DFB -- Claudia Krobitzsch
„Am Ende wirkt der Fußball der Frauen für den Gesamtfußball!“
- Frank Heike
„Der Fußball der Frauen ist zu einer Plattform für Themen geworden, an die sich der Fußball der Männer nicht herantraut“ - Claudia Krobitzsch, Senior Managerin Diversität und Inklusion beim DFB und Dennis Trautwein, Managing Director Deutschland und Frankreich von Octagon sprechen über die anstehende WM, Chancen für Partner und Sponsoren, sportliche Erwartungen und darüber, dass der Fußball der Frauen den der Männer bloß nicht kopieren soll. Ein Interview von Frank Heike.
Claudia, ein bisschen Sport zum Aufwärmen: Wo landen die Deutschen?
Claudia Krobitzsch: Deutschland steht sehr gut da – auch wenn die Tests nicht so toll waren. Neben fünf, sechs anderen Kandidatinnen können wir Weltmeister werden. Ich habe ja auch immer Sympathien für die Engländerinnen. Aber die haben ja erst im vergangenen Sommer etwas gewonnen.
Gibt es eine Spielerin, auf die du besonders schaust?
Krobitzsch: Aus deutscher Sicht ist Alex Popp die treibende Kraft. Dass sie dabei ist, ist für die ganze Mannschaft sehr wichtig. Darüber hinaus verfolge ich immer, was Eintracht Frankfurt macht – insofern mag ich Nicole Anyomi sehr gern.
Dennis, wie lautet deine Prognose?
Dennis Trautwein: Ich bin bei solchen Großveranstaltungen immer mehr Fan als professioneller Beobachter. Ich hoffe und glaube, dass die Deutschen ins Finale kommen. Auch der Halbfinaleinzug wäre ein gutes Abschneiden. Den Titel wünschen sich natürlich alle.
Wie siehst du die Entwicklung des Fußballs der Frauen seit der tollen EM in England 2022?
Trautwein: Grundsätzlich nicht nur im letzten Jahr, sondern die letzten Jahre haben wir eine positive Entwicklung allein schon, wenn es um die Wahrnehmung und das Standing des Fußballs der Frauen geht. Auch wenn in der öffentlichen Diskussion die Themen nach oben gezogen werden, in denen wir noch nicht weit genug sind – Prämien und TV-Rechte, zum Beispiel. Wenn man das Thema ganzheitlich betrachtet, sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Aber am Ziel sind wir nicht. Es gibt noch viele Hebel, an denen alle Stakeholder drehen müssen, die Sponsoren, die Verbände, die Vereine und Agenturen wie wir, die im System Fußball unterwegs sind. Aber der Weg ist der richtige.
Dennis Trautwein, Managing Director Deutschland und Frankreich von Octagon (©Octagon)
Siehst du das ähnlich, Claudia?
Krobitzsch: Die Lernkurve zeigt nach oben. Aber ich wünsche mir, dass sich noch mehr tut. Wir müssen alle mehr investieren – aber nicht 1:1 den Fußball der Männer kopieren. Wir wissen alle, wie die Spirale dort überdreht ist. Wir müssen einen individuellen Weg finden, aber nicht mit weniger Sichtbarkeit und Relevanz. Sondern einen speziellen Frauenweg.
Woran denkst du, was kritisierst du?
Krobitzsch: Allein die Entwicklung der Spieler, wie sie ge- und verkauft werden. Dann diese Berater, wie viel sie daran verdienen. Gleichzeitig gibt es so viele Konfliktherde auf der Welt, und im Fußball der Männer werden einfach so Milliarden bewegt. Es findet eine Entfremdung statt und gerecht ist es auch nicht.
Was ist denn speziell anders im Fußball der Frauen?
Krobitzsch: Allein das Publikum dort ist offener und vielfältiger, bunter. Die Menschen im Stadion sehen ganz anders aus. Da sind junge, alte, Familien. Das hat man bei Spielen der Bundesliga der Männer oder der Premier League so nicht. Der Fußball der Frauen ist offen. Das soll so bleiben.
Ergeben sich daraus auch für Partner und Sponsoren andere Möglichkeiten?
