Von Katar über Deutschland nach Paris: New Beginnings Rowan Smith on unsplash.com
Serie: Road to 2024 - Teil 1

Von Katar über Deutschland nach Paris: New Beginnings

  • Frank Heike
Welche Lehren ziehen Marketing-Entscheider aus der umstrittenen WM in Katar? Was erwartet die Branche mit Blick auf die nächsten großen Events? Dennis Trautwein, Managing Director Germany & France des Global Players Octagon, erklärt im Interview, worauf es ankommen wird.
netzathleten: Sie waren im vergangenen Jahr mit mehr als 100 KollegInnen in Katar. Wie genau sah Ihre Rolle vor Ort aus?

Dennis Trautwein: Wir haben die Hospitality-Programme unserer globalen Kunden AB InBev und Hublot umgesetzt. Wir waren unter anderem für über 2500 Gäste vor Ort verantwortlich. Für die FIFA selbst haben wir die Fan-Experience-Areas, die zum ersten Mal rund um die Stadien mit acht unterschiedlichen Bühnenkonzepten und Entertainment-Programmen zum Leben erweckt.

Was war anders als in Südafrika, Brasilien oder Russland?

Der Fokus lag diesmal nicht auf dem Gastgeber – klingt komisch, wenn man das Sentiment vor der WM insbesondere in Deutschland betrachtet, aber gleichermaßen auch logisch. Viele Partner haben sich in ihrer Kampagnen-Arbeit überhaupt nicht auf Katar bezogen, sondern die Partnerschaft mit dem Fußball in den Fokus gerückt. In den Gästeprogrammen haben wir nach der langen Pandemie die Sehnsucht nach dem Vor-Ort-Erlebnis gespürt, sie waren das remote-Erlebnis leid und viele der Menschen, die ich dort getroffen haben, haben noch mehr wertgeschätzt, welch ein besonderes Ereignis so eine WM ist.

Wie viel Normalität gab es verglichen mit anderen Großveranstaltungen?

Normalität gibt es im Kontext von Großveranstaltungen für mich nicht. Meist ist so eine Großveranstaltung ja immer das „erste Mal“. Es gibt also immer Überraschungen und spezifische Herausforderungen. In Katar wurden Entscheidungen sehr zentral getroffen, dadurch gab es Abhängigkeiten von Einzelmeinungen oder Personen, die ich so in der Vergangenheit nicht gesehen habe und die uns ein Höchstmaß an Flexibilität abverlangt haben.

Als der Ball rollte, verstummten die kritischen Stimmen bezüglich des Gastgebers. Hat Sie das überrascht?

Nein, die Themen werden eher zur Seite gedrängt, wenn der Ball rollt – auch wenn noch unter dem Mikroskop operiert wird. Das war in Russland und Brasilien auch so. Am Ende ist es eine Weltmeisterschaft. in der Sportart, die vielen Menschen rund um den Globus echte Leidenschaft und Emotionen erzeugt und das zieht die Aufmerksamkeit. Meine Kollegen aus anderen Regionen haben mir auch noch einmal bestätigt, wie groß der Zuspruch gerade auch außerhalb von Europa war. Das hat man auch an den vielen südamerikanischen und nordafrikanischen Fans vor Ort gesehen, die das Bild in den Stadien geprägt haben.

dennis trautwein
Dennis Trautwein, Managing Director Germany & France bei Octagon

Was folgt aus dem Wissen, dass Kritik verstummt, wenn der Ball rollt?

Großveranstaltung bleiben eine starke Plattform und Marke, die vieles aushält und große Strahlkraft hat. Auch wenn die Kritik in den Hintergrund rückt, werden gesellschaftliche, politische Diskussionen berechtigterweise geführt. Das ist wichtig und auch wenn während der WM der Fokus auf dem Fußball liegt, müssen sich Veranstalter in Zukunft noch pro-aktiver mit gesellschaftlich relevanten Themen beschäftigen und die eigenen Pläne und Maßnahmen aktiv nach außen tragen. Gerade Paris 2024 nimmt da in meiner Wahrnehmung gerade so etwas wie eine Vorreiter-Rolle ein mit einem starken Agenda-Setting im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Inklusion.

