Laufen für ein Halleluja - Interview mit Pater Tobias Pater Tobias

Laufen für ein Halleluja - Interview mit Pater Tobias

  • Maria Poursaiadi
Pater Tobias läuft gern und viel. Marathons gehören ebenso zu seinem Leben, wie das tägliche Amen. Er wäre jedoch kein Geistlicher, wenn er nicht den Sport mit einem wohltätigen Zweck vereinen würde. So läuft er Kilometer um Kilometer für das Heil armer Kinder. Dabei war seine größte Herausforderung der Ultramarathon mit 100 Kilometer. Wir sprachen mit dem sportlichen Pater über seine Berufung und über die allgemeine Einstellung anderer Leistungssportler zu Gott und ihren Mitmenschen.

netzathleten: Pater Tobias, Sie sind Pater und Ordensmann der Prämonstratenser in der Abtei Hamborn. Wie kommt man als ein Mann Gottes auf die Idee, für einen guten Zweck mal eben 100 Kilometer zu laufen und für welches konkrete Projekt haben Sie diese Herkules-Tat vollbracht?
Pater Tobias: Seit vier Jahren laufe ich nun Marathon. 2006, bei meinem ersten Marathon in Berlin, kam mir die Idee, für einen guten Zweck zu laufen. Als Leistungssportler, der die 42,195 km locker schafft, wollte ich ein größeres Ziel anstreben. Durch Zufall erfuhr ich vom 100-km-Lauf in Biel/Schweiz. Vorher wusste ich überhaupt nicht, dass ein Mensch 100km laufen kann. Und so kommt viel Geld für die armen Kinder zusammen. Bisher gingen über 7.000 Euro Spenden auf das Konto des Projektes „LebensWert“ ein. Bedürftige und arme Kinder bekommen täglich ein Mittagessen. Schulmaterial wird zur Verfügung gestellt. Zehn Kinder von armen Familien können bei kirchlichen Ferienfreizeiten mitfahren. Auch ein Behinderten-Sport-Verein erhält neue Geräte.

netzathleten: Ist denn die heutige Gesellschaft so abgelenkt mit anderen Dingen, dass man mit solch „abenteuerlichen“ Aktionen aufwarten muss, um Aufmerksamkeit zu erlangen?

Pater Tobias: Ja, ich denke schon. Die Armut wird immer größer. Gerade auch hier im Duisburger Norden, wo unsere Abtei sich befindet, erfahre ich das täglich. Durch die Presseberichte über meine Sponsorenläufe mache ich besonders auf die Armut der Kinder aufmerksam.

netzathleten: Wann haben Sie denn überhaupt mit dem Marathonlaufen begonnen, und wie kamen Sie darauf, den Sport mit dem guten Zweck zu verbinden?

Pater Tobias: Vor vier Jahren begann ich den ersten Marathonlauf. O Gott, da war ich froh, den geschafft zu haben. Ins Ziel angekommen, wollte ich nie wieder einen Marathon laufen. Nun bin ich insgesamt 13 Marathonläufe und 1 Ultramarathon gelaufen.

netzathleten: Denken Sie, dass Ihr Glaube Ihnen beim Sport hilft durchzuhalten und Ihre Tiefpunkte zu überwinden? Woran denkt ein Pater in solchen Momenten?

Pater Tobias: Der Glaube gibt mir schon die Kraft, um ans Ziel zu kommen. Egal ob Marathon oder Ultramarathon. So richtige Tiefpunkte hatte ich eigentlich noch nicht. Nur bei der 100km-Strecke, die letzten 4 km, die haben ordentlich wehgetan. Ein „Vater unser“ hat dann geholfen und ich bin durchs Ziel gelaufen.

netzathleten: Man sieht häufig Sportler unterschiedlichster Nationen in den Himmel gucken oder beten. Wie eng, glauben Sie, ist Sport und Religion bzw. Sport und Glauben miteinander verknüpft. Wie stark können sich diese Elemente gegenseitig beeinflussen?

