchen Befragung ist komplett überraschend. Aber wir konnten verschiedene Gruppen identifizieren, die unterschiedlich an eSports herangehen und zum Teil völlig unterschiedliche Motive haben.“ Als sehr junge und sich schnell wandelnde Sportart ist die Erforschung des eSports auf solche Untersuchungen angewiesen. In der eSports-Welt gebe es zwar einige Spiele-Dauerbrenner, aber niemand könne sagen, welche Spiele in vier, fünf Jahren die relevanten seien, hieß es in Hamburg.
Dennis Trautwein und Octagon stellen sich längst weitere Fragen zum baldigen Milliardenmarkt eSports. „Um interessanter zu werden, müssen wir Wege finden, mit eSports mehr Frauen anzusprechen“, sagt er. Aktuell interessieren sich deutlich weniger Frauen für eSports bezogen auf „fifa“ als für den klassischen Fußball. „Außer, dass der Markt rasant wächst, wird Stand heute wohl niemand voraussagen wollen, wie sich eSports in zehn Jahren entwickelt hat“, sagt Trautwein. Gerade das sei für ihn und Octagon auch das reizvolle an diesem Geschäftszweig.