Wie fielen die Rückmeldungen Ihrer Partner aus?

Gerade das Kundenerlebnis bekam ein durchweg positives Feedback. Das waren kurzweilige Programme: Innerhalb von drei Tagen drei Spiele, ein Ausflug in die Wüste – das war ein spannendes Erlebnis, auch wenn der kulturelle Auszug klein war. Auch das Erlebnis rund um die Stadien war sehr positiv. Über die hinlänglich bekannte Alkoholproblematik hinweg gab es wenig organisatorische und logistische Schwierigkeiten.

Was ist die Lehre aus Katar?

Zunächst einmal hat mich das Konzept der kurzen Wege nachhaltig überzeugt, nicht nur weil sie den ökologischen Fußabdruck einer Veranstaltung reduzieren, sondern auch, weil das Fanerlebnis durch die Interaktion untereinander noch einmal spannender wird. Selbst wenn man wieder in größere Märkte geht, muss das Konzept weniger lokaler Drehkreuze für eine Veranstaltung mitgedacht werden. Darüber hinaus glaube ich, dass auch der Trend der Globalisierung der Events weitergehen wird. Für Sponsoren wird die Vor-Ort-Präsenz immer weniger Relevanz haben und sie werden sich auf die globale Reichweite konzentrieren. Das heißt aber nicht, dass vor Ort nichts mehr passieren wird – vielmehr werden sich Partner noch stärker auf wenige zentrale Aktivitäten konzentrieren, das macht aus Kosten-Nutzen-Sicht einfach viel mehr Sinn.

Wo geht die Reise in 2024 hin?

Ein Thema das für unsere Arbeit immer wichtiger wird ist gleichberechtigter Zugang für alle, das wird alternativlos. Echte Inklusion ist bei allen Themen sehr wichtig. Das ist viel mehr als ein Hygiene-Faktor. Wenn wir etwas kreieren, muss zugänglich sein, für alle. Wenn wir bei unseren Programmen in ihrer Erstellung zunächst an Benachteiligte denken, und das von vornherein mitdenken, haben wir am Ende ein Erlebnis geschaffen, das für alle zugänglich ist. Es geht um Barrierefreiheit in allen Bereichen.

Wird Paris 2024 auch darin ein Vorbild sein?

Ja. Dort werden Standards gesetzt, auch für Partner, nach dem Motto: Wenn ihr etwas machen möchtet, müsst ihr die folgenden Bedingungen erfüllen. Das betrifft alle Dimensionen, körperliche Einschränkungen, Herkunft, Bildungsniveau, etc.

Stellt Sie das als Agentur vor neue Herausforderungen?

Absolut und wir lernen da noch eine Menge dazu und müssen das auch. Wir arbeiten deswegen in der Planung von Veranstaltungen mit externen Partnern zusammen, um uns und unsere Kunden da bestmöglich weiterzuentwickeln. So hoffen wir physische und mentale Zugangs-Barrieren abzubauen. Der Unterschied zwischen „ensuring accessability“ und „championing inclusivity“ ist riesig, wir wollen uns an Letzterem orientieren.

Sind die Partner da auf Augenhöhe?

Auch wenn es oftmals auf der Agenda steht, setzt nicht jeder Partner diesen Impuls. Wenn wir das etwas anstoßen können, ist das natürlich ein gutes Gefühl. Es ist dann meist nicht die Frage nach dem „ob“, sondern nach dem „wie“.

Welche Überschriften werden die Großveranstaltungen im kommenden Jahr bekommen?

Gute Frage, aber wenn wir das vom heutigen Zeitpunkt aus betrachten würde ich sagen, dass es so in die Richtung „New Beginnings“ geht. Wir freuen uns alle auf Mega-Events in unseren Breitengraden mit hoffentlich weniger Nebengeräuschen und einem Fokus auf den völkerverbindenden Charakter den der Sport haben kann.

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