Pater Tobias: Bei der Fußballweltmeisterschaft hat man das deutlich wieder erlebt, dass viele Fußballspieler sich bekreuzigt und in den Himmel geschaut haben. Das Beten hilft sicherlich, aber ohne Training hilft das Gebet leider auch nicht. So ist das auch mit dem ernst gemeinten christlichen Leben. Das Wort „Askese“ hat man aus dem Sport übernommen. Askese heißt: Übung oder Training. Das Gebet braucht auch Übung und Ausdauer.

netzathleten: Wenn Sport und Glauben so gut zusammen funktionieren, könnte man da nicht über ihn mehr Menschen zurück zu Gott führen? Wäre da eine „sportliche Kirche“ z.B. eine Idee wert?
Pater Tobias: Ja klar, es gibt ja so genannte Sportexerzitien. Dort lernt man durch Meditation, sportliche Leistungen zu verbessern. Durch die vielen Läufe, die ich absolviere, komme ich als Pater mit vielen anderen Läufern zusammen, und der Glaube wird immer wieder angesprochen.

netzathleten: Gehen wir zurück zum Ultramarathon. Sie befinden sich auf Ihrer beschwerlichen Reise, 100 Kilometer müssen Sie zurücklegen, die Gelenke tun weh, der Hunger stellt sich ein und die Müdigkeit ist kaum noch zu ignorieren. War das die größte Herausforderung Ihres Lebens, oder gab es da ganz andere Prüfungen, die Sie bestehen mussten?
Pater Tobias: Der 100 km Ultramarathon war für mich schon eine große Herausforderung, aber das größte Tief in meinem Leben hatte ich, als meine Mutter starb. Da hatte ich fast fünf Jahre mit dem lieben Gott nichts zu tun. Diese Zeit war schon eine Herausforderung für mich. Mit 21 Jahren habe ich dann wieder zu Gott und zur Kirche gefunden. Zehn Jahre später wurde ich dann zum Priester geweiht.

netzathleten: Sie sagten, als Sie nach den 100 Kilometer endlich ins Ziel eintrafen, dass Sie erst einmal „heulen“ mussten. Was ging da in Ihnen vor?

Pater Tobias: Alle Emotionen musste ich freien Lauf lassen. Unterwegs habe ich nie an das Ziel und nie über das Ankommen gedacht. Ich hatte mich immer nur auf die 5km Getränkestationen konzentriert. Es geschafft zu haben, war eine große Freude, und das waren alles Freudentränen.

netzathleten: Sie sind ja mit Ihrer Berufung vollauf beschäftigt. Man kann sich denken, dass Sie überall helfen und dienen möchten. Woher nehmen Sie sich noch die Zeit für Ihren Sport? Wie bewältigen Sie Ihren Alltag?
Pater Tobias: Bei den Marathonvorbereitungen wird der Kopf frei. Ich komme dann wieder auf neue Ideen, die ich verwirklichen kann. Bei langen Läufen (3-4 Stundenläufe) habe ich immer ein Diktiergerät dabei. Da kann ich Briefe drauf sprechen oder eine Predigt formulieren. Es ist neben den Gebetszeiten meine einzige Freizeit, die ich habe. Ob morgens um 5.00 Uhr, in der Mittagspause, oder am späten Abend, laufe ich.

netzathleten: Wie bewerten Sie die Hilfsbereitschaft anderer Leistungssportler in Deutschland heutzutage? Gibt es Kritik oder Verbesserungsvorschläge anzubringen?

Pater Tobias: Bei den Marathonläufen, die ich so mitgelaufen bin, gab es immer einige Läufer, die Spenden sammelten. Aber leider viel zu wenig. Vielleicht haben viele auch noch gar nicht darüber nachgedacht, dass sie für ein Projekt Spenden laufend sammeln können. Vielleicht wird durch dieses Interview der eine Läufer oder die andere Läuferin inspiriert. Das würde mich freuen!

netzathleten: Was haben Sie als nächstes beruflich vor, und was ist der nächste sportliche Schritt, den Sie tun werden?
Pater Tobias: Beruflich baue ich eine zweite Beratungsstelle meines Unternehmens „Projekt LebensWert“ auf. Insgesamt arbeiten hier 11 Mitarbeiter, die für bedürftige und arme Menschen da sind. Sportlich steht nun der Marathon in Berlin Ende September an und im Oktober dann der Magdeburger-Marathon. Für nächstes Jahr habe ich mir wieder den 100km Ultramarathon vorgenommen. Aber dann werde ich die 12:26 Stunden „knacken“.

netzathleten: Was ist Ihr geistlicher Tipp für den gläubigen Sportler?
Pater Tobias: Neben den sportlichen Übungen und Wettkämpfen, die den Körper sehr fordern, nicht den Geist und die Seele zu vergessen. Ein guter Ausgleich ist die Meditation morgens und abends. Den Tag bewusst abschließen und ein Gebet sprechen.

netzathleten: Pater Tobias, wir danken Ihnen für das Interview und wünschen Ihnen für Ihre nächsten Projekte viel Glück!
Pater Tobias: Herzlichen Dank und alles Gute, Gesundheit und Gottes Segen an alle Sportler.

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