gettyimages -- Die deutsche Stürmerin Lina Magull bei der WM 2019 in Frankreich
Keine neuen Ansätze – keine Nachhaltigkeit
- Andreas Hardt - Medienmannschaft
Deutschlands Fußballerinnen zwischen WM-Hype und Bedeutungslosigkeit: Bei der WM in Frankreich steht die DFB-Auswahl gegen Schweden im Viertelfinale. Und trotz der mittlerweile parallel stattfindenden U21-EM der männlichen Kollegen für ein paar Wochen etwas mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Die Aufmerksamkeit indes dürfte insbesondere hierzulande nach dem Turnier wieder absinken, fürchten kritische Beobachter der Szene. Warum das so ist und wie es anders laufen könnte – das erklärt Karsten Petry, Managing Director von Octagon Germany im Interview mit der Medienmannschaft. Mehr noch: Er eröffnet eine Zeitgeist-Diskussion.
Herr Petry, gerade spielen die deutschen Frauen, die sich zuletzt deutlich vernehmbar zur mangelnden Akzeptanz hierzulande geäußert haben, erfolgreich bei der Weltmeisterschaft und haben damit gleich in doppelter Hinsicht seit langem wieder einiges öffentliches Interesse hervorgerufen. So dominant wie früher einmal ist der Frauenfußball Deutschland aber schon lange nicht mehr. Sind uns andere Nationen inzwischen voraus, haben wir den Anschluss verloren?
Ja. Den Eindruck habe ich manchmal. In Deutschland wurde der Zeitgeist verpasst. Wir haben auf Verbands-, Vereins- und Sponsorenebene einiges aufzuholen.
Wie beurteilen Sie da eine Schlagzeile nach dem WM-Auftakt in einer Boulevardzeitung, in der auf das Aussehen einer Spielerin angespielt wurde?
Das geht eben nicht. Es ist aus Marketing- und aus Zeitgeistsicht komplett fehl am Platz, eine sportliche Leistung auf die Zeile „Die Hübscheste hat das Tor in einem hässlichen Spiel geschossen“ zu reduzieren. Da fehlt einfach Wertschätzung. Wir versuchen alle das Thema Diversity voranzutreiben, und dann kommt aus einer Sportredaktion so eine Schlagzeile. Das ist nicht mehr zeitgemäß im Jahr 2019.
Wie würden Sie denn Zeitgeist definieren im Zusammenhang mit Frauenfußball?
Ich glaube, Zeitgeist macht sich zunächst an der Gesellschaft fest. Was sind die Werte, die eine Epoche prägen? Und wir leben in einer Epoche, in der es um Vielfalt geht. Um Diversität. Nicht nur um Männer und Frauen, sondern auch um sexuelle Orientierung, ethnische Herkunft. Wir leben in einer Zeit, in der jeder die gleichen Rechte und Chancen haben sollte. Und da ist Frauenfußball seit jeher eine sehr liberale Sport- und Marketingplattform. Und seit jeher viel liberaler als Männerfußball. Es ist erstaunlich, dass einige es noch nicht verstanden haben, den Zeitgeist der Gesellschaft auf den Frauenfußball zu übertragen.
Ja. Den Eindruck habe ich manchmal. In Deutschland wurde der Zeitgeist verpasst. Wir haben auf Verbands-, Vereins- und Sponsorenebene einiges aufzuholen.
Wie beurteilen Sie da eine Schlagzeile nach dem WM-Auftakt in einer Boulevardzeitung, in der auf das Aussehen einer Spielerin angespielt wurde?
Das geht eben nicht. Es ist aus Marketing- und aus Zeitgeistsicht komplett fehl am Platz, eine sportliche Leistung auf die Zeile „Die Hübscheste hat das Tor in einem hässlichen Spiel geschossen“ zu reduzieren. Da fehlt einfach Wertschätzung. Wir versuchen alle das Thema Diversity voranzutreiben, und dann kommt aus einer Sportredaktion so eine Schlagzeile. Das ist nicht mehr zeitgemäß im Jahr 2019.
