MT Melsungen -- Ex-Nationalapieler, Europameister, Vize-Weltmeister, heute Sportvorstand des Handball-Bundesligisten MT Melsungen
Stolz und Freude werden Ärger und Frust schnell ablösen
- Michael Allendorf
Für Gold hat es für das DHB-Team leider nicht gerreicht - und dennoch attestiert unser Experte Michael Allendorf (Sportvorstand MT Melsungen) den jungen deutschen Handballern in seiner Abschluss-Kolumne zu Paris 2024 eine erfolgreiche Zukunft.
Auf dem Podest konnten sie doch schon wieder lächeln. Als unseren Handballern bei der Siegerehrung die Silbermedaillen umgehängt wurden, schien es fast ein wenig, als hätten sie schon realisiert, wie viel sie ungeachtet der gerade durchlittenen 60 Spielminuten erreicht haben. Silber!!! Ein toller Erfolg. Und dennoch – dafür sind sie zu sehr Spitzensportler – steckt ihnen die Finalniederlage gegen Dänemark und vor allem die Deutlichkeit der Unterlegenheit sicher noch ein paar Tage in den Kleidern.
Um es gleich abzuhaken, dafür war das Resultat, mit dem uns das weltbeste Team an diesem Tag abgefertigt hatte zu hoch. Zu chancenlos war die DHB-Auswahl nach ungefähr zehn Minuten. 26:39 (12:21): Alle von uns und erst recht die Spieler selbst hätten sich zum Abschluss eines ansonsten großartigen Turniers ein angemesseneres, besseres Ergebnis im großen Finale gewünscht. Aber mit der leider schlechtesten Turnierleistung konnte unser Team gegen gleichzeitig nahezu fehlerfreie Dänen nichts ausrichten. Und auch frühzeitig nicht mehr mithalten. So wurde es an diesem Tag ein Klassenunterschied.
Torwartduell verloren, Faden verloren
Der sich früh abzeichnete: Es war unseren Jungs regelrecht anzumerken, dass zwischen der achten und zwölften Minute, als sich die Dänen von 6:5 auf 10:5 absetzten, zunehmend unsicherer wurden. Sie haben angefangen zu denken, verkrampften und trafen immer mehr Fehlentscheidungen. Anders als in den Partien zuvor, als ihnen Intuition und Siegeswille stets weiterhalfen. Und Renars Uscins. Doch selbst der bislang überragende und so herrlich unbekümmerte Unterschiedsspieler im rechten Rückraum war gegen Dänemark davon betroffen.
Bis ins Finale wurde die Mannschaft von Alfred Gislason auch immer von mindestens einem starken oder gar überragenden Keeper getragen. Im Endspiel war das leider nicht der Fall. Andreas Wolff kam nicht ins Spiel und auch David Späth stand bei seinen Einsatzzeiten auf verlorenem Posten. Das Torwart-Duell gegen Niklas Landin ging klar verloren. Wir hatten bereits nach der ersten Viertelstunde keinerlei Zugriff mehr auf das Spiel. Es war gefühlt schon in der 18. Minute gelaufen – da stand es aus deutscher Sicht 6:14.
Der Rest war mehr oder weniger ein Schaulaufen der Dänen, die gar nicht außergewöhnlich spielten, aber eben so gut wie nichts falsch machten – im Gegensatz zu unseren Jungs. Leider. Auch eine Resultatkosmetik gelang uns nicht, denn Dänemark zog das Match durch. Die können halt auch in der 51. Minute noch mal ein paar Topspieler einwechseln, die bis dahin auf der Bank geblieben sind. Darunter den großen Mikkel Hansen zum Abschied seiner tollen Karriere. Gratulation Dänemark, einmal mehr. Hut ab und Farvel Mikkel!
Trotz dieser einen Packung stimmen Bilanz und Perspektive
Doch zurück zu unserem Team: So schmerzlich der Verlauf des Finales auch war, es überwiegen die – zahlreichen – positiven Aspekte bei diesen Olympischen Spielen. Wir haben eine klasse Vorrunde gespielt, sind Gruppensieger geworden. Wir haben Gastgeber und Goldmitfavorit Frankreich im Viertelfinale besiegt, im Halbfinale dann zum zweiten Mal bei diesem Turnier die Spanier, die am Ende Bronze gegen Slowenien holten. Hätte das jemand vor dem Turnier prophezeit bzw. angeboten, wir hätten alle gesagt: Nehmen wir!
