gettyimages (Artikelbild) -- Melanie Leupolz, Svenja Huth, Alexandra Popp, Sara Daebritz und Dzenifer Marozsan (v. Li.)
Kampf um Gleichberechtigung
- Frank Heike
Während die Frauen ihren Fußball-Weltmeister in Frankreich ausspielen, geht es hinter den Kulissen um gleiche Bezahlung und allgemeine Anerkennung / Zeitgeist-Diskussion auf dem Octagon Panel während der 3. „Spielmacher“-Konferenz in Hamburg.
Den Ton hatte Almuth Schult gesetzt. In einem Interview mit der „FAZ“ verschaffte sie sich im April des Jahres Luft und sagte in aller Offenheit: „Wie sollen wir denn draußen Vorurteile und Vorbehalte gegenüber dem Frauenfußball abbauen, wenn wir im eigenen Verband noch damit zu kämpfen haben?“
Die furchtlose und meinungsstarke Torhüterin vom VfL Wolfsburg sprach damit Schwächen in der Vermarktung der Nationalmannschaft durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) an, aber auch eine gefühlte allgemeine Vernachlässigung, ja ein Desinteresse seitens des Verbandes – gerade verglichen mit der Männer-Nationalmannschaft.
Die aktuell laufende Weltmeisterschaft in Frankreich ist die richtige Bühne für derlei Kritik. Fast alle sportlich relevanten Nationen diskutieren in diesen Tagen und Wochen die großen gesellschaftlichen Themen unsere Zeit, wie Gleichberechtigung, „equal pay“ und Diversität. Hätten die deutschen Männer bei der WM vor zwei Jahren in Russland 350.000 Euro pro Spieler im Falle der Titelverteidigung bekommen, wären es bei den deutschen Frauen 75.000 Euro für jede Beteiligte.
Almuth Schults zunehmend selbstbewusstere Mitstreiterinnen heißen Megan Rapinoe (USA), Marta (Brasilien) oder Ada Hegerberg. Sie alle beanstanden zum Teil krasse Missstände in den Verbänden, was die Gleichberechtigung betrifft. Haarsträubende Fälle von Sexismus kommen hinzu. Die Norwegerin Hegerberg hat die WM aus Protest gegen die lange Zeit schlechte Bezahlung durch den norwegischen Verband gleich ganz boykottiert.
Es gibt Gegenbeispiele: Frankreich und England werden dank professioneller Ligen- und Verbands-Führung gerade zum „gelobten“ Land des Frauenfußballs. Italien und Spanien haben mächtig aufgeholt. Was die Fußballerinnen in aller Welt jedoch eint: Sie kämpfen um mehr Anerkennung. Das ist der Sound dieser WM.
Auch auf der 3. „Spielmacher“-Konferenz Mitte Juni in Hamburgs Hafen-City fand das Thema entsprechenden Widerhall. „Fußball ist Fußball (und nicht Frauenfußball)“, hatten Tatjana Haenni vom Schweizer Fußballverband, Tim Schumacher vom VfL Wolfsburg und Karsten Petry von Octagon Deutschland unisono betont. Einigkeit herrschte bei allen drei Teilnehmern des großen Octagon-Panels zum Thema (Frauen-)Fußball, dass dieser hierzulande sein Potential nicht ausschöpft und drauf und dran ist, den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren. Man hinke dem Zeitgeist immer mehr hinterher. „Deutschland hat auf Verbandsebene, bei der Sponsorenpflege und bei den Vereinen einiges aufzuholen“, sagte Petry, Managing Direktor bei Octagon Deutschland. „Bis 2011 war Deutschland die führende Nation“, sagte Haenni, die bereits mehrfach in WM-Organisationen involviert war, „danach haben Frankreich und England mit Geld und Strategie aufgeholt und den Frauenfußball professionalisiert. Der deutsche Frauenfußball wurde nicht mit dem gleichen Tempo weiterentwickelt.“
Marketing- und Sponsoring-Experte Petry lieferte gleich nach, worin das seiner Meinung nach begründet sei: „Gefühlt ist durch die sportliche Enttäuschung mit dem Ausscheiden im Viertelfinale damals auch das Engagement in der DFB-Führung verlorengegangen.“ Haenni schob nach, dass es nach dieser WM nicht hoffentlich wieder „acht verlorene Jahre“ für den deutschen Frauenfußball geben werde.