Wie würden Sie denn Zeitgeist definieren im Zusammenhang mit Frauenfußball?
Ich glaube, Zeitgeist macht sich zunächst an der Gesellschaft fest. Was sind die Werte, die eine Epoche prägen? Und wir leben in einer Epoche, in der es um Vielfalt geht. Um Diversität. Nicht nur um Männer und Frauen, sondern auch um sexuelle Orientierung, ethnische Herkunft. Wir leben in einer Zeit, in der jeder die gleichen Rechte und Chancen haben sollte. Und da ist Frauenfußball seit jeher eine sehr liberale Sport- und Marketingplattform. Und seit jeher viel liberaler als Männerfußball. Es ist erstaunlich, dass einige es noch nicht verstanden haben, den Zeitgeist der Gesellschaft auf den Frauenfußball zu übertragen.
Karsten Petry (re.) bei der Spielmacher-Konferenz 2019 in Hamburg
Wie kann man die Spielerinnen noch besser als Markenbotschafterinnen darstellen? In anderen Ländern wird so etwas ja schon gemacht. Geht das in Deutschland nicht?
Natürlich wäre das hier möglich, wenn man es will. Aber Nationaltorhüterin Almut Schult hat vor der WM gesagt, sie habe Manuel Neuer das erste Mal vor sieben Wochen getroffen. Da frage ich mich, warum wird beim DFB eine solche Grenze zwischen diesen beiden Bereichen gezogen?
Wie könnte so etwas besser gemacht werden?
Es wäre ein Leichtes, dass ein Austausch auf Trainer- und Trainerinnenebene, bei den Betreuern und auf Spielerebene stattfindet, wenn wir alles unter einem Dach in der Verantwortung des DFB haben. Aber das wird einfach nicht forciert.
Was wäre außerdem notwendig, um dem Frauenfußball mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen?
Eine andere Art ihn zu vermarkten. Der DFB müsste anders denken als nur in Reichweiten. Wenn die Männer-Nationalmannschaft spielt, dann schauen zehn Millionen zu. Das ist leicht verkauft, das braucht nicht viel Mühe. Das braucht nicht viel Strategie und Kampagnendenken dahinter. Für die Frauenmannschaft brauche ich einen anderen Ansatz, da brauche ich andere Geschichten, die ich mit den Spielerinnen erzählen kann. Auf welche Branche gehe ich zu? Das braucht mehr Anstrengung. Keine schablonenartigen Konzepte, sondern spezifische Strategien. So lange ich aber versuche, aus einer Marketingabteilung heraus, beides gleichzeitig zu vermarkten, wird im Frauenbereich nicht viel passieren.
Was müsste sich also ändern?
Momentan haben die Premiumpartner des DFB Rechte an der Männer- und Frauen-Nationalmannschaft. Wir sehen zwar gerade Kampagnen dieser Partner, aber zu 99 Prozent sind die nach der WM vorbei, dann kommt wieder die Männernationalmannschaft dran. Weil wir keinen Sponsor haben, der sich rein um die Frauen kümmert. Wir haben gerade einen Hype durch die WM, aber der Hype ist bald wieder vorbei – leider.
In England ist die Barclaybank als Sponsor in die Frauenliga eingestiegen. Ein absoluter Big Player. Warum geht das hier nicht?
Das kann ich auch nicht genau beantworten. Wahrscheinlich hat die Liga Überzeugungsarbeit bei Barclays geleistet. Das nehme ich hier überhaupt nicht wahr. Die DFL kümmert sich nur um den Männerbereich und der DFB ist zuständig für Schiedsrichter, Nachwuchs und Breitensport und will auf einmal noch die Frauen-Bundesliga vermarkten. Ich glaube, das passt nicht. Da müssen genauso Strukturen rein wie im Männerbereich, damit man es anders vermarktet. Jetzt ist Flyeralarm als Ligasponsor eingestiegen. Ich bin mal gespannt, was die aus ihrem Engagement machen.