Trautwein: Diese Seite wird in der Kommunikation akzentuiert. Es geht viel um Authentizität. Das ist die eine Seite, die man sich unbedingt bewahren muss. Ein nicht so authentisches Produkt funktioniert nur halb so gut. Es geht um Aufmerksamkeit und Wirkung. Der Fußball der Frauen muss ein eigenes Produkt bleiben, keine Kopie – aber zunehmend mit gleichen Rahmenbedingungen wie der Fußball der Männer.
Bedeutet heterogenes Publikum auch, neue Märkte zu erschließen?
Trautwein: So werden für den Fußball im Allgemeinen neue Gruppen erschlossen. Der Fußball der Frauen schaut über den Tellerrand und strahlt darüber hinaus. Er ist längst ein Massenprodukt, wie wir bei der letzten EM gesehen haben. Das EM-Finale der Frauen war das meistgesehene Fußballspiel 2022, obwohl es eine Männer-WM gab. Der Fußball der Frauen kann den Fußball insgesamt in den wichtigen Themen voranbringen, die die Gesellschaft beschäftigen. Am Ende wirkt der Fußball der Frauen für den Gesamtfußball.
Algorand, Calm, Globant, Commbank und bei Wanda aus China weiß ich immer noch nicht, was die machen: Die Namen der WM-Sponsoren neben den namhaften sind mir alle unbekannt.
Trautwein: Das sind in der Regel regionale Partner. Es gibt durch diese WM eine Plattform, mit der man aktuell auch noch kostengünstig eine große Zielgruppe erreichen kann. Die Chance und Gelegenheit sehen aktuell eine Reihe von Sponsoren. Hoffentlich identifizieren sie sich auch mit den Werten des Fußballs der Frauen!
Mit wie vielen Kolleginnen und Kollegen ist Octagon eigentlich an Ort und Stelle?
Trautwein: Wir haben ein Team, das dort für die Fifa-Partner AB Inbev und Cisco aktiviert. Es sind etwa 20 Leute, also bei Weitem nicht die gleiche Präsenz wie bei Männer-Turnieren. Ich habe aber alle schon gebrieft und gesagt, sie sollen die deutschen Frauen anfeuern!
Geht es eigentlich immer noch mehr um equal play statt um equal pay?
Krobitzsch: Es hat sich viel getan – aber nicht überall. Es gibt gerade einen neuen Report der Fifpro zu den WM-Qualifikationsspielen. Manche Spielerinnen werden nicht mal eine medizinische Untersuchung haben, bevor sie nach Australien reisen. Das ist erschreckend. Bei uns gibt es equal play. Die Frauen haben die gleichen Bedingungen wie die Männer. Sie haben sich in Herzogenaurach vorbereitet, der Hotelstandard ist wie der bei den Männern. Der Stab ist gleich groß. In Australien und Neuseeland wird das gesamte Team ca. 70 Personen umfassen. Das Marketing ist gut, es gibt starke Sponsoren. Da hat sich viel getan – das war ja nicht immer so. Den Spielerinnen geht es nicht außschließlich um gleiche Prämien. Sondern um gleiche Rahmenbedingungen. Nicht nur im Verband, sondern auch in den Vereinen. Dort beziehen sie ihr Gehalt, bei uns nur Prämien. Sie müssen von dem Gehalt leben können, das sie dort bekommen.
Dennis, wie beurteilst du das Sponsoring von Google beim DFB?
Trautwein: Das ist eine Partnerschaft, bei der der Markt einmal aufgehorcht hat. Google ist ja kein besonders umtriebiger Sponsor. Da kann man dem DFB nur gratulieren. Da wurde eine spannende Partnerschaft geboren und ich bin gespannt, wie sie zum Leben erweckt wird. Welche Geschichten werden darüber erzählt? Das gilt auch für andere Partner wie Vorwerk und die Commerzbank, die ihren Fokus auf den Fußball der Frauen setzen. Darüber hinaus bin ich gespannt, wie die DFB-eigene Kampagne in den nächsten Wochen zum Leben erweckt wird.
Falls Menschen gar nicht wussten, dass es diesen Sommer eine WM im Fußball der Frauen gibt, erfuhren sie es, als das Gezerre um die Fernsehrechte begann. Der schwarze Bildschirm drohte. Was sagt uns das, Claudia?
Krobitzsch: Das ist ein klarer Fall von Ungleichbehandlung. Ich mache immer einen Test. Wenn ich ein Störgefühl habe, überlege ich: Wie wäre es bei den Männern? Es ist doch undenkbar, dass wenige Wochen vor Turnierbeginn, unklar ist, ob übertragen wird!
