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Die eSport-Debatte erreicht neue Dimensionen

Gemein?nützig!?

  • Andreas Hardt / Medienmannschaft
Sportvereine und –verbände hierzulande müssen sich nicht mehr nur die Frage stellen, ob eSport tatsächlich Sport ist, sondern auch, ob das ‚Zocken’ an der Konsole dem Allgemeinwohl und sozialen Aufgaben oder doch vielmehr der Gewinnzunahme dient. Diese Debatte fördert viele Facetten und konträre Meinungen zutage. Die eine Wahrheit scheint es nicht zu geben. Ein ‚Streifzug’ durch das uneinige (e)Sport-Deutschland – von Andreas Hardt (Medienmannschaft)
Nur etwa drei Wochen hat es gedauert. Die Ära von Uli Hoeneß in diversen verantwortlichen Ämtern beim FC Bayern München endete am 16. November. Er trat nicht erneut zur Präsidentenwahl an. „Mit mir nicht“ lautete stets das Credo des großen, polarisierenden Bayern-Machers wenn es um eSport ging. Zocken, das war für ihn nur an der Börse in Ordnung. Spielerisch, an Konsolen oder Computern aber nicht. Und mit der Bezeichnung „Sport“ schon mal gar nicht. Hoeneß reihte sich da bei zahlreichen Sportfunktionären und auch Politikern ein, die sich schwer damit tun, eSport oder gar eGaming als Sport anzuerkennen. Und die dadurch einer stets wachsenden Zahl an Gamern den Zugang zu „klassischen“ Sportvereinen verwehren – was eine neue, spannende Debatte nach sich zieht: Nämlich jene um die Gemeinnützigkeit. Unlängst widmete sich eine ARD-Doku genau diesem Problem und stellte die Frage: „Sind die Sportvereine im Kampf um eSport machtlos?“ Je nachdem, an wen sich die Frage richtete, erhielten die Doku-Reporter die unterschiedlichsten Antworten. Oder besser: Interpretationen. Ansichten. Juristischen Auslegungen und Winkelzügen scheinen Tür und Tor geöffnet.

Doch zunächst zurück nach München: Am 10. Dezember verkündete Bayern München nun seinen Einstieg in den eSport. Nur etwa drei Wochen nach Hoeneß hat sich Deutschlands größter Verein also doch dem stetig wachsenden E-Markt geöffnet. Auf 34 Millionen wird die Zahl der aktiven Gamer in Deutschland inzwischen geschätzt. 2018 genierte der Markt rund um das Computer- oder Konsolenspielen 3,35 Milliarden Euro. Wie bedeutend die Szene inzwischen ist, sieht man an den stets ausverkauften Turnieren in großen Hallen wie der Lanxess Arena in Köln oder der Barclaycard Arena in Hamburg. Es gibt vor allem in Asien inzwischen Turniere mit Preisgeldern von zehn Millionen Dollar. Die Zahl der aktiven Spieler geht in die hunderte Millionen.

Der TV-Sender Sport1 hat mittlerweile eine eigene eSports-Sendung im Programm. Selbst die ARD experimentiert mit einer „E-Sportschau“. Die allermeisten Interessierten schauen allerdings in Internetstreams bei Youtube oder vor allem Twitch beim Gaming zu. Entsprechend wird dort natürlich längst massiv Werbung geschaltet: Das Versandhaus bietet coole Kleidung für die Familie an – danach geht es auf die Straßen einer fiktiven Stadt, „Terroristen“ jagen.

Aber ist das nun Sport? Oder ein Spiel? Wo ist die Grenze? Muss es eine geben? Die Diskussion darüber und die möglichen Konsequenzen auf den Sport – und auch auf die Gesetzgebung – hat eine Dynamik erhalten, die viele überfordert und ratlos zurücklässt. Hoeneß’sche Abwehrreflexe setzen ein. Gleichzeitig gibt es den Versuch der „etablierten“ Vereine, möglichst viele E-Spieler bei sich zu behalten oder zu organisieren. „Die Marktforschung zeigt deutlich, die die Fifa spielen unterscheiden sich nicht wesentlich von denen, die ins Stadien gehen“, sagte Karsten Petry, Deutschlandchef der global führenden Beratungsagentur für Sport und Entertainment Octagon auf einem eigens ausgerichteten Panel beim eSport-SPOBIS im Sommer in Köln. Die meisten Fußball-Bundesligisten haben mittlerweile Profis verpflichtet, die in einer Liga für die Clubs Fifa spielen. „Ich bin Befürworter der Sportsimulationen. Da ist für mich eine Nähe zum realen Fußball“, erklärte derweil Thomas Röttgermann, der Vorstands-Vorsitzende von Fortuna Düsseldorf auf der gleichen Veranstaltung. „Ich glaube nicht, dass die Glaubwürdigkeit von Fußballvereinen groß genug ist, um eine Brücke zur anderen Zielgruppe herzustellen.“

Damit grenzt er sich von den ‚Killerspielen’ oder elektronischen Schlachtgemälden ab, in denen das Ziel die Vernichtung irgendwelcher virtueller Gegner ist. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat sich entsprechend vor einem Jahr nach einer Expertenanhörung genau so positioniert: „eSport in seiner Gesamtheit passt nicht unter das Dach des DOSB. Nur virtuelle Sportarten sind anschlussfähig an Vereine und Verbände des organisierten Sports.“ Dadurch gibt es jetzt die Unterscheidung zwischen eSport (also Sportsimulationen) und eGaming (der ganze Rest). Und das ist wahrlich nicht nur eine Formalie. Sondern vielmehr ein wichtiger, weitgreifender Einschnitt.