Neben den erwähnten Highlights haben wir zu Beginn der Spiele ja auch noch Schweden geschlagen – so kann das deutsche Team für sich in Anspruch nehmen, drei von vier großen Handballnationen bei einem Turnier besiegt zu haben. Nur Dänemark war eine Nummer zu groß für uns. Diese Bilanz wird den Jungs viel Selbstvertrauen geben und Mut machen mit Blick auf die nächsten großen Turniere. Diesem Kader gehört ja größtenteils die Zukunft. Nur Kai Häfner tritt zurück, Andreas Wolff kann im Tor dagegen ja noch ein paar Top-Events mitmachen.
Die Spieler wissen jetzt, was sie können. Und in ein paar Tagen werden sie alle – zurecht – nur noch stolz sein auf das Erreichte. Vielleicht hilft ihnen rückwirkend die klare Niederlage sogar dabei. Vielleicht fällt es ihnen leichter, zu sagen: „Wir standen im Olympia-Finale und waren dort eben chancenlos. Fertig.“ Das mag einfacher sein, als auf einer Niederlage mit einem Tor, vielleicht noch nach Verlängerung, herum zu kauen. Wer weiß?
Harter Olympia-Modus: Sorge um die Gesundheit der Spieler
Das sportliche Niveau hier bei Olympia habe ich ja bereits in der vorherigen Kolumne eingeordnet. Ich möchte einen Aspekt aber nochmals aufgreifen, zumal er Auswirkungen auf die Bundesliga haben dürfte: Die Olympischen Spiele mit ihrem speziellen Modus und den schwierigen Nominierungsmodalitäten verlangen den Aktiven schon alles ab. Diese zwei Wochen sind ein richtiges Brett. Und vor allem dürften all die Spieler, die es bis nach Lille geschafft haben, unter der Belastung und den Nachwirkungen leiden.
Ich mache mir daher schon Sorgen um die Topspieler, die hier im Dauereinsatz waren. Ihre Vereine werden es leider spätestens im Herbst in Form von etlichen Verletzungen zu spüren bekommen, fürchte ich. Die HBL-Klubs müssen sich darauf einstellen. Ich drücke allen Teams und Aktiven wirklich fest die Daumen, dass wir so wenige Ausfälle wie möglich zu beklagen haben werden.
Abschließend bedanke ich mich bei Ihnen und Euch für das Interesse an meiner Olympia-Kolumne. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, einen zweiten Blick anzubieten, eine weitere Perspektive auf das Erlebte. Angesichts des tollen Abschneidens unserer DHB-Jungs natürlich noch umso mehr. Gratulation allen Beteiligten.
In diesem Sinne: Alles Gute und viele Grüße!
Michael Allendorf
Um es gleich abzuhaken, dafür war das Resultat, mit dem uns das weltbeste Team an diesem Tag abgefertigt hatte zu hoch. Zu chancenlos war die DHB-Auswahl nach ungefähr zehn Minuten. 26:39 (12:21): Alle von uns und erst recht die Spieler selbst hätten sich zum Abschluss eines ansonsten großartigen Turniers ein angemesseneres, besseres Ergebnis im großen Finale gewünscht. Aber mit der leider schlechtesten Turnierleistung konnte unser Team gegen gleichzeitig nahezu fehlerfreie Dänen nichts ausrichten. Und auch frühzeitig nicht mehr mithalten. So wurde es an diesem Tag ein Klassenunterschied.
Torwartduell verloren, Faden verloren
Der sich früh abzeichnete: Es war unseren Jungs regelrecht anzumerken, dass zwischen der achten und zwölften Minute, als sich die Dänen von 6:5 auf 10:5 absetzten, zunehmend unsicherer wurden. Sie haben angefangen zu denken, verkrampften und trafen immer mehr Fehlentscheidungen. Anders als in den Partien zuvor, als ihnen Intuition und Siegeswille stets weiterhalfen. Und Renars Uscins. Doch selbst der bislang überragende und so herrlich unbekümmerte Unterschiedsspieler im rechten Rückraum war gegen Dänemark davon betroffen.
Bis ins Finale wurde die Mannschaft von Alfred Gislason auch immer von mindestens einem starken oder gar überragenden Keeper getragen. Im Endspiel war das leider nicht der Fall. Andreas Wolff kam nicht ins Spiel und auch David Späth stand bei seinen Einsatzzeiten auf verlorenem Posten. Das Torwart-Duell gegen Niklas Landin ging klar verloren. Wir hatten bereits nach der ersten Viertelstunde keinerlei Zugriff mehr auf das Spiel. Es war gefühlt schon in der 18. Minute gelaufen – da stand es aus deutscher Sicht 6:14.