Die Fifa hatte einen vergleichsweise geringen Preis, aber der war den Öffentlich-Rechtlichen zu hoch. Wer ist schuld?
Krobitzsch: Es war ein Patt. Keiner wollte das Gesicht verlieren. Ich verstehe ja auch, dass ARD und ZDF dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino nicht auf den Leim gehen wollten, aber...
Trautwein: Es geht doch gar nicht darum die gleichen Beträge wie bei den Männern mit TV-Rechten umzusetzen. Es geht eben nicht um equal pay. Keiner erwartet das in diesem Zusammenhang. Im Fußball der Männer in eine solche Situation zu kommen, ist aktuell unvorstellbar. Aber ich finde die Diskussion gut! Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf das Thema Gleich- bzw. Ungleichbehandlung.
Oder liegt das Gezerre tatsächlich nur an den aus europäischer Sicht unattraktiven Anstoßzeiten am Vormittag?
Trautwein: Die hatten wir 2002 in Südkorea und Japan auch schon. Fußball ist ein globales Spiel. Ich finde, Neuseeland und Australien als Austragungsort grundsätzlich super. Da gibt es Wachstumspotentiale, die ganze Asia-Pacific-Region hat Potential. In Australien gibt es große Begeisterung für den Fußball der Frauen, da ist eine breite Fan-Base. Und Australien und Neuseeland sind auch mal ein entspannteres Spielfeld nach den vergangenen Jahren…
Ein Beitrag aus der Reihe „The Road to 2024“ - Der spannende Weg zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris
©paris2024.org -- Paris 2024 Organizing Comittee for the Olympic and Paralympic Games (POCOG (Paris2024)) for 2024 Summer Olympics
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Claudia, du magst den Vergleich zwischen dem Fußball der Frauen und dem der Männer nicht, die Bundestrainerin auch nicht – als Retterin des DFB will sie nicht auftreten, nach den schlechten Turnieren der A-Männer und der U21 zuletzt…
Krobitzsch: Wir leben in Zeiten voller schwerer Themen, da täte es gut, mal ausgelassen zu feiern. Ich glaube, die Leute wollen einfach ausgelassen erfolgreichen Fußball sehen, sie wollen endlich mal feiern. Letztes Jahr mit dem Finale in Wembley war das doch ein großartiger Beginn, das wollen alle fortführen. Insofern verstehe ich Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, dass sie Erwartungen und Druck nicht schultern möchte, sondern lieber mit Leichtigkeit spielen.
Trautwein: Ich finde, das ist eigentlich eine schöne Gelegenheit! Sportlich und kommunikativ. Die Tatsache, dass es bei den Männern nicht so gut läuft, bietet eine Chance – das muss man nicht von sich weisen. Man darf Erfolge ruhig feiern. Die gibt es ja. Man hat erfolgreich akquiriert, neue Sponsoren an Land gezogen, anders als die Männer. Dazu hat es viele gute Geschichten aus dem Fußball der Frauen gegeben. Es gibt Grund, sehr selbstbewusst zu sein.
Ich habe das Gefühl, dass die großen Themen der Gesellschaft wie Gleichheit, Vielfalt, sexuelle Selbstbestimmung, vom Fußball der Frauen viel besser abgebildet werden.
Krobitzsch: Auf jeden Fall. Das gilt auch für den DFB. Das ganze Team setzt sich viel für Diversität ein und wir als Verband stehen voll dahinter. Sie suchen sich Themen heraus, bewusst und authentisch. Dazu gehört, jetzt beim ganzen Turnier eine Kapitäninnen-Binde zu tragen, mit der Botschaft gegen Gewalt gegen Frauen. Die Mannschaft hat auch schon gemeinsam mit UN Women Aktionen dagegen gemacht. Sie setzten sich auch für sexuelle Vielfalt ein. Das machen sie ehrlich und authentisch und es kommt nicht so schambelastet rüber wie bei den Männern.
Müssten Sponsoren daraus nicht noch mehr machen, Dennis?