The Trend is your friend – das trifft ja derzeit nicht zu hierzulande: Seit der Frauen-WM 2011 in Deutschland ist die Anzahl der registrierten weiblichen Spielerinnen um 40 Prozent zurückgegangen. Was ist da los?
Die Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland war eine Blase, die der DFB mit seinen Marketingpartnern kreiert hat. Da wurde von Sponsorenseite wahnsinnig viel investiert, um dieses Event groß zu machen. Es wurde aber seitens des DFB nicht genug in Nachwuchsstrukturen und –förderung investiert. Da wurde einiges versäumt. Auch war die Fallhöhe sehr hoch. Es wurde vom Titel im eigenen Land geträumt, dann war es nur das Viertelfinale. Gefühlt ist dann auch die Motivation beim DFB an diesem Thema zurückgegangen.
Aber was kann der DFB dafür, wenn Mädchen das Interesse am Fußball verlieren?
Natürlich ist es für Jugendliche, egal in welcher Sportart, immer wichtig, Stars als Vorbilder zu haben. So lange wir es nicht schaffen, Stars, die wir sicher haben, eine gewisse Plattform zu geben, wird es schwer, junge Mädchen, die Fußball spielen, bei der Stange zu halten. Das hat schon etwas mit dem DFB und der Vermarktung zu tun, dass er nicht die richtigen Partner findet, die diesen Weg mitgehen.
Die Zuschauerzahlen in der Bundesliga liegen bei unter 1000 im Durchschnitt. Wie kann man es schaffen, die Liga auch für Fans der Männerbundesliga interessant zu machen?
Gegenfrage: Muss es überhaupt das Ziel sein, es anzugleichen? Klar, es gibt Leute, die gucken sich Spiele ihres Vereins an, einfach, weil es Fußball und ihr Verein ist. Aber sonst haben wir ein jüngeres, ein familiengetriebeneres Publikum sowohl bei der Nationalmannschaft als auch auf der Vereinsebene. Das ist genau wieder ein anderes Potenzial für eine Vermarktung. Da kann man Unternehmen ansprechen, die genau mit dieser Zielgruppe arbeiten wollen. Ich sollte also gar nicht versuchen, es an die Männerbundesliga anzugleichen. Das Ziel, mehr Fans für die Frauenliga zu gewinnen ist gut, aber ich muss die Interessierten gezielt ansprechen.
Wie kann man die Spielerinnen noch besser als Markenbotschafterinnen darstellen? In anderen Ländern wird so etwas ja schon gemacht. Geht das in Deutschland nicht?
Natürlich wäre das hier möglich, wenn man es will. Aber Nationaltorhüterin Almut Schult hat vor der WM gesagt, sie habe Manuel Neuer das erste Mal vor sieben Wochen getroffen. Da frage ich mich, warum wird beim DFB eine solche Grenze zwischen diesen beiden Bereichen gezogen?
Wie könnte so etwas besser gemacht werden?
Es wäre ein Leichtes, dass ein Austausch auf Trainer- und Trainerinnenebene, bei den Betreuern und auf Spielerebene stattfindet, wenn wir alles unter einem Dach in der Verantwortung des DFB haben. Aber das wird einfach nicht forciert.
Was wäre außerdem notwendig, um dem Frauenfußball mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen?
Eine andere Art ihn zu vermarkten. Der DFB müsste anders denken als nur in Reichweiten. Wenn die Männer-Nationalmannschaft spielt, dann schauen zehn Millionen zu. Das ist leicht verkauft, das braucht nicht viel Mühe. Das braucht nicht viel Strategie und Kampagnendenken dahinter. Für die Frauenmannschaft brauche ich einen anderen Ansatz, da brauche ich andere Geschichten, die ich mit den Spielerinnen erzählen kann. Auf welche Branche gehe ich zu? Das braucht mehr Anstrengung. Keine schablonenartigen Konzepte, sondern spezifische Strategien. So lange ich aber versuche, aus einer Marketingabteilung heraus, beides gleichzeitig zu vermarkten, wird im Frauenbereich nicht viel passieren.