Tim Schumacher, der als Geschäftsführer dem erfolgreichsten und professionellsten deutschen Klub vorsteht, sah das Ganze naturgemäß in einem etwa milderen Licht: „Noch ist die Bundesliga in der Breite die beste Liga der Welt, aber andere Ligen, vor allem England, werden für die Spielerinnen aus finanziellen Gründen immer interessanter. Die Bundesliga muss professioneller werden, sonst gehen noch mehr Spielerinnen weg.“
In gleichem Maße, wie erstaunliche Zuschauerzahlen von Ligaspielen und England, Italien und Spanien gemeldet werden – bis zu 60.000 bei einzelnen Partien – kommt die Bundesliga auf einen Schnitt von nur noch 833 Fans. „Wir brauchen feste Anstoßzeiten“, forderte deshalb auch Schumacher und gab zu, dass man selbst vereinsintern oft lange nicht wisse, wann das nächste Bundesligaspiel angepfiffen werde. Nationalspielerin Melanie Leupolz vom FC Bayern regte sich jüngst darüber auf, dass ihr Verein beim Champions-League-Heimspiel gegen den FC Barcelona auf dem heimischen Campus geblieben war, statt in die Allianz Arena umzuziehen. Es kamen nur 2500 Zuschauer. Leupolz sagte: „Der FC Bayern will doch immer eine Vorreiterrolle einnehmen, und das wäre mal die Möglichkeit gewesen, in Deutschland ein Ausrufezeichen zu setzen, wie es Atlético Madrid oder Juventus Turin gemacht haben.“
Bezogen auf den DFB fragte sich Karsten Petry bei der Hamburger „Spielmacher“-Konferenz, warum der Verband zwischen Frauen und Männer eine Grenze zöge: „Es wäre doch ein Leichtes, beide Mannschaften zusammenzuführen und gemeinsam zu vermarkten. Stattdessen hat man eine Konkurrenzsituation. “ Auch die Sponsoren und Vermarkter nahm Petry in die Pflicht. Die Premiumsponsoren des DFB hätten das exklusive Recht, mit Männern und Frauen zu werben – sie seien in der Mehrzahl aber gar nicht am Frauenfußball interessiert.
Ein Fehler, wie die Beteiligten herausarbeiteten, denn, so Petry: „Frauenfußball bietet eine sehr viel liberalere Plattform als Männerfußball. Wir leben schließlich in einer Epoche, in der es um Diversität geht, um Chancengleichheit für alle und jeden. Unabhängig vom Geschlecht.“ Neue Konzepte und Perspektiven – auch in Sachen Sponsoring-Botschaften, Marketing-Strategien und Medienpräsenz – seien unabdingbar. Aber eben auch durchaus möglich, wie das Trio hervorhob. Das Potenzial sei vorhanden – es müsse aber eben auch als solches erkannt, verstanden und genutzt werden. Von allen Playern!
Tatjana Haenni forderte in ihrem Abschluss-Statement: „Wir haben jetzt 50 Jahre Frauenfußball. Aber in den meisten Verbänden sind Frauen unterrepräsentiert. Auch beim DFB sollten mehr Frauen in den Gremien sein.“ Sie hätte auch ins Mikrofon sagen können: Deutschland, erkenne den Trend. Und nutze den Zeitgeist.
Die furchtlose und meinungsstarke Torhüterin vom VfL Wolfsburg sprach damit Schwächen in der Vermarktung der Nationalmannschaft durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) an, aber auch eine gefühlte allgemeine Vernachlässigung, ja ein Desinteresse seitens des Verbandes – gerade verglichen mit der Männer-Nationalmannschaft.
Die aktuell laufende Weltmeisterschaft in Frankreich ist die richtige Bühne für derlei Kritik. Fast alle sportlich relevanten Nationen diskutieren in diesen Tagen und Wochen die großen gesellschaftlichen Themen unsere Zeit, wie Gleichberechtigung, „equal pay“ und Diversität. Hätten die deutschen Männer bei der WM vor zwei Jahren in Russland 350.000 Euro pro Spieler im Falle der Titelverteidigung bekommen, wären es bei den deutschen Frauen 75.000 Euro für jede Beteiligte.
Almuth Schults zunehmend selbstbewusstere Mitstreiterinnen heißen Megan Rapinoe (USA), Marta (Brasilien) oder Ada Hegerberg. Sie alle beanstanden zum Teil krasse Missstände in den Verbänden, was die Gleichberechtigung betrifft. Haarsträubende Fälle von Sexismus kommen hinzu. Die Norwegerin Hegerberg hat die WM aus Protest gegen die lange Zeit schlechte Bezahlung durch den norwegischen Verband gleich ganz boykottiert.
Es gibt Gegenbeispiele: Frankreich und England werden dank professioneller Ligen- und Verbands-Führung gerade zum „gelobten“ Land des Frauenfußballs. Italien und Spanien haben mächtig aufgeholt. Was die Fußballerinnen in aller Welt jedoch eint: Sie kämpfen um mehr Anerkennung. Das ist der Sound dieser WM.