Trautwein: Für Sponsoren ist es das eine, sich damit zu schmücken. Das andere ist, das aber auch zu untermauern. Ich finde es gut, dass der Fußball der Frauen verstärkt als Plattform wahrgenommen wird, von der verstärkt Themen wie Vielfalt glaubhaft in den Vordergrund gestellt werden. Das hilft, um zu enttabuisieren. Es wäre ein super Effekt, wenn wir auch im Fußball der Männer offen über sexuelle Vielfalt sprechen können. Das muss perspektivisch das Ziel sein.
Ist der Fußball der Frauen da weiter als manche Partner?
Trautwein: Wahrscheinlich, aber das gute an einer Partnerschaft ist doch, darüber gemeinsam zu lernen.
Für ein authentisches Storytelling auf Höhe der Zeit sind diese Themen doch ideal!
Trautwein: Na klar – diese Themen werden ja auch in der klassischen Werbung gespielt. Ich habe den neuen TV-Spot für Dove gesehen. Das macht schon etwas mit dir, wenn du drei Minuten etwas über Ess-Störungen hörst, ein Thema, über das nur wenig gesprochen wird. Die Gefahr ist: Man nutzt die Emotionalität, nur um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Genau deswegen muss es glaubhaft sein.
Besteht nicht die Gefahr, dass sich die Frauen an solchen Themen verheben wie die Männer in Katar?
Krobitzsch: Das glaube ich nicht. Sie haben ein gutes Gefühl dafür, wofür sie stehen, was sie wollen, was sie transportieren möchten. Sie machen das auch mit Leichtigkeit. Insofern: Verheben? Nö.
Warum tut sich der männliche Profisport denn so schwer damit?
Krobitzsch: Auch im Männerfußball gibt es mutige Aussagen zu Depressionen oder Rassismus, die nicht an Kampagnen oder Marketingmaßnahmen geknüpft sind. Allerdings oft erst nach der aktiven Karriere. Im aktiven Teil wollen wohl wenige eine Andersartigkeit riskieren. Es hängt zu viel dran. Sie sind ausschließlich auf den Sport konzentriert.
Welche Erwartungen habt ihr über den Sport hinaus an diese WM?
Krobitzsch: Langfristig wünsche ich mir, dass der Fußball der Frauen diese Aufmerksamkeit halten kann. Dass es kein Hype ist, der wieder verflacht, sondern dass der Fußball der Frauen irgendwann wirklich gleichberechtigt ist.
Trautwein: Ich hoffe, dass wir weiter in die Breite investieren. Das liegt in der Verantwortung des Verbandes, die Strukturen weiter zu stärken. Das braucht es, um langfristig erfolgreich zu sein. Ich wünsche mir, dass wir weiterhin ein erfolgreiches Produkt am Markt haben, dass charmant und attraktiv ist und so für alle Player am Markt ein spannendes Spielfeld bietet. Ich habe mich in der Vergangenheit auch schon mal kritisch zum Abfall von Aufmerksamkeit und Investitionen nach der Heim-WM 2011 geäußert. Aber allein mit Blick auf die deutsche Bewerbung für die WM 2027 wird es das wohl kaum geben.
Krobitzsch: Zum Thema Breitensport und Prämien muss ich noch etwas sagen…
Na klar.
Krobitzsch: Die Prämien bei einer WM kommen immer von der Fifa. Und die Nationalverbände entscheiden, wie sie sie weiter verteilen. Nur hat diesmal die Fifa ohne Absprache mit den Nationalverbänden bestimmt, wie viel sie den Spielerinnen auszahlen müssen. Das wurde einfach festgelegt. Und das ist Geld, das sonst auch in den Breitensport gegangen wäre. Das geht jetzt nicht mehr dahin. Da stellt sich also Herr Infantino hin ins Sonnenlicht und kann glänzen, welch hohe Prämien die Spielerinnen bekommen. Aber die Art und Weise der Kommunikation ist absonderlich.
Wo und wie werdet ihr die WM schauen?
Krobitzsch: Es gibt ein Public Viewing auf dem DFB-Campus. Insofern ist es Arbeit. Die Spiele am Wochenende baue ich in den Tag ein. Da gucke ich mit der Familie. Die englischen Spiele sind leider keine Arbeitszeit.
Trautwein: Ich habe Urlaub. Meine zwei Jungs werden loslegen, sobald die WM anfängt. Wir werden also gucken.
Krobitzsch: Jetzt, wo die WM auch im Fernsehen kommt!
Trautwein: Jetzt, wo die WM auch im Fernsehen kommt. (Lacht)