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Olympia 2021: Das Spiel mit dem Feuer
- Frank Schneller
Auch wenn es von offizieller Seite noch dementiert wird: Eine endgültige Olympia-Absage wird immer realistischer. Können die Sommerspiele in Tokio tatsächlich nicht ausgetragen werden, hätte das für den internationalen Sport und die olympische Bewegung verheerende Folgen. Zahlreiche Weltverbände wären in ihrer Existenz bedroht.
Von Frank Schneller (mit Auszügen aus der Berichterstattung des SID)
Allen offiziellen Dementis zum Trotz sind sich selbst im stolzen Japan die Menschen nicht mehr sicher: Olympische Sommerspiele 2021 in Tokio? Das erscheint zunehmend vielen Skeptikern keine gute Idee mehr. Viele gehen sogar weiter: Eine erneute Absage Olympias sei wohl unumgänglich. Umfragen zufolge sind mittlerweile 80% der japanischen Bevölkerung gegen die von 2020 auf 2021 verschobenen Spiele: Über 20.000 Teilnehmer aus aller Welt – in Zeiten wie diesen? Das Votum wird immer klarer. Zumal auch die Kostenexplosion der Olympia-Verschiebung erheblich zum zunehmend negativen Stimmungsbild beiträgt. Mindestens zehn Milliarden Euro mehr als vom Organisationskomitee avisiert – vermutlich sogar deutlich mehr – soll die Verlegung kosten. Noch dazu, wo Zuschauer bei den Wettkämpfen noch immer unwahrscheinlich sein dürften. Da erlöschen sogar in Japan Freude und Stolz auf Olympia. Eine Entwicklung, die selbst IOC-Präsident Thomas Bach kaum noch aufzuhalten vermag. Auch die japanische Regierungskoalition um Ministerpräsident Yoshihide Suga gerät unter Druck. Die Opposition fordert erneut einen Plan B – oder gar C. Corona und Olympia: Das bleibt auch im neuen Jahr ein Spiel mit dem Feuer.
Das Internationale Olympische Komitee und die Organisatoren in Tokio wehren sich vehement gegen den dramatischen Schwund des Rückhalts. Schließlich stünde die komplette Olympische Bewegung vor immensen Einschnitten: Es geht um Milliarden. „Das wäre der finanzielle Super-GAU“, sagte der Sportmarketingexperte Dennis Trautwein, Geschäftsführer Deutschland der Consulting- und Full Service-Agentur Octagon in einem Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID), „Ertragsquellen würden wegbrechen, Verbände, Organisationen und Sportler gerieten in Existenzängste“. Zwar versichert sich das IOC seit den Spielen 2004 in Athen gegen einen Ausfall, „um das Risiko abzuschwächen“ (Annual Report des IOC), doch die Höhe dieser Summe ist unklar.
Der SID rechnet vor: Rund Dreiviertel der IOC-Einnahmen stammen aus den TV-Rechteerlösen, allen voran von NBC. Finden keine Spiele statt, fehlt dem US-Sender die Gegenleistung. „Die Medieneinnahmen sind das größte Risiko", erklärt Tokio-Insider Trautwein – er selbst hat bis zur Absage im letzten Jahr ein Jahr lang in der japanischen Metropole gelebt und gearbeitet –, „damit entstünde ein signifikantes Finanzierungsloch.“ In 2020 habe es zwar noch eine große Solidarität gegeben – „aber diese ist endlich“.
Trautwein verweist auf die 15 Top-Sponsoren des IOC, die sich bislang loyal verhalten. Nur: Wie lange noch? „Sponsoren werden sich mit Kompensationszahlungen beschäftigen, sowohl international auf dem Level der Top- Partner, als auch und insbesondere auf der lokalen Ebene, wo sich im Falle einer Absage die Frage nach den erhaltenen Gegenleistungen natürlich noch stärker aufdrängt.“ Und was geschieht, wenn die Geldgeber aus der Wirtschaft tatsächlich nach und nach abspringen? „Dann könnte es zu Kompensationszahlungen kommen. Gelder, die der olympischen Bewegung fehlen würden.“ Der SID schreibt über die finanziellen Hintergründe: Im Olympiazyklus von 2013 bis 2016 mit den Spielen in Sotschi (Winter) und Rio (Sommer) nahm das IOC 5,7 Milliarden Dollar ein. Rund 90 Prozent gab das IOC weiter: An die 32 Weltverbände, die Nationalen Olympischen Komitees, an unzählige Hilfs- und Entwicklungsprojekte. Täglich fließen so pro Tag rund 3,4 Millionen Dollar vom IOC an den Weltsport.
