Sport und Rückenschmerzen – Dr. Sport gibt Trainingstipps thinkstockphotos.de

Sport und Rückenschmerzen – Dr. Sport gibt Trainingstipps

  • Christian Riedel
Immer mehr Menschen leiden unter Rückenschmerzen. So auch netzathlet Michael, der nicht nur unter Verspannungen und muskulären Dysbalancen, sondern zudem unter einem Gleitwirbel leidet. Dr. Sport weiß, welcher Sport bei chronischen Rückenschmerzen hilft.

Hallo Herr Dr. Sport,

seit vielen Jahren habe ich mit Rückenschmerzen zu kämpfen. Medizinisch wurde dies mehrfach untersucht und dabei ein Gleitwirbel im LWS Bereich festgestellt. Zur Stabilisierung des LWS Bereichs wurden mir spezielle Übungen gezeigt und empfohlen sowie immer wieder Krankengymnastik und Physiotherapie verordnet. Um eine Regelmäßigkeit zu erreichen bin ich vor über 10 Jahren in ein Fitnessstudio eingetreten und mache dort (2 x pro Woche je 1 Std.) diese und andere Übungen.

Leider sind inzwischen (seit ca. 2-3 Jahren) weitere Schmerzen im BWS Bereich dazugekommen. Nach einem Besuch beim Facharzt wurden ausgeprägte Muskelverspannungen und eine muskuläre Dysbalance festgestellt. Mitverursacht werden diese sicher auch durch einen sehr stressigen Job und durch meine Persönlichkeit. In manchen Phasen ist diese stressbedingte Verschlimmerung so stark, dass sogar Wirbelkörper herausspringen.

Im Job sitze ich sehr viel; klassischer Schreibtischtäter. Außer dem genannten Besuch im Fitnesstudio, gehe ich täglich noch mal ca 10 - 15 min. mit dem Hund spazieren.

Welche Möglichkeiten sehen Sie mittelfristig um aus diesem Schmerzkreislauf heraus zu kommen?

Meine Physiotherapeutin meinte kürzlich, dass meine tägliche Bewegung zu gering sei und hat zum Stressabbau eine Ausdauersportart empfohlen.

Ist es ratsam mit Joggen wieder anzufangen, (vor mehr als 20 Jahren war ich begeisterter Mittelstreckenläufer) oder sollte ich lieber mit Walking oder Nordic Walking beginnen? Was würden Sie empfehlen? Sehen Sie ein Risiko beim Joggen in Bezug auf die Rückenprobleme?

Viele Grüsse

Michael



Hallo Michael,

chronische Rückenschmerzen sind meistens multifaktoriell. Das bedeutet, dass sich vorhandene Verschleißerscheinungen des passiven Bewegungsapparates, in deinem Fall ein Gleitwirbel, muskuläre Verspannungen und psychischer Stress addieren. Die Haltungsschulung im Alltag, ein gezieltes Training, Entspannungstechniken und bei Bedarf Medikamente stellen deshalb gemeinsam eine sinnvollste Therapie dar.

Zu deinem konkreten Fall:
Es gibt genug Olympiasportler mit Gleitwirbeln, die Diagnose an sich ist also sehr relativ. Die Einteilung nach dem vorliegenden Schweregrad erfolgt im Röntgenbild nach Meyerding in Grad 1-4. Diese Einteilung ist zusammen mit dem klinischen Erscheinungsbild ein Hinweis, ob eine konservative oder operative Therapie indiziert ist und welche sportlichen Einschränkungen anzuraten sind.

Ist ein Fitnesstraining sinnvoll, so sollte es auf Basis einer sauberen Bewegungsanalyse erfolgen, zum Beispiel dem Functional Movement Screen (link zu Artikel). Ein solches Programm sollte dann zeitnah eine Besserung bewirken, ansonsten muss es entsprechend angepasst werden. Zu beachten ist, dass insbesondere chronische Schmerzen auf Dauer die Bewegungsprogramme unseres motorischen Systems verändern und ohne „Reprogrammierung“ lange Zeit bestehen bleiben.

Software-Update
Bezogen auf einen Computer würde das bedeuten, dass die Software (das Bewegungsprogramm) durch einen Hardwareschaden (Rückenschmerz/Verschleiß) verändert wurde. Selbst nach einer Hardwarereparatur funktioniert die Software fehlerhaft. Diese muss also ebenfalls „aktualisiert“ werden. Deshalb lege ich persönlich soviel Wert auf die Bewegungsanalyse. Die Amerikaner haben einen passenden Ausdruck für ein Fitnesstraining ohne Berücksichtigung der zugrunde liegenden Dysbalancen: "to put fitness to dysfunction" - gerade beim Rückentraining ist das häufig der Fall.

Mobilität vor Stabilität
Entscheidend sind gerade bei sitzender oder einseitiger Tätigkeit zusätzlich Mobilitätsübungen im Alltag. Gerade bei Beschwerden im unteren Rücken haben sich meiner Erfahrung nach auch bestimmte Atemübungen (zum Beispiel der „Crocodile breath“ aus dem Yoga) als hilfreich erwiesen. Einerseits helfen sie ein besseres Gefühl für den eigenen Körper zu entwickeln, andererseits sind sie auch sehr gut zur Stressreduktion geeignet.

Praktischer Tipp: Es ist besser zwei Übungen täglich auszuführen, als 10 Übungen zweimal die Woche.

Laufen um fit zu werden oder fit werden um zu laufen?
Ist Joggen jetzt sinnvoll? - Ich weiß es nicht und jeder der diese Frage pauschal beantwortet stellt damit seine Inkompetenz unter Beweis. Die erste Frage muss lauten, bist du insgesamt muskulär fit genug, um zu laufen?

Kurzfristig können und werden Schmerzmittel dir helfen, mittel- bis langfristig komme ich wieder auf meine Empfehlung vom Anfang. Eine saubere Bewegungsanalyse, eine angepasstes funktionelles Krafttraining mit regelmäßigen Check-up's begleitet von einer täglichen Mobilisation und Atemübungen und Schmerzmitteln bei Bedarf sind zusammenfassend meine Empfehlung.

Gute Besserung!

Dr. med Markus Klingenberg
Sportmediziner

Details

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  • Star Vita: Dr. med. Markus Klingenberg arbeitet und als Arzt mit den Schwerpunkten Sport- und Ernährungsmedizin und Personal Trainer in Bonn und in der Sportorthopädie der Klinik-am-Ring in Köln. Mehrmals pro Jahr arbeitet er zudem als Tauchmediziner im indischen Ozean. Seine Schwerpunkte umfassen ein Personal Training, Ernährungs-Coaching, und die Leistungsdiagnostik. Als ehemaliger Leistungssportler kombiniert Dr. med. Markus Klingenberg sein Wissen als Sportmediziner und Personal Trainer, um für seine Kunden nachhaltig erfolgreiche individuelle Konzepte zu entwickeln und umzusetzen.
  • Star Erfolge: Arzt, Sportmediziner, Notarzt

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