MT Melsungen -- Ex-Nationalapieler, Europameister, Vize-Weltmeister, heute Sportvorstand des Handball-Bundesligisten MT Melsungen
Die richtigen Schlüsse aus diesem Dämpfer ziehen!
- Michael Allendorf
In seiner aktuellen Kolumne zur Niederlage des DHB Teams gegen Kroatien blickt unser Experte Michael Allendorf (Sportvorstand MT Melsungen) mit seinem Kennerblick auf die Schwachstellen im heutigen Spiel zurück.
Okay: Der von mir zugedachten Favoritenrolle sind unsere Handballer heute zwar nicht gerecht geworden. In dieser für unseren heutigen Gegner Kroatien schon richtungsweisenden Begegnung haben die Jungs von Alfred Gislason zum ersten Mal bei diesem Olympiaturnier nicht ihr Potential abgerufen und ein 26:31 (13:15) einstecken müssen. Aber mehr als eine Momentaufnahme muss das nicht sein. Vielleicht war dieses Spiel vielmehr sogar ein Dämpfer zur rechten Zeit, wenn man ‚nur‘ die richtigen Rückschlüsse daraus zieht.
Das Hauptaugenmerk der öffentlichen Kritik dürfte sich vermutlich auf die heute teils fahrigen und zu ungeduldigen Angriffsaktionen fokussieren – ich aber sehe die Ursachen in der Niederlage primär dort, wo eigentlich unsere große Stärke und die Basis für den Erfolg liegen. Liegen müssen: In der Abwehr, zumal im Zusammenspiel mit Andreas Wolff. Doch das war diesmal kein Faktor.
Defensive muss sich unbedingt wieder steigern
Hier haben wir vor allem in der zweiten Hälfte keinen Zugriff mehr bekommen. Die Kroaten kamen viel zu oft zu einfachen Toren. Sie mussten wenig Aufwand betreiben. Darum liefen wir auch ab Mitte der ersten Halbzeit ständig einem Rückstand hinterher.
Zwar hätte ich mir gewünscht, dass Wolff, der ja gut begonnen hatte, im zweiten Durchgang noch einmal ins Tor zurückkehrt – aber es ist hypothetisch, ob er seinen Vorderleuten noch einmal Impulse hätte geben können. Immerhin: Er hat vor der Pause wahrlich nicht enttäuscht, auch wenn sein Gegenüber, der junge Dominik Kuzmanovic im Tor der Kroaten, noch auffälliger war und unseren Werfern wie schon in der Qualifikation für Paris ziemliche Probleme bereitete.
In der Defensive müssen wir in den nächsten Spielen wieder deutlich stabiler werden, die Achse Torwart-Abwehrverbund ist unser Fundament. Ohne dieses kommen wir zudem nicht ins Tempospiel, auch wenn ich die Kroaten dafür loben muss, wie diszipliniert und clever sie gespielt und auch ein Augenmerk auf ihr Rückzugsverhalten gelegt haben.
Kroatien nicht unschlagbar, ‚nur‘ unsere Tagesform reichte nicht
Dass unser Ex-Spieler Ivan Martinovic heute leider richtig ‚on Fire‘ war und die Kroaten ihre bislang bestes Turnierleistung gezeigt haben, ist eine Betrachtungsweise auf dieses Match. Die andere – und deswegen könnte die heutige Partie ein Schlüsselmoment sein: Die DHB-Auswahl hat verloren, weil sie ihre Leistung nicht gebracht hat. Als Team und – mit ein paar Ausnahmen – auch individuell nicht. Daraus kann sie sogar Mut und Selbstvertrauen schöpfen. Unsere Jungs haben eben nicht am Limit gespielt und dann gegen übermächtige Kroatien verloren, sondern weil sie sich heute unter Wert verkauft haben. Mit diesem Wissen und den zwei vorherigen Siegen im Rücken können sie unbeirrt und mutig einen neuen Anlauf nehmen.
