Fette verbrennen im Feuer der Kohlenhydrate
- Redaktion
Die Energieversorgung Deines Körpers ist sehr komplex. Ständig laufen verschiedene Stoffwechselvorgänge ab, die Organen und Muskeln Energie liefern. Und zwar im Schlaf genauso wie unter Belastung. Spannend wird es, wenn man sich den Stoffwechsel beim Sport anschaut. Je nach Intensität, Länge einer Trainingseinheit und Trainingszustand decken verschiedene Energiesysteme den Hauptanteil der benötigten Energie.
Das Problem ist allerdings, dass keines der Systeme alle Bedürfnisse des Sportlers deckt. Vereinfacht gesprochen, gibt es vier Systeme, die dem Körper Energie liefern. Bei hohen Belastungen nahe der Maximalkraft wird die Energie vor allem durch die phosphatreichen Verbindungen Adenosintriphosphat (ATP) und Kreatinphosphat (CP) bereitgestellt. Dabei ist ATP der universelle Energieträger des Körpers. Ohne ATP geht im Körper gar nichts. Energie in Form von ATP steht dem Körper sofort zur Verfügung.
Aber schon nach zirka 2 Sekunden unter Volllast sind die ATP-Speicher bereits erschöpft und der Körper muss diese wieder auffüllen. Am schnellsten geht das mit CP. Auch CP kann der Körper nur begrenzt speichern. Nach weiteren 3-4 Sekunden sind auch die CP-Vorräte erschöpft, sodass andere Stoffwechselprozesse in die Bresche springen müssen. Soweit ist das System noch nicht sehr kompliziert. Zum Verständnis: Ein Sprint über 60 Meter dauert vielleicht 7-8 Sekunden. Die dafür benötigte Energie kann der Organismus fast vollständig aus ATP und CP decken.
Schauen wir uns ein anders Beispiel an. Der Weltrekord über 10.000m liegt derzeit bei 26,17 Minuten. Die sofort verfügbare Energie aus ATP und CP reicht dafür natürlich bei Weitem nicht aus. Unser Körper braucht also zusätzliches Brennmaterial, um die ATP-Vorräte wieder aufzufüllen. Als Brennmaterial kommen Kohlenhydrate (KH), Fette (FS) und Proteine in Frage. Also alles Nährstoffe, die wir täglich mit der Nahrung zu uns nehmen. Unter Zufuhr von Sauerstoff können wir diese in Energie umwandeln.
Nun wird es kompliziert: Der Körