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Adrenalin macht Spaß – Severin Freund im Interview
Am 21. November starten die Skispringer ihre Weltcup-Saison. Neben den Weltcups bilden Vierschanzen-Tournee und Skiflug-WM die Saison-Highlights. Einige Wochen vor Saisonbeginn sprachen wir mit Severin Freund über Nervenkitzel, Training und die Wichtigkeit eines funktionierenden Teams.
netzathleten.de: Wie viel Teamsport steckt in der Individualsportart Skispringen?
Severin Freund: Viel, sehr viel. Ich trainiere ja am Olympiastützpunkt in München und treffe da regelmäßig auch die Leichtathleten. Die Sportarten kann man etwas vergleichen. Es kommt beim Skispringen und der Leichtathletik auf Technik an, man muss viel Vorbereitungstraining machen. Aber die Leichtathleten sind insgesamt sehr viel am Standort. Wir aber haben im Sommer etwa zehn bis 13 Lehrgänge. Wir sind also schon sehr viel unterwegs. Und da ist man immer mit dem Team unterwegs. Daher ist das Mannschaftsklima extrem wichtig. Wenn es Ärger oder Probleme gibt, dann ist die Arbeit natürlich schwerer und es macht auch weniger Spaß. Wir achten daher darauf, dass alles gut ist. Aber klar, wenn man zwei, zweieinhalb Wochen gemeinsam unterwegs ist, kommt auch mal der Punkt, an dem man sagt: Diese Gesichter kann ich jetzt wirklich nicht mehr sehen. Dann geht man halt mal in die Stadt und trinkt einen Kaffee und dann geht’s auch wieder. Aber es steckt eben sehr viel Teamsport Skispringen und ich glaube man hat auch gesehen, dass uns die Erfolge im Team sehr viel geben.
netzathleten.de: Und auch auf dem Bakken selbst ist Teamwork ja unerlässlich – schließlich geben erst Jury und dann der Trainer den Sprung frei.
Severin Freund: Man braucht einfach Vertrauen. Und zwar in erster Linie zum Trainer. In die Jury hat man nicht den Einblick, auch wenn man natürlich davon ausgeht, dass sie einen guten Job machen. Aber gerade dem Trainer muss man komplett vertrauen. Da muss man wissen: Wenn grün ist und er die Fahne senkt, dann kann man springen. Und es wird immer wieder auch die Situation geben, dass der Trainer die Hand nicht fallen lässt, wenn es nicht gut ist. Und dann ist man halt wieder draußen, muss sich neu konzentrieren. Im Endeffekt hat der Trainer das letzte Wort. Wenn er nicht freigibt, dann fährst du auch nicht.
netzathleten.de: Und springst, wenn er es sagt.
Severin Freund: Ganz genau.
netzathleten.de: Welche Rolle spielt der Nervenkitzel auf dem Bakken für Dich?
Severin Freund: Klar, Skispringen kommt auch über die Faszination Risiko. Das Herantasten ans Risiko und dann noch mehr Risiko gehen. Das geht nur so, weil Fliegen nichts ist, was du vorher greifen kannst. Und Adrenalin macht Spaß. Das ist einfach so.
netzathleten.de: Wie bereitest Du Dich dann mental auf die Sprünge vor?
Severin Freund: Man geht vor dem Start seine Knotenpunkte, seinen Ablauf nochmal durch. Da hat jeder andere Techniken. Der eine ist visueller, der andere geht eher nach Gefühl. Beim Skifliegen ist es etwas anders. Da weiß man ja von vorneherein, dass es etwas schneller wird. Da sucht man sich dann andere Kontenpunkte. Man achtet mehr darauf, wie es sich draußen anfühlt. Wie fühlt es sich an, wenn ich in meinem System bin? Wie fliege ich? In welcher Position bin ich? Und dann schaut man einfach, dass man den Idealzustand herstellt.
netzathleten.de: Jetzt, ein paar Wochen vor der Saison – wie viel Krafttraining hast Du schon in den Knochen und wie gestaltet sich das Training generell?
Severin Freund: Das ist schwierig. Grundlagenausdauer ist bei uns ja nicht so wichtig. Die holen wir uns hauptsächlich über Spiele. Krafttraining und Sprungtraining sind relevanter. Wenn man im Kraftraum ist, dann geht das Training natürlich ein bisschen schneller als an der Schanze. Dort hat man recht viel Leerlauf. Ski wachsen, Lift fahren und so weiter. Aber trotzdem ist sowohl Kraft- als auch Sprungtraining enorm wichtig und man muss beides mit 100 Prozent machen. Jetzt ist schon viel geschafft, aber man muss bis zum Winter noch hart arbeiten. Wo man wirklich steht, wird sich allerdings erst in den ersten Wettkämpfen zeigen.
netzathleten.de: Die Kanuten sagen: Die Medaillen liegen im Schnee vergraben, bei den Langläufern werden die Medaillen im Sommer gemacht. Wie viel kann man beim Skispringen noch während der Saison verändern und beeinflussen?
Severin Freund: Ja, das ist schon ähnlich bei uns. Der Grundstein, dass du um die Medaillen springen kannst, wird definitiv im Sommer gelegt. Aber man kann natürlich im Winter noch etwas machen. Letztes Jahr zum Beispiel war mein Einstieg eigentlich ganz gut, aber dann hat man doch gemerkt, dass mir etwas Substanz gefehlt hat und dass man eben doch nicht ganz vorne mitspringt. Also haben wir ein bisschen was umgestellt und so war ich dann nach Weihnachten wieder sehr gut in Form.
netzathleten.de: Letztendlich wurdest Du mit dem Gesamtweltcup belohnt. Worauf legst Du in diesem Jahr Deinen Fokus? Gesamtweltcup? Skiflug-WM? Vierschanzen-Tournee?
Severin Freund: Auf den Gesamtweltcup kannst du dich nicht fokussieren. Du kannst zwar das Ziel haben, den Gesamtweltcup zu gewinnen. Aber in eine Saison zu gehen mit dem Ziel, ich will den Gesamtweltcup gewinnen, ist eine unglaubliche Aufgabe. Man hat dabei sehr viel nicht in der Hand. Wenn man, wie ich vergangenes Jahr, merkt, dass man nicht in der Superform ist und etwas ändern muss, dann weiß man ja nicht, ob die Änderungen greifen oder nicht. Und wenn man nichts ändert und auf dem Niveau weiterspringt und Punkte sammelt, dann bringt es einen auch nicht wirklich vorwärts. Der Gesamtweltcup ist etwas, das sich in der Saison entwickelt. Nach zwei Dritteln der Saison kann man dann mal sagen: Ok ich gehöre jetzt zu denen, die um den Gesamtweltcup mitspringen. Also heißt es jetzt: durchziehen. Aber es von vorneherein anzugehen, ist sehr schwierig. Auch wenn ich glaube, dass es in diesem Jahr sehr viele probieren werden. Wir haben diese Saison keine nordische Ski-WM und mit der Skiflug-WM liegt das zweite Großereignis sehr, sehr früh (Skiflug-WM, 15.-17.01.2016, Kulm (Österreich); Anm. d. Red.). Das schafft natürlich im Anschluss ein bisschen Raum. Ansonsten sind für mich aber Skiflug-WM und Tournee ziemlich gleichwertig. Die sind ja eh auch zu einer ähnlichen Zeit. Für mich ist klar das Ziel, dass ich heuer etwas früher in Fahrt komme und dann werden es sehr spannende Tage und auf jeden Fall eine straffe Zeit.
Severin Freund: Viel, sehr viel. Ich trainiere ja am Olympiastützpunkt in München und treffe da regelmäßig auch die Leichtathleten. Die Sportarten kann man etwas vergleichen. Es kommt beim Skispringen und der Leichtathletik auf Technik an, man muss viel Vorbereitungstraining machen. Aber die Leichtathleten sind insgesamt sehr viel am Standort. Wir aber haben im Sommer etwa zehn bis 13 Lehrgänge. Wir sind also schon sehr viel unterwegs. Und da ist man immer mit dem Team unterwegs. Daher ist das Mannschaftsklima extrem wichtig. Wenn es Ärger oder Probleme gibt, dann ist die Arbeit natürlich schwerer und es macht auch weniger Spaß. Wir achten daher darauf, dass alles gut ist. Aber klar, wenn man zwei, zweieinhalb Wochen gemeinsam unterwegs ist, kommt auch mal der Punkt, an dem man sagt: Diese Gesichter kann ich jetzt wirklich nicht mehr sehen. Dann geht man halt mal in die Stadt und trinkt einen Kaffee und dann geht’s auch wieder. Aber es steckt eben sehr viel Teamsport Skispringen und ich glaube man hat auch gesehen, dass uns die Erfolge im Team sehr viel geben.
netzathleten.de: Und auch auf dem Bakken selbst ist Teamwork ja unerlässlich – schließlich geben erst Jury und dann der Trainer den Sprung frei.
Severin Freund: Man braucht einfach Vertrauen. Und zwar in erster Linie zum Trainer. In die Jury hat man nicht den Einblick, auch wenn man natürlich davon ausgeht, dass sie einen guten Job machen. Aber gerade dem Trainer muss man komplett vertrauen. Da muss man wissen: Wenn grün ist und er die Fahne senkt, dann kann man springen. Und es wird immer wieder auch die Situation geben, dass der Trainer die Hand nicht fallen lässt, wenn es nicht gut ist. Und dann ist man halt wieder draußen, muss sich neu konzentrieren. Im Endeffekt hat der Trainer das letzte Wort. Wenn er nicht freigibt, dann fährst du auch nicht.
netzathleten.de: Und springst, wenn er es sagt.
Severin Freund: Ganz genau.
netzathleten.de: Welche Rolle spielt der Nervenkitzel auf dem Bakken für Dich?
Severin Freund: Klar, Skispringen kommt auch über die Faszination Risiko. Das Herantasten ans Risiko und dann noch mehr Risiko gehen. Das geht nur so, weil Fliegen nichts ist, was du vorher greifen kannst. Und Adrenalin macht Spaß. Das ist einfach so.
netzathleten.de: Wie bereitest Du Dich dann mental auf die Sprünge vor?
Severin Freund: Man geht vor dem Start seine Knotenpunkte, seinen Ablauf nochmal durch. Da hat jeder andere Techniken. Der eine ist visueller, der andere geht eher nach Gefühl. Beim Skifliegen ist es etwas anders. Da weiß man ja von vorneherein, dass es etwas schneller wird. Da sucht man sich dann andere Kontenpunkte. Man achtet mehr darauf, wie es sich draußen anfühlt. Wie fühlt es sich an, wenn ich in meinem System bin? Wie fliege ich? In welcher Position bin ich? Und dann schaut man einfach, dass man den Idealzustand herstellt.
netzathleten.de: Jetzt, ein paar Wochen vor der Saison – wie viel Krafttraining hast Du schon in den Knochen und wie gestaltet sich das Training generell?
Severin Freund: Das ist schwierig. Grundlagenausdauer ist bei uns ja nicht so wichtig. Die holen wir uns hauptsächlich über Spiele. Krafttraining und Sprungtraining sind relevanter. Wenn man im Kraftraum ist, dann geht das Training natürlich ein bisschen schneller als an der Schanze. Dort hat man recht viel Leerlauf. Ski wachsen, Lift fahren und so weiter. Aber trotzdem ist sowohl Kraft- als auch Sprungtraining enorm wichtig und man muss beides mit 100 Prozent machen. Jetzt ist schon viel geschafft, aber man muss bis zum Winter noch hart arbeiten. Wo man wirklich steht, wird sich allerdings erst in den ersten Wettkämpfen zeigen.
netzathleten.de: Die Kanuten sagen: Die Medaillen liegen im Schnee vergraben, bei den Langläufern werden die Medaillen im Sommer gemacht. Wie viel kann man beim Skispringen noch während der Saison verändern und beeinflussen?
Severin Freund: Ja, das ist schon ähnlich bei uns. Der Grundstein, dass du um die Medaillen springen kannst, wird definitiv im Sommer gelegt. Aber man kann natürlich im Winter noch etwas machen. Letztes Jahr zum Beispiel war mein Einstieg eigentlich ganz gut, aber dann hat man doch gemerkt, dass mir etwas Substanz gefehlt hat und dass man eben doch nicht ganz vorne mitspringt. Also haben wir ein bisschen was umgestellt und so war ich dann nach Weihnachten wieder sehr gut in Form.
netzathleten.de: Letztendlich wurdest Du mit dem Gesamtweltcup belohnt. Worauf legst Du in diesem Jahr Deinen Fokus? Gesamtweltcup? Skiflug-WM? Vierschanzen-Tournee?
Severin Freund: Auf den Gesamtweltcup kannst du dich nicht fokussieren. Du kannst zwar das Ziel haben, den Gesamtweltcup zu gewinnen. Aber in eine Saison zu gehen mit dem Ziel, ich will den Gesamtweltcup gewinnen, ist eine unglaubliche Aufgabe. Man hat dabei sehr viel nicht in der Hand. Wenn man, wie ich vergangenes Jahr, merkt, dass man nicht in der Superform ist und etwas ändern muss, dann weiß man ja nicht, ob die Änderungen greifen oder nicht. Und wenn man nichts ändert und auf dem Niveau weiterspringt und Punkte sammelt, dann bringt es einen auch nicht wirklich vorwärts. Der Gesamtweltcup ist etwas, das sich in der Saison entwickelt. Nach zwei Dritteln der Saison kann man dann mal sagen: Ok ich gehöre jetzt zu denen, die um den Gesamtweltcup mitspringen. Also heißt es jetzt: durchziehen. Aber es von vorneherein anzugehen, ist sehr schwierig. Auch wenn ich glaube, dass es in diesem Jahr sehr viele probieren werden. Wir haben diese Saison keine nordische Ski-WM und mit der Skiflug-WM liegt das zweite Großereignis sehr, sehr früh (Skiflug-WM, 15.-17.01.2016, Kulm (Österreich); Anm. d. Red.). Das schafft natürlich im Anschluss ein bisschen Raum. Ansonsten sind für mich aber Skiflug-WM und Tournee ziemlich gleichwertig. Die sind ja eh auch zu einer ähnlichen Zeit. Für mich ist klar das Ziel, dass ich heuer etwas früher in Fahrt komme und dann werden es sehr spannende Tage und auf jeden Fall eine straffe Zeit.