„Wenn dies wegfällt, wäre das weltweit zu spüren", sagt Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Auch der DOSB und die 205 NOKs weltweit wären stark betroffen. Der deutsche Dachverband beispielsweise erhält aus der internationalen Olympiavermarktung des IOC, von Olympic Solidarity und durch die nationalen Vermarktungserlöse aus den Rechten, die das IOC dem DOSB erlässt, 30 Millionen Euro pro Olympiade. Ohne diesen Betrag würde dies eine Kettenreaktion auslösen. Auch und vor allem die Weltverbände bangen angesichts der Olympia-Ungewissheit. Ihre Etats speisen sich zu einem mitunter sehr hohen Prozentsatz aus den IOC-Zuwendungen. Signifikante Einschnitte würden also auch hier drohen.
Und so verwundert es nicht, dass IOC-Chef Bach jede Gelegenheit zu nutzen versucht, für die Durchführung der verlegten Spiele zu werben: Bei der Abschlusszeremonie der umstrittenen Handball-WM in Ägypten beispielsweise bedankte er sich voll des Lobs per Videobotschaft für die gelungene Veranstaltung bei den ägyptischen Gastgebern und ihrem Landsmann, Weltverbandschef Hassan Moustafa. Bachs Botschaft war eindeutig: Dieses Turnier habe hinsichtlich der Durchführbarkeit Signalwirkung, auch für Tokio.
Die Weltmeisterschaft der Handballer im Land der Pyramiden als Mutmacher für Tokio? Ganz Japan? Dennis Trautwein ist skeptisch: „Der Mehrwert für die Regierung von Premierminister Suga, die Spiele gegen den Willen der Bevölkerung und in einer gesundheitlich so schwierigen Lage überhaupt noch auszutragen, ist überschaubar – vor allem wenn keine Zuschauer zugelassen werden. Viele der Kosten sind schon abgeschrieben und mit den ‚Olympics Light’ lassen sich diese kaum kompensieren.“
Die kursierenden Zahlen erscheinen wie eine einzige, gigantische Zumutung für Japan: 19 Milliarden Verlust für das Land, wenn die Spiele ohne Zuschauer stattfinden. 31 Mrd., wenn die Spiele komplett abgesagt werden. Und von den ausbleibenden (Stimulus-)Effekten, die bei Olympischen Spielen auf zahlreichen Ebenen on top eingepreist werden, ist dabei noch nicht mal die Rede. Wohin man schaut: Überall also drohen riesige Verlustgeschäfte.
Das Spiel mit dem (Olympischen) Feuer – es geht es weiter. Der Ausgang ist noch unklar. Allein schon aufgrund der dynamischen Pandemielage weltweit. Doch rückt der Zeitpunkt der Entscheidung über Tokio 2021 immer näher. Zwangsläufig. Eine Absage kurz vor den Spielen kann sich erst recht niemand mehr leisten.
Allen offiziellen Dementis zum Trotz sind sich selbst im stolzen Japan die Menschen nicht mehr sicher: Olympische Sommerspiele 2021 in Tokio? Das erscheint zunehmend vielen Skeptikern keine gute Idee mehr. Viele gehen sogar weiter: Eine erneute Absage Olympias sei wohl unumgänglich. Umfragen zufolge sind mittlerweile 80% der japanischen Bevölkerung gegen die von 2020 auf 2021 verschobenen Spiele: Über 20.000 Teilnehmer aus aller Welt – in Zeiten wie diesen? Das Votum wird immer klarer. Zumal auch die Kostenexplosion der Olympia-Verschiebung erheblich zum zunehmend negativen Stimmungsbild beiträgt. Mindestens zehn Milliarden Euro mehr als vom Organisationskomitee avisiert – vermutlich sogar deutlich mehr – soll die Verlegung kosten. Noch dazu, wo Zuschauer bei den Wettkämpfen noch immer unwahrscheinlich sein dürften. Da erlöschen sogar in Japan Freude und Stolz auf Olympia. Eine Entwicklung, die selbst IOC-Präsident Thomas Bach kaum noch aufzuhalten vermag. Auch die japanische Regierungskoalition um Ministerpräsident Yoshihide Suga gerät unter Druck. Die Opposition fordert erneut einen Plan B – oder gar C. Corona und Olympia: Das bleibt auch im neuen Jahr ein Spiel mit dem Feuer.
Das Internationale Olympische Komitee und die Organisatoren in Tokio wehren sich vehement gegen den dramatischen Schwund des Rückhalts. Schließlich stünde die komplette Olympische Bewegung vor immensen Einschnitten: Es geht um Milliarden. „Das wäre der finanzielle Super-GAU“, sagte der Sportmarketingexperte Dennis Trautwein, Geschäftsführer Deutschland der Consulting- und Full Service-Agentur Octagon in einem Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID), „Ertragsquellen würden wegbrechen, Verbände, Organisationen und Sportler gerieten in Existenzängste“. Zwar versichert sich das IOC seit den Spielen 2004 in Athen gegen einen Ausfall, „um das Risiko abzuschwächen“ (Annual Report des IOC), doch die Höhe dieser Summe ist unklar.