Was müsste sich also ändern?
Momentan haben die Premiumpartner des DFB Rechte an der Männer- und Frauen-Nationalmannschaft. Wir sehen zwar gerade Kampagnen dieser Partner, aber zu 99 Prozent sind die nach der WM vorbei, dann kommt wieder die Männernationalmannschaft dran. Weil wir keinen Sponsor haben, der sich rein um die Frauen kümmert. Wir haben gerade einen Hype durch die WM, aber der Hype ist bald wieder vorbei – leider.
In England ist die Barclaybank als Sponsor in die Frauenliga eingestiegen. Ein absoluter Big Player. Warum geht das hier nicht?
Das kann ich auch nicht genau beantworten. Wahrscheinlich hat die Liga Überzeugungsarbeit bei Barclays geleistet. Das nehme ich hier überhaupt nicht wahr. Die DFL kümmert sich nur um den Männerbereich und der DFB ist zuständig für Schiedsrichter, Nachwuchs und Breitensport und will auf einmal noch die Frauen-Bundesliga vermarkten. Ich glaube, das passt nicht. Da müssen genauso Strukturen rein wie im Männerbereich, damit man es anders vermarktet. Jetzt ist Flyeralarm als Ligasponsor eingestiegen. Ich bin mal gespannt, was die aus ihrem Engagement machen.
The Trend is your friend – das trifft ja derzeit nicht zu hierzulande: Seit der Frauen-WM 2011 in Deutschland ist die Anzahl der registrierten weiblichen Spielerinnen um 40 Prozent zurückgegangen. Was ist da los?
Die Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland war eine Blase, die der DFB mit seinen Marketingpartnern kreiert hat. Da wurde von Sponsorenseite wahnsinnig viel investiert, um dieses Event groß zu machen. Es wurde aber seitens des DFB nicht genug in Nachwuchsstrukturen und –förderung investiert. Da wurde einiges versäumt. Auch war die Fallhöhe sehr hoch. Es wurde vom Titel im eigenen Land geträumt, dann war es nur das Viertelfinale. Gefühlt ist dann auch die Motivation beim DFB an diesem Thema zurückgegangen.
Aber was kann der DFB dafür, wenn Mädchen das Interesse am Fußball verlieren?
Natürlich ist es für Jugendliche, egal in welcher Sportart, immer wichtig, Stars als Vorbilder zu haben. So lange wir es nicht schaffen, Stars, die wir sicher haben, eine gewisse Plattform zu geben, wird es schwer, junge Mädchen, die Fußball spielen, bei der Stange zu halten. Das hat schon etwas mit dem DFB und der Vermarktung zu tun, dass er nicht die richtigen Partner findet, die diesen Weg mitgehen.
Die Zuschauerzahlen in der Bundesliga liegen bei unter 1000 im Durchschnitt. Wie kann man es schaffen, die Liga auch für Fans der Männerbundesliga interessant zu machen?
Gegenfrage: Muss es überhaupt das Ziel sein, es anzugleichen? Klar, es gibt Leute, die gucken sich Spiele ihres Vereins an, einfach, weil es Fußball und ihr Verein ist. Aber sonst haben wir ein jüngeres, ein familiengetriebeneres Publikum sowohl bei der Nationalmannschaft als auch auf der Vereinsebene. Das ist genau wieder ein anderes Potenzial für eine Vermarktung. Da kann man Unternehmen ansprechen, die genau mit dieser Zielgruppe arbeiten wollen. Ich sollte also gar nicht versuchen, es an die Männerbundesliga anzugleichen. Das Ziel, mehr Fans für die Frauenliga zu gewinnen ist gut, aber ich muss die Interessierten gezielt ansprechen.