Der Rest war mehr oder weniger ein Schaulaufen der Dänen, die gar nicht außergewöhnlich spielten, aber eben so gut wie nichts falsch machten – im Gegensatz zu unseren Jungs. Leider. Auch eine Resultatkosmetik gelang uns nicht, denn Dänemark zog das Match durch. Die können halt auch in der 51. Minute noch mal ein paar Topspieler einwechseln, die bis dahin auf der Bank geblieben sind. Darunter den großen Mikkel Hansen zum Abschied seiner tollen Karriere. Gratulation Dänemark, einmal mehr. Hut ab und Farvel Mikkel!
Trotz dieser einen Packung stimmen Bilanz und Perspektive
Doch zurück zu unserem Team: So schmerzlich der Verlauf des Finales auch war, es überwiegen die – zahlreichen – positiven Aspekte bei diesen Olympischen Spielen. Wir haben eine klasse Vorrunde gespielt, sind Gruppensieger geworden. Wir haben Gastgeber und Goldmitfavorit Frankreich im Viertelfinale besiegt, im Halbfinale dann zum zweiten Mal bei diesem Turnier die Spanier, die am Ende Bronze gegen Slowenien holten. Hätte das jemand vor dem Turnier prophezeit bzw. angeboten, wir hätten alle gesagt: Nehmen wir!
Neben den erwähnten Highlights haben wir zu Beginn der Spiele ja auch noch Schweden geschlagen – so kann das deutsche Team für sich in Anspruch nehmen, drei von vier großen Handballnationen bei einem Turnier besiegt zu haben. Nur Dänemark war eine Nummer zu groß für uns. Diese Bilanz wird den Jungs viel Selbstvertrauen geben und Mut machen mit Blick auf die nächsten großen Turniere. Diesem Kader gehört ja größtenteils die Zukunft. Nur Kai Häfner tritt zurück, Andreas Wolff kann im Tor dagegen ja noch ein paar Top-Events mitmachen.
Die Spieler wissen jetzt, was sie können. Und in ein paar Tagen werden sie alle – zurecht – nur noch stolz sein auf das Erreichte. Vielleicht hilft ihnen rückwirkend die klare Niederlage sogar dabei. Vielleicht fällt es ihnen leichter, zu sagen: „Wir standen im Olympia-Finale und waren dort eben chancenlos. Fertig.“ Das mag einfacher sein, als auf einer Niederlage mit einem Tor, vielleicht noch nach Verlängerung, herum zu kauen. Wer weiß?
Harter Olympia-Modus: Sorge um die Gesundheit der Spieler
Das sportliche Niveau hier bei Olympia habe ich ja bereits in der vorherigen Kolumne eingeordnet. Ich möchte einen Aspekt aber nochmals aufgreifen, zumal er Auswirkungen auf die Bundesliga haben dürfte: Die Olympischen Spiele mit ihrem speziellen Modus und den schwierigen Nominierungsmodalitäten verlangen den Aktiven schon alles ab. Diese zwei Wochen sind ein richtiges Brett. Und vor allem dürften all die Spieler, die es bis nach Lille geschafft haben, unter der Belastung und den Nachwirkungen leiden.
Ich mache mir daher schon Sorgen um die Topspieler, die hier im Dauereinsatz waren. Ihre Vereine werden es leider spätestens im Herbst in Form von etlichen Verletzungen zu spüren bekommen, fürchte ich. Die HBL-Klubs müssen sich darauf einstellen. Ich drücke allen Teams und Aktiven wirklich fest die Daumen, dass wir so wenige Ausfälle wie möglich zu beklagen haben werden.
Abschließend bedanke ich mich bei Ihnen und Euch für das Interesse an meiner Olympia-Kolumne. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, einen zweiten Blick anzubieten, eine weitere Perspektive auf das Erlebte. Angesichts des tollen Abschneidens unserer DHB-Jungs natürlich noch umso mehr. Gratulation allen Beteiligten.
In diesem Sinne: Alles Gute und viele Grüße!
Michael Allendorf
Zur Person: Michael Allendorf
Michael Allendorf, Jahrgang 1986, spielte in der Bundesliga für die SG Wallau-Massenheim, die HSG Wetzlar sowie für MT Melsungen. Der Linksaußen kam auf insgesamt 493 Einsätze und erzielte 1.595 Tore. Für die A-Nationalmannschaft spielte er 17mal und warf 26 Tore. Seine größten Erfolge feierte der gebürtige Heppenheimer mit der A-Jugend Wallau-Massenheims (Deutscher Meister 2005) sowie als Junioren-Nationalspieler (Europameister 2006, Vize-Weltmeister 2007). In der letzten Saison seiner aktiven Laufbahn (2021/2022) schnupperte Allendorf bereits Manager-Luft als Assistent der Geschäftsleitung. Danach wechselte er komplett auf die Manager-Seite. Inzwischen verantwortet er als Sport-Vorstand der MT den Bundesligabereich der Nordhessen.Weiterführende Informationen zum olympischen Handballturnier
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