Können Schwimmer von Körperfett profitieren?
- Marco Heibel
Seit Archimedes weiß man, dass Körper mit geringerer Dichte als Wasser in diesem Element oben schwimmen. Einer dieser Stoffe ist Fett. Seine Dichte ist um rund 8 Prozent niedriger als die von Wasser. Demnach müsste ein Schwimmer zu einem gewissen Maße von seinem „Hüftgold” profitieren können. Denn je höher die Wasserlage bzw. der Auftrieb, desto geringer sollte doch eigentlich auch der Wasserwiderstand sein. Und dennoch sind es eher drahtige Sportler, die bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen die Weltrekorde und Medaillen einheimsen. Das muss sich doch irgendwie begründen lassen.
Formwiderstand: Der Mensch ist nicht fürs Wasser gemacht
Wassertiere, wie etwa Seehunde, haben einen Körperfettanteil von 30 Prozent und mehr. Und tatsächlich bewegen sie sich auch mit einer unglaublichen Leichtigkeit im Wasser. Doch in ihrem Fall ist nicht allein der Körperfettanteil dafür verantwortlich. Es kommt noch ein zweiter Faktor hinzu, nämlich die Art und Weise, wie ihr Körperfett verteilt ist. Denn Wassertiere sind trotz ihres verhältnismäßig hohen Körperfettanteils stromlinienförmig gebaut, ihr Formwiderstand ist sehr gering.
Menschen mit einem übermäßig hohen Körperfettanteil setzen dagegen an bestimmten Körperstellen mehr an als an anderen, weswegen von einem geringen Formwiderstand keine Rede sein kann. Interessant wäre es da zu wissen, ob es für den Menschen so etwas wie den perfekten Kompromiss gibt – also einen Punkt, an dem der Nutzen durch das Körperfett so groß ist, dass er die Nachteile durch den hohen Formwiderstand übertrifft. Dieser Frage sind Wissenschaftler der University of Miami in einer im Journal of Strength and Conditioning Research veröffentlichten Studie nachgegangen.
Studie: Latexpolster erhöhen künstlich den Körperfettanteil
Die Wissenschaftler erhöhten bei jeweils 10 männlichen und weiblichen Schwimmern mit 3 und mehr Jahren Wettkampferfahrung künstlich den Körperfettanteil um 2 Prozent, indem sie in den Schwimmanzügen der Probanden an den Stellen Latexpolster anbrachten, an denen ein Mensch normalerweise Fett ansetzen würde (Bauch, Hüfte, Oberschenkel, Brust, Rücken und Gesäß). Um zugleich auch beim Latex eine ähnliche Dichte wie die vom Körperfett zu simulieren, wurden die Polster mit kleinen Luftblasen versehen.
Beim eigentlichen Test schwammen die Probanden nun insgesamt viermal die 50 Meter-Distanz mit vollem Einsatz, und zwar jeweils zweimal mit und ohne „Zusatzfett” und jeweils mit langer Pause. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass eventuelle Abweichungen nicht auf die Tagesform oder die Ermüdung zurückgeführt werden können, sondern auf die körperliche Konstitution der Sportler.
Langsamere Sprintzeiten mit künstlichem Zusatz-Körperfett
Das Ergebnis war, dass die künstlichen Fettpolster den Auftrieb wie erwartet zwar verbesserten, die Schwimmer jedoch deutlich langsamer wurden – im Schnitt um 0,8 Sekunden, was auf 50 Metern eine Welt ist.
Allerdings hat die Studie einen einschränkenden Faktor: Die Probanden hatten einen ohnehin schon relativ hohen Körperfettanteil (Hier wird die Studie etwas schwammig: Die Forscher geben den der Frauen bei 25 Prozent und weniger, den der Männer bei 15 Prozent und weniger an). Weltklassesprinter der letzten Jahre, wie Pieter van den Hoogenband, Alain Bernard oder Britta Steffen haben dagegen sichtbar einen deutlich niedrigeren Körperfettanteil.
Insofern bleibt zu vermuten – und das tun auch die Wissenschaftler aus Florida –, dass der Auftrieb der Probanden aufgrund ihres natürlichen Körperfettanteils schon so hoch war, dass der optimale Punkt schon überschritten war. Ein drahtiger Athlet könnte dagegen möglicherweise von ein wenig mehr Körperfett profitieren – was zu beweisen wäre, und momentan aufgrund der modernen Schwimmanzüge nicht wirklich notwendig ist. Doch ab 2010 gilt wieder ein neues Reglement, die Wunderanzüge werden der Vergangenheit angehören, und der Schwimmer muss sich etwas Neues überlegen, um schnell zu sein.
Allerdings sollte man hierbei bedenken, dass Männer und Frauen an unterschiedlichen Körperstellen „ansetzen“. Und es macht schon einen Unterschied auf die Wasserlage und den -widerstand, ob man mehr Fett am Bauch oder an den Oberschenkeln ansetzt. Insofern hat die Forschung noch Einiges zu tun, wenn sie den Einfluss des Körperfettanteils auf die Schwimmleistung belegen will. Momentan scheint jedenfalls ein niedriger Körperfettanteil Trumpf zu sein – und zwar ohne, dass es einen eindeutigen Beleg dafür gibt, dass dies wirklich der beste Weg ist. Aber sowohl im Schwimmen als auch in den meisten anderen Sportarten gilt: Recht hat, wer vorne ist.
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