Zwar erklärt die DOSB-Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker in der ARD-eSport-Doku: „Wir öffnen uns einem jugendkulturellen Trend, wo wir eine Verbindung zum Sport sehen.“ Im gleichen Atemzug aber betont sie: „Der Sport hat die Gemeinnützigkeit erhalten, weil Körperlichkeit dabei ist, Bewegung. Damit trägt er zur Gesunderhaltung bei. Bewegung ist im eSport kein Element.“ Klare Kante.

Der CDU-Politiker Johannes Steininger, Mitglied des Sportausschusses im deutschen Bundestag kritisiert allerdings diese Haltung und die damit verbundene, vom Spitzenverband vorgenommene Abgrenzung. „Ich halte es für gefährlich, dass sich der DOSB damit von einer großen, jungen Zielgruppe abwendet“, sagte er schon damals auf dem Octagon-Panel. Schließlich betreiben wesentlich mehr Menschen eGaming als Sportsimulationen. „Die zehn führenden eSport-Spiele sind so genannte Shooter- oder Battle-Royal-Spiele“, weiß Lucas Rachow, der Vizepräsident des eSport-Verbandes WESA. All diese Spieler quasi auszuschließen bringt auch ein Problem für die Sportvereine: „Mir geht es darum, dass die Vereine nicht Gefahr laufen, die Gemeinnützigkeit zu verlieren, wenn sie eine eSport-Abteilung aufbauen“, so Steininger.

Eben diese Gefahr besteht jedoch bei der derzeitigen Rechtslage. Da eGaming nicht als Sport anerkannt ist, können gemeinnützige Vereine es nicht bei sich integrieren. Andererseits ist ein Großverein wie zum Beispiel der Eimsbütteler TV in Hamburg, der über 15.000 Mitglieder hat, bei dem Versuch praktisch gescheitert, eine eSport-Abteilung aufzubauen. Es konnte und sollte eben nur Fifa angeboten werden. Der Verein stellte Räume bereit, ein Coaching, Turniere. „Nur die Turniere haben ein wenig funktioniert“, erzählt der Vorsitzende Frank Fechner, die anderen Angebote wurden praktisch nicht angenommen.“ Möglicher Grund: Die Gamingszene organsiert sich anders als herkömmliche Sportgruppen. Durch die Vernetzung online ist es nicht notwendig, seinen heimischen Rechner zu verlassen, um mit und gegen andere zu spielen.

„Das stimmt so nicht“, sagt indes Tobias Alexander Strauch. Der Programmierer und Spiele-Entwickler ist Präsident des „e-sports-hamburg e.V.“. Der Verein hat das Ziel, ebenso Amateur- und Breitensport zu treiben wie eine Profi-Mannschaft aufzubauen. Gleichzeitig veranstaltet er Turniere und will Nachwuchsspieler fördern. Fifa oder andere Sportsimulationen bietet er allerdings nicht an, sondern die weltweit populärsten Spiele „League of Legends“, „Dota 2“ und „Clash of Clans“. Dort spielen in der Regel keine einzelnen Akteure, sondern bestens aufeinander abgestimmte Teams. „Deren notwendige Kommunikation ist deutlich besser, wenn sie im gleichen Raum miteinander agieren.“ Teamfähigkeit ist durchaus ein Sportmerkmal.

Dass der Verein dennoch nicht unter die Gemeinnützigkeit fällt ist egal: „Wir sind zwar ein eingetragener aber kein gemeinnütziger Verein.“ Keinen Zweifel gibt es für Strauch daran, dass eSports tatsächlich Sport ist: „Das wird von vielen unterschätzt. Es ist körperlich anstrengend, 45 Minuten hochkonzentriert mit einem Puls bis zu 150 bis zu 200 Klicks in der Minute auszuführen.“ Auch CDU-Politiker Steininger sieht bei allen Computerspielen klare Merkmale von Sport: „Fairness, Taktik, eigenmotorische Aktivität spielen da eine Rolle. Im Übrigen haben „Fifa und League of Legions mehr miteinander zu tun, als Fifa und Fußball auf dem Sportplatz.“

Der immer noch verbreiteten Ansicht, Shooterspiele wie Counter Strike würden zu Gewalt in der Gesellschaft beitragen, widersprachen die Teilnehmer des Octagon-Panels seinerzeit: „Es gibt keinerlei Erkenntnisse, die erhöhte Gewaltbereitschaft von Shooterspielern belegen. Auch nicht in den USA und in Großbritannien“, so Karsten Petry. „Wir sind unabhängige Berater, wenn es etwas gäbe, würden wir unsere Kunden darauf hinweisen und es in der Branche kundtun.“

Bayern München übrigens geht einen Sonderweg. Der Verein hat sich mit dem Spielehersteller Konami zusammengetan und lässt seine spanischen Profis die Fußball-Simulation Pro Evolution Soccer gegen internationale Gegner spielen. Wenn das mal kein Vorgriff ist auf den echten Fußball: Da erscheint die Bundesliga den Bayern – dem vernehmen nach – ja auch manchmal zu klein und mit dem Gedanken an eine lukrative Europa League wird immer wieder geflirtet.

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