Marius Bröning: „Ich habe keine Vorbilder mehr“. von Marius Bröning

Marius Bröning: „Ich habe keine Vorbilder mehr“.

  • Maria Poursaiadi
Im netzathleten-Interview spricht Marius Bröning über die Ungerechtigkeit der Doping-Kontrollen im Sprintsport und über erreichbare Ziele für einen deutschen Sprinter.

Netzathleten: Marius, Du bist einer von Deutschlands schnellsten Männern, wer hat Dich in Deine Spikes gesteckt?
Marius: Meine Mutter hat mich 1998 zu einem Schnupperkurs angemeldet. Aus diesem hat sich dann die Leidenschaft für die Leichtathletik entwickelt.

Netzathleten: Gab es einen Moment in Deiner Entwicklung, an dem der „Leistungs-Knoten“ förmlich geplatzt ist?
Marius: Bis in den Jugendbereich habe ich viel von meinem Talent gelebt und Erfolge auch mit überschaubarem Trainingsaufwand erzielt. Bei den deutschen Jugendmeisterschaften 2000 wurde ich mit 10,81 Sekunden Zweiter. Dieser Moment war so beeindruckend, dass ich von da ab wusste, ich will Profisprinter werden.

Netzathleten: Bei Olympia 2008 durften Du und Deine Staffelmannschaft gegen das jamaikanische Team laufen – die Jungs liefen Weltrekord – wie hast Du die jamaikanischen Sprinter empfunden?
Marius: Die Jamaikaner laufen in einer eigenen, ultragalaktischen Liga und es tut schon weh, diese Überlegenheit mit ansehen zu müssen.

Netzathleten: Essen die etwas anderes, oder wie erklärt man sich als Sportler diese Leistung?

Marius: Tja, wenn wir das wüssten wären wir schlauer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein solcher Unterschied allein über die Ernährung einstellt. Natürlich schwingt da auch immer die Sorge mit, dass unerlaubte Hilfsmittel eine Rolle spielen könnten. Aber solange dafür keine handfesten Beweise bestehen, hilft es auch nicht solche Vermutungen anzustellen.



Netzathleten: Roland Stein, einer Eurer Betreuer, sprach bei der Süddeutschen Zeitung von mangelnder Chancengleichheit, da die „Überseeler“ es scheinbar mit Dopingkontrollen nicht so genau nehmen – wie siehst Du das?
Marius: Das ist ein leidiges Thema. Seit 2009 müssen wir deutschen Athleten im Rahmen des „Adams-Systems“ eine Stunde am Tag für Dopingkontrollen an einem von uns angegebenen Ort zu erreichen sein. Man steht also ständig unter Beobachtung und muss bei jeder Kleinigkeit daran denken, für solche Kontrollen erreichbar zu sein. Ein spontaner Besuch zur Oma in den Schwarzwald hätte schon gravierende Konsequenzen, wenn man sich auf den Weg machen würde, ohne sich vorher abzumelden. Wenn man jetzt zufällig kontrolliert würde und nicht zugegen ist, liegt ein so genannter „missed test“ vor, der bestraft wird. Andererseits frag ich mich auch, welche Möglichkeiten es denn sonst gäbe, um den Sport sauber zu halten? Der Adams-Test ist zwar gewöhnungsbedürftig aber im Kampf gegen Doping wohl das einzige effektive Mittel. Länder wie die USA oder Jamaika haben nicht einmal eine Meldepflicht des Wohnortes, wo sollen die Kontrolleure dann überhaupt bei einer unangemeldeten Kontrolle nach ihnen suchen?

Netzathleten: Also zieht man in Deutschland die Zügel immer straffer, während im Ausland nichts passiert?

Marius: Ich kann die Ausmaße der Dopingkontrollen im Ausland nicht wirklich beurteilen. Aber manchmal ist einem die Situation nicht ganz geheuer. Beispielsweise haben wir am alljährlichen „Penn Relays“ in Philadelphia teilgenommen. Wir belegten nur den 5. Platz und durften im Nachhinein zur Dopingkontrolle marschieren. Dort angekommen mussten wir feststellen, dass wir so ziemlich die einzigen waren, die zum Test mussten. Ist schon merkwürdig, dass die vor uns Platzierten nicht kontrolliert wurden. Und wir haben hier zu Lande das „Adams-System“ was uns total einschränkt. Ihr müsst euch vorstellen, wenn man bei einer Kontrolle nicht erreicht wird, dann wird dies zur Strafe in allen Zeitungen veröffentlicht. Das ist eine ziemliche Schmach dafür, dass man zufällig ein einziges Mal nicht erreichbar ist. Bei weiteren „missed tests“ wird man möglicherweise gesperrt. Es sind halt ziemlich straffe Methoden, und ich weiß nicht, ob diese unbedingt von Nutzen sind, wenn andere Länder es nicht genauso handhaben.

Netzathleten: Spukt da einem als Sprinter immer die Befürchtung im Kopf herum, dass die Gegner womöglich mit unfairen Mitteln kämpfen?

Marius: Klar, sehr oft. Und es werden ja auch nicht gerade wenig Sprinter entlarvt.


Netzathleten: Wenn Du erfahren würdest, dass einer Deiner Sport-Kollegen gedopt war, wie würdest du diesem Sportler gegenüber treten. Könntest Du mit so jemand überhaupt noch normal umgehen?
Marius: Leider ist mir das schon passiert. Justin Gatlin war eine ganze Zeit lang mein größtes Idol. Ich war damals so stolz, dass ich mit ihm ein Foto machen durfte. Als ich von seiner Doping-Affäre hörte war ich zutiefst enttäuscht und demotiviert. Deswegen habe ich auch keine Vorbilder mehr.

Netzathleten: Ist es dann schwer für Dich, solche astronomischen Zeiten wie den Weltrekord von Usain Bolt mit 9,72 Sekunden anzuerkennen beziehungsweise überhaupt zu glauben?

Marius: Ja, natürlich ist es schwer zu schlucken. Man weiß, wie lange und wie hart man trainieren muss, um überhaupt in die Nähe der 10,0 zu kommen. Viele erreichen eine solche Zeit noch nicht einmal mit jahrelangem Training.

Netzathleten: Was willst Du denn in Deiner Sportlerlaufbahn noch unbedingt erreichen?

Marius: Ich möchte den deutschen Sprint dominieren. Der Deutsche Rekord von 10,06 Sekunden wäre ein absoluter Traum für mich und mit meinen Ziel-Zeiten um die 10,10 Sekunden ist dieser Traum auch umsetzbar.

Netzathleten: Wie lange willst Du denn noch an Wettkämpfen antreten?
Marius: Also wenn ich mich in meinem Kollegenkreis umsehe, will ich auch gerne bis Anfang 30 auf jeden Fall noch professionell meinen Sport betreiben. Von meinem Standpunkt aus wäre eine internationale Karriere auf Europameisterschafts-Ebene realistisch und der Meistertitel machbar. Vor allem würde ich sehr gerne mit meiner Staffelmannschaft noch mehr erreichen, weil man sich im Einzel ja auch auf Europa-Ebene sehr schwer tut. Aber mal sehen, was kommt und sich „erlaufen“ lässt.

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