Der SID rechnet vor: Rund Dreiviertel der IOC-Einnahmen stammen aus den TV-Rechteerlösen, allen voran von NBC. Finden keine Spiele statt, fehlt dem US-Sender die Gegenleistung. „Die Medieneinnahmen sind das größte Risiko", erklärt Tokio-Insider Trautwein – er selbst hat bis zur Absage im letzten Jahr ein Jahr lang in der japanischen Metropole gelebt und gearbeitet –, „damit entstünde ein signifikantes Finanzierungsloch.“ In 2020 habe es zwar noch eine große Solidarität gegeben – „aber diese ist endlich“.
Trautwein verweist auf die 15 Top-Sponsoren des IOC, die sich bislang loyal verhalten. Nur: Wie lange noch? „Sponsoren werden sich mit Kompensationszahlungen beschäftigen, sowohl international auf dem Level der Top- Partner, als auch und insbesondere auf der lokalen Ebene, wo sich im Falle einer Absage die Frage nach den erhaltenen Gegenleistungen natürlich noch stärker aufdrängt.“ Und was geschieht, wenn die Geldgeber aus der Wirtschaft tatsächlich nach und nach abspringen? „Dann könnte es zu Kompensationszahlungen kommen. Gelder, die der olympischen Bewegung fehlen würden.“ Der SID schreibt über die finanziellen Hintergründe: Im Olympiazyklus von 2013 bis 2016 mit den Spielen in Sotschi (Winter) und Rio (Sommer) nahm das IOC 5,7 Milliarden Dollar ein. Rund 90 Prozent gab das IOC weiter: An die 32 Weltverbände, die Nationalen Olympischen Komitees, an unzählige Hilfs- und Entwicklungsprojekte. Täglich fließen so pro Tag rund 3,4 Millionen Dollar vom IOC an den Weltsport.
„Wenn dies wegfällt, wäre das weltweit zu spüren", sagt Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. Auch der DOSB und die 205 NOKs weltweit wären stark betroffen. Der deutsche Dachverband beispielsweise erhält aus der internationalen Olympiavermarktung des IOC, von Olympic Solidarity und durch die nationalen Vermarktungserlöse aus den Rechten, die das IOC dem DOSB erlässt, 30 Millionen Euro pro Olympiade. Ohne diesen Betrag würde dies eine Kettenreaktion auslösen. Auch und vor allem die Weltverbände bangen angesichts der Olympia-Ungewissheit. Ihre Etats speisen sich zu einem mitunter sehr hohen Prozentsatz aus den IOC-Zuwendungen. Signifikante Einschnitte würden also auch hier drohen.
Und so verwundert es nicht, dass IOC-Chef Bach jede Gelegenheit zu nutzen versucht, für die Durchführung der verlegten Spiele zu werben: Bei der Abschlusszeremonie der umstrittenen Handball-WM in Ägypten beispielsweise bedankte er sich voll des Lobs per Videobotschaft für die gelungene Veranstaltung bei den ägyptischen Gastgebern und ihrem Landsmann, Weltverbandschef Hassan Moustafa. Bachs Botschaft war eindeutig: Dieses Turnier habe hinsichtlich der Durchführbarkeit Signalwirkung, auch für Tokio.
Die Weltmeisterschaft der Handballer im Land der Pyramiden als Mutmacher für Tokio? Ganz Japan? Dennis Trautwein ist skeptisch: „Der Mehrwert für die Regierung von Premierminister Suga, die Spiele gegen den Willen der Bevölkerung und in einer gesundheitlich so schwierigen Lage überhaupt noch auszutragen, ist überschaubar – vor allem wenn keine Zuschauer zugelassen werden. Viele der Kosten sind schon abgeschrieben und mit den ‚Olympics Light’ lassen sich diese kaum kompensieren.“
Die kursierenden Zahlen erscheinen wie eine einzige, gigantische Zumutung für Japan: 19 Milliarden Verlust für das Land, wenn die Spiele ohne Zuschauer stattfinden. 31 Mrd., wenn die Spiele komplett abgesagt werden. Und von den ausbleibenden (Stimulus-)Effekten, die bei Olympischen Spielen auf zahlreichen Ebenen on top eingepreist werden, ist dabei noch nicht mal die Rede. Wohin man schaut: Überall also drohen riesige Verlustgeschäfte.
Das Spiel mit dem (Olympischen) Feuer – es geht es weiter. Der Ausgang ist noch unklar. Allein schon aufgrund der dynamischen Pandemielage weltweit. Doch rückt der Zeitpunkt der Entscheidung über Tokio 2021 immer näher. Zwangsläufig. Eine Absage kurz vor den Spielen kann sich erst recht niemand mehr leisten.