Eigentlich dachte Annika Zeyen, dass sie dieses Jahr an den paralympischen Spielen in Tokio teilnehmen würde. Dann kam die Corona-bedingte Verschiebung.
Die 35-jährige amtierende Weltmeisterin im Straßenrennen gewann 2012 schon einmal im Rollstuhl-Basketball die Goldmedaille und qualifizierte sich nun im Paracycling. „Ich war guter Dinge, dass der Bundestrainer mich nominieren und der Deutsche Behindertensportverband meine Teilnahme bestätigen würde. Dann wäre ich im Road Race, Time Trial und im Team Relay angetreten“, erklärt die Sportlerin. Doch das Coronavirus machte ihr einen Strich durch die Rechnung: Mittlerweile sind die Paralympics auf 2021 verschoben worden und auch die Trainingsmöglichkeiten sind derzeit stark eingeschränkt.
Zwischen Privatleben und Wettkämpfen
Auch wenn Annika Zeyen die Verschiebung der Spiele befürwortet, bringt die aktuelle Krise den Alltag vieler Sportler gehörig durcheinander: „Wir richten unser gesamtes Leben nach den Wettkämpfen aus. Eigentlich wollte ich im nächsten Sommer heiraten. Wenn dann die Paralympics stattfinden, werden mein Verlobter und ich den Termin vermutlich verschieben. Zwischen Trainingslagern und Wettkämpfen bleibt leider erst einmal keine Zeit für eine Hochzeit.“ Aber nicht nur ihre Lebensplanung, sondern auch das
Training fokussierte die 35-Jährige vollkommen auf die Spiele: Schließlich sollen Bestleistungen immer zu den Wettkämpfen abrufbar sein. Aktuell weiß allerdings niemand, ob dieses Jahr überhaupt noch Sportveranstaltungen stattfinden können. „Das macht es schwierig, das Training zu planen. Außerdem schlägt es natürlich auch auf die Motivation, wenn man nicht weiß, worauf man hinarbeitet“, erklärt Annika Zeyen.
Annika Zeyen und ihr langjähriger Physiotherapeut Andreas Stommel
Training während der Krise
Doch die Corona-Krise stellt die Sportlerin noch vor weitere Probleme: Olympiastützpunkte und Trainingszentren haben derzeit geschlossen. „Ich versuche, so gut wie möglich zu Hause zu trainieren. Radfahren kann ich zum Glück draußen, aber das
Krafttraining ist kein Vergleich zu vorher“, erklärt die 35-Jährige. Ein langjähriger Wegbegleiter bietet ihr allerdings eine Lösung: Bei Andreas Stommel im Bonner Zentrum für Ambulante
Rehabilitation ist die Sportlerin aus Hennef schon seit vielen Jahren zur
Physiotherapie. Aktuell nutzt sie dort auch den Kraftraum, um sich weiterhin fit zu halten. „Wir sind derzeit aufgrund eines geringeren Patientenaufkommens in Kurzarbeit und mussten unsere Öffnungszeiten reduzieren. Da lag es nahe, Annika den Kraftraum zur Verfügung zu stellen, wenn keine Patienten mehr da sind“, erklärt Andreas Stommel, der leitende Physiotherapeut des Zentrums, und ergänzt: „Aktuell müssen wir alle zusammenhalten. Insbesondere für Profisportler wie Annika ist es enorm wichtig, dass sie ihr Training auch weiterhin durchführen können. Schon eine Pause von zwei bis drei Wochen reicht aus, um Sportler extrem zurückzuwerfen.“
Abwechslungsreiche Übungen
Im Kraftraum des Zentrums steht Annika Zeyen der sogenannte Cage zur Verfügung, ein multidisziplinäres Trainingsgerät, an dem sie beispielsweise mit Langhanteln arbeiten oder auch Klimmzüge machen kann. „Beim Paracycling kommt es nicht nur auf die Armmuskulatur, sondern auch auf die
Muskulatur der Schultergürtel und des Brustkorbs an, denn ein starker Rumpf sorgt für Stabilität“, erklärt Andreas Stommel und ergänzt: „Zudem bietet der Cage die Möglichkeit, das Training abwechslungsreich zu gestalten und Muskeln unterschiedlich anzusprechen. Wer immer nur zu Hause mit Kurzhanteln dieselben Übungen macht, erzielt nach einer Weile keinen Muskelaufbau mehr.“ Annika Zeyen nutzt die neuen Trainingsmöglichkeiten im Zentrum mit Begeisterung und lässt sich trotz Corona-Krise nicht unterkriegen: „Ich habe lange auf die paralympischen Spiele hingearbeitet, da kommt aufgeben nicht infrage!“ Spätestens nächsten Sommer bei den Paralympics sollen sich die Anstrengungen dann endlich gelohnt haben.