Auch auf der 3. „Spielmacher“-Konferenz Mitte Juni in Hamburgs Hafen-City fand das Thema entsprechenden Widerhall. „Fußball ist Fußball (und nicht Frauenfußball)“, hatten Tatjana Haenni vom Schweizer Fußballverband, Tim Schumacher vom VfL Wolfsburg und Karsten Petry von Octagon Deutschland unisono betont. Einigkeit herrschte bei allen drei Teilnehmern des großen Octagon-Panels zum Thema (Frauen-)Fußball, dass dieser hierzulande sein Potential nicht ausschöpft und drauf und dran ist, den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren. Man hinke dem Zeitgeist immer mehr hinterher. „Deutschland hat auf Verbandsebene, bei der Sponsorenpflege und bei den Vereinen einiges aufzuholen“, sagte Petry, Managing Direktor bei Octagon Deutschland. „Bis 2011 war Deutschland die führende Nation“, sagte Haenni, die bereits mehrfach in WM-Organisationen involviert war, „danach haben Frankreich und England mit Geld und Strategie aufgeholt und den Frauenfußball professionalisiert. Der deutsche Frauenfußball wurde nicht mit dem gleichen Tempo weiterentwickelt.“
Marketing- und Sponsoring-Experte Petry lieferte gleich nach, worin das seiner Meinung nach begründet sei: „Gefühlt ist durch die sportliche Enttäuschung mit dem Ausscheiden im Viertelfinale damals auch das Engagement in der DFB-Führung verlorengegangen.“ Haenni schob nach, dass es nach dieser WM nicht hoffentlich wieder „acht verlorene Jahre“ für den deutschen Frauenfußball geben werde.
Tim Schumacher, der als Geschäftsführer dem erfolgreichsten und professionellsten deutschen Klub vorsteht, sah das Ganze naturgemäß in einem etwa milderen Licht: „Noch ist die Bundesliga in der Breite die beste Liga der Welt, aber andere Ligen, vor allem England, werden für die Spielerinnen aus finanziellen Gründen immer interessanter. Die Bundesliga muss professioneller werden, sonst gehen noch mehr Spielerinnen weg.“
In gleichem Maße, wie erstaunliche Zuschauerzahlen von Ligaspielen und England, Italien und Spanien gemeldet werden – bis zu 60.000 bei einzelnen Partien – kommt die Bundesliga auf einen Schnitt von nur noch 833 Fans. „Wir brauchen feste Anstoßzeiten“, forderte deshalb auch Schumacher und gab zu, dass man selbst vereinsintern oft lange nicht wisse, wann das nächste Bundesligaspiel angepfiffen werde. Nationalspielerin Melanie Leupolz vom FC Bayern regte sich jüngst darüber auf, dass ihr Verein beim Champions-League-Heimspiel gegen den FC Barcelona auf dem heimischen Campus geblieben war, statt in die Allianz Arena umzuziehen. Es kamen nur 2500 Zuschauer. Leupolz sagte: „Der FC Bayern will doch immer eine Vorreiterrolle einnehmen, und das wäre mal die Möglichkeit gewesen, in Deutschland ein Ausrufezeichen zu setzen, wie es Atlético Madrid oder Juventus Turin gemacht haben.“
Bezogen auf den DFB fragte sich Karsten Petry bei der Hamburger „Spielmacher“-Konferenz, warum der Verband zwischen Frauen und Männer eine Grenze zöge: „Es wäre doch ein Leichtes, beide Mannschaften zusammenzuführen und gemeinsam zu vermarkten. Stattdessen hat man eine Konkurrenzsituation. “ Auch die Sponsoren und Vermarkter nahm Petry in die Pflicht. Die Premiumsponsoren des DFB hätten das exklusive Recht, mit Männern und Frauen zu werben – sie seien in der Mehrzahl aber gar nicht am Frauenfußball interessiert.
Ein Fehler, wie die Beteiligten herausarbeiteten, denn, so Petry: „Frauenfußball bietet eine sehr viel liberalere Plattform als Männerfußball. Wir leben schließlich in einer Epoche, in der es um Diversität geht, um Chancengleichheit für alle und jeden. Unabhängig vom Geschlecht.“ Neue Konzepte und Perspektiven – auch in Sachen Sponsoring-Botschaften, Marketing-Strategien und Medienpräsenz – seien unabdingbar. Aber eben auch durchaus möglich, wie das Trio hervorhob. Das Potenzial sei vorhanden – es müsse aber eben auch als solches erkannt, verstanden und genutzt werden. Von allen Playern!
Tatjana Haenni forderte in ihrem Abschluss-Statement: „Wir haben jetzt 50 Jahre Frauenfußball. Aber in den meisten Verbänden sind Frauen unterrepräsentiert. Auch beim DFB sollten mehr Frauen in den Gremien sein.“ Sie hätte auch ins Mikrofon sagen können: Deutschland, erkenne den Trend. Und nutze den Zeitgeist.