Den Hut ziehe ich vor Johannes Golla, der vorne wie hinten nahezu durchspielt und auch heute wieder eine Weltklassepartie geliefert hat. Er verwertet nahezu alle Bälle, die man ihm zuwirft – überragend! Mit Abstrichen gefiel mir erneut auch der junge Renars Uscins wieder gut, außerdem einige tolle Aktionen von Juri Knorr – primär im Zusammenspiel mit Golla und dem anderen Spielmacher, Luca Witzke in Hälfte zwei. Die beiden Spielgestalter zusammen auf dem Parkett – das ist eine spannende Option für die weiteren Spiele. Jedenfalls war Witzke heute von allen vier auf halblinks eingesetzten Spielern der auffälligste.
Platzierungs-Puzzle – aber Vorsicht: Nicht zu viel taktieren!
Die in der vorangegangenen Kolumne erwähnte Schwachstelle auf Rechtsaußen war heute nicht der entscheidende Faktor – dennoch gab es wieder Hinweise darauf, dass sie es in engeren Spielen werden könnte.
Bange muss uns vor dem Spiel gegen Spanien dennoch nicht sein – wir haben das Zeug dazu, es zu gewinnen. Schon am vierten Gruppenspieltag dürfte übrigens neben dem Blick auf die eigene Tabelle auch auf die andere Gruppe geschielt werden. Trotz des Fehlstarts der Franzosen wird man den Gastgeber nicht im Viertelfinale als Gegner haben wollen.
Die Besonderheit bei Olympia ist ja, dass man selbst nach zwei, drei schlechten Spielen noch Gold holen kann, wenn man anschließend drei, vier gute Spiele zeigt. Unser Frauenteam beispielsweise hat ja nach dem ersten Erfolgserlebnis, dem Kantersieg gegen Slowenien, plötzlich wieder realistische Aussichten aufs Viertelfinale. Dennoch – um wieder auf Alfred Gislasons Mannschaft zurückzukommen – warne ich davor, zu sehr zu taktieren bei der Platzierung. Noch ist die deutsche Gruppe sehr ausgeglichen. Wer zu viel kalkuliert, läuft Gefahr, am Ende ganz auszuscheiden. Und auch ein Endspiel ums Viertelfinale gegen Slowenien muss nicht unbedingt sein. Ein Sieg gegen Spanien käme uns schon sehr gelegen. In jeder Hinsicht.
Bis Freitag!
Euer Michael Allendorf
Das Hauptaugenmerk der öffentlichen Kritik dürfte sich vermutlich auf die heute teils fahrigen und zu ungeduldigen Angriffsaktionen fokussieren – ich aber sehe die Ursachen in der Niederlage primär dort, wo eigentlich unsere große Stärke und die Basis für den Erfolg liegen. Liegen müssen: In der Abwehr, zumal im Zusammenspiel mit Andreas Wolff. Doch das war diesmal kein Faktor.
Defensive muss sich unbedingt wieder steigern
Hier haben wir vor allem in der zweiten Hälfte keinen Zugriff mehr bekommen. Die Kroaten kamen viel zu oft zu einfachen Toren. Sie mussten wenig Aufwand betreiben. Darum liefen wir auch ab Mitte der ersten Halbzeit ständig einem Rückstand hinterher.
Zwar hätte ich mir gewünscht, dass Wolff, der ja gut begonnen hatte, im zweiten Durchgang noch einmal ins Tor zurückkehrt – aber es ist hypothetisch, ob er seinen Vorderleuten noch einmal Impulse hätte geben können. Immerhin: Er hat vor der Pause wahrlich nicht enttäuscht, auch wenn sein Gegenüber, der junge Dominik Kuzmanovic im Tor der Kroaten, noch auffälliger war und unseren Werfern wie schon in der Qualifikation für Paris ziemliche Probleme bereitete.
In der Defensive müssen wir in den nächsten Spielen wieder deutlich stabiler werden, die Achse Torwart-Abwehrverbund ist unser Fundament. Ohne dieses kommen wir zudem nicht ins Tempospiel, auch wenn ich die Kroaten dafür loben muss, wie diszipliniert und clever sie gespielt und auch ein Augenmerk auf ihr Rückzugsverhalten gelegt haben.
Kroatien nicht unschlagbar, ‚nur‘ unsere Tagesform reichte nicht
Dass unser Ex-Spieler Ivan Martinovic heute leider richtig ‚on Fire‘ war und die Kroaten ihre bislang bestes Turnierleistung gezeigt haben, ist eine Betrachtungsweise auf dieses Match. Die andere – und deswegen könnte die heutige Partie ein Schlüsselmoment sein: Die DHB-Auswahl hat verloren, weil sie ihre Leistung nicht gebracht hat. Als Team und – mit ein paar Ausnahmen – auch individuell nicht. Daraus kann sie sogar Mut und Selbstvertrauen schöpfen. Unsere Jungs haben eben nicht am Limit gespielt und dann gegen übermächtige Kroatien verloren, sondern weil sie sich heute unter Wert verkauft haben. Mit diesem Wissen und den zwei vorherigen Siegen im Rücken können sie unbeirrt und mutig einen neuen Anlauf nehmen.
Den Hut ziehe ich vor Johannes Golla, der vorne wie hinten nahezu durchspielt und auch heute wieder eine Weltklassepartie geliefert hat. Er verwertet nahezu alle Bälle, die man ihm zuwirft – überragend! Mit Abstrichen gefiel mir erneut auch der junge Renars Uscins wieder gut, außerdem einige tolle Aktionen von Juri Knorr – primär im Zusammenspiel mit Golla und dem anderen Spielmacher, Luca Witzke in Hälfte zwei. Die beiden Spielgestalter zusammen auf dem Parkett – das ist eine spannende Option für die weiteren Spiele. Jedenfalls war Witzke heute von allen vier auf halblinks eingesetzten Spielern der auffälligste.
Platzierungs-Puzzle – aber Vorsicht: Nicht zu viel taktieren!
Die in der vorangegangenen Kolumne erwähnte Schwachstelle auf Rechtsaußen war heute nicht der entscheidende Faktor – dennoch gab es wieder Hinweise darauf, dass sie es in engeren Spielen werden könnte.
Bange muss uns vor dem Spiel gegen Spanien dennoch nicht sein – wir haben das Zeug dazu, es zu gewinnen. Schon am vierten Gruppenspieltag dürfte übrigens neben dem Blick auf die eigene Tabelle auch auf die andere Gruppe geschielt werden. Trotz des Fehlstarts der Franzosen wird man den Gastgeber nicht im Viertelfinale als Gegner haben wollen.
Die Besonderheit bei Olympia ist ja, dass man selbst nach zwei, drei schlechten Spielen noch Gold holen kann, wenn man anschließend drei, vier gute Spiele zeigt. Unser Frauenteam beispielsweise hat ja nach dem ersten Erfolgserlebnis, dem Kantersieg gegen Slowenien, plötzlich wieder realistische Aussichten aufs Viertelfinale. Dennoch – um wieder auf Alfred Gislasons Mannschaft zurückzukommen – warne ich davor, zu sehr zu taktieren bei der Platzierung. Noch ist die deutsche Gruppe sehr ausgeglichen. Wer zu viel kalkuliert, läuft Gefahr, am Ende ganz auszuscheiden. Und auch ein Endspiel ums Viertelfinale gegen Slowenien muss nicht unbedingt sein. Ein Sieg gegen Spanien käme uns schon sehr gelegen. In jeder Hinsicht.
Bis Freitag!
Euer Michael Allendorf
Zur Person: Michael Allendorf
Michael Allendorf, Jahrgang 1986, spielte in der Bundesliga für die SG Wallau-Massenheim, die HSG Wetzlar sowie für MT Melsungen. Der Linksaußen kam auf insgesamt 493 Einsätze und erzielte 1.595 Tore. Für die A-Nationalmannschaft spielte er 17mal und warf 26 Tore. Seine größten Erfolge feierte der gebürtige Heppenheimer mit der A-Jugend Wallau-Massenheims (Deutscher Meister 2005) sowie als Junioren-Nationalspieler (Europameister 2006, Vize-Weltmeister 2007). In der letzten Saison seiner aktiven Laufbahn (2021/2022) schnupperte Allendorf bereits Manager-Luft als Assistent der Geschäftsleitung. Danach wechselte er komplett auf die Manager-Seite. Inzwischen verantwortet er als Sport-Vorstand der MT den Bundesligabereich der Nordhessen.Weiterführende Informationen zum olympischen Handballturnier
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