Wissenschaftler fordern Umdenken im olympischen Spitzensport thinkstockphotos.com

Wissenschaftler fordern Umdenken im olympischen Spitzensport

  • Pressemitteilung
Umdenken in Leistungsförderung und Anspruchshaltung, um ein Abdriften des deutschen Spitzensports ins Mittelfeld zu verhindern - das waren zwei der zentralen Diskussionspunkte beim 3. Experten/innenworkshop der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs).
Die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) hat ihre Reihe der Experten/innenworkshops fortgesetzt: Nach der Auftakttagung 2014 zum sogenannten Bädersterben in Deutschland und dem Workshop im letzten Jahr in Göttingen zum Thema Inklusion lautete das Thema am 16. Februar in Hamburg: „Olympischer Spitzensport in Deutschland in der Krise? Denkanstöße aus Sicht der Sportwissenschaft“.

Die versammelten Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichen Teildisziplinen der Sportwissenschaft und verschiedenen Handlungsfeldern des Spitzensports gaben weitreichende Denkanstöße für den Sport in Deutschland und speziell für eine Erneuerung des Spitzensportfördersystems: „Wir wollen uns noch mehr Gehör verschaffen als Wissenschaftler“, lautete die abschließende Botschaft von Prof. Kuno Hottenrott (Universität Halle-Wittenberg) als dvs-Präsident, der zusammen mit dem Trainingswissenschaftler Prof. Martin Lames (Technische Universität München) die Tagungsleitung innehatte.

Auf der einen Seite wird in den letzten Jahren eine immer größer werdende Unzufriedenheit im deutschen Spitzensport und im bundesweiten Nachwuchs-Leistungssport spürbar: Sportlerinnen und Sportler drohen bei den Olympischen Spielen immer mehr ins Mittelmaß abzudriften. Auf der anderen Seite muss in Anschlag gebracht werden, dass in den letzten rund 20 Jahren an den Instituten für Sportwissenschaft der Universitäten in Deutschland immer weniger Forschungen im Leistungssport ermöglicht wurden, weil immer weniger Forschungsgelder (auch die über das Bundesinstitut für Sportwissenschaft vergebenen) zur Verfügung standen.

„Das Spitzensportsystem nach der Wende hat in vielen Punkten versagt, jetzt müssen wir ge-meinsam zukunftsorientierte Lösungen schaffen“, so beschrieben Prof. Hottenrott und Prof. Lames die gegenwärtige Situation bei einem Pressegespräch.
Einig war man sich, dass Deutschland unter den derzeitigen Förderstrukturen zukünftig keine Spitzensportnation mehr sein werde. Die internationale leistungssportliche Konkurrenzfähigkeit sinke weiter. Deutschland werde nicht mehr als erstklassig aufgestellt angesehen. „Die Forderung des Innenministers nach 30 Prozent mehr Medaillen ist der falsche Weg“, sagte Hottenrott.  Prof. Lames nannte „diese Medaillenzählerei“ absolut untragbar und nicht dazu geeignet, junge Menschen für den Leistungssport zu begeistern. Deutschland brauche mehr Vorbilder, die „die Olympischen Werte Fair play, Respekt und Freundschaft wieder vorleben.“, ergänzte Hottenrott.

Auch ein Umdenken hinsichtlich zunehmender Zentralisierung und Konzentrierung des  Spitzen-sports auf wenige Leistungszentren und wenige Erfolgssportarten erscheine zukünftig erforder-lich, sagte se. „Der Spitzensport muss weiterhin in der Breite gefördert werden, talentierte Kin-dern müssen wohnortnah den Sport ausüben können, der ihnen auch Spaß macht“, so Hottenrott. Dazu werde auch eine Reform der Trainerausbildung in Deutschland notwendig sein. „Wir brauchen sehr gut akademisch ausgebildete Trainer, die mit den wachsenden Anforderun-gen in der Zukunft klarkommen und hohe pädagogische Kompetenzen haben“, bekräftigten die beiden Sportwissenschaftler, zumal „die in Deutschland noch vertretene Auffassung einer nicht-akademischen Trainerausbildung nicht nur im internationalen Vergleich veraltet, sondern auch nicht zukunftsfähig ist“.

Ziel des 3. Experten/innenworkshops war es auch, das Potenzial der Sportwissenschaft für den Spitzensport in Deutschland mit einer stärkeren Einbindung sportwissenschaftlicher Expertise herauszustellen. Dazu sah die Workshop-Konzeption inhaltlich mehrere aufeinander folgende Plenar-Blöcke vor.

Zunächst ging es um die Beschreibung der Ausgangssituation mit einem Impulsreferat und zwei Statements aus der Sicht der Sportgeschichte und der Sportsoziologie. Im zweiten Block wurden Anforderungen an ein modernes Leistungssportsystem skizziert. Block drei thematisierte dann die „Unterstützungspotenziale der Wissenschaft für den Leistungssport“, bevor darauf aufbauend „Überlegungen zur zukünftigen Struktur der wissenschaftlichen Unterstützung des Leistungs-sports“ vorgetragen und ausführlich diskutiert wurden.

Quelle: DOSB Presse

Kontakt

Copyright © 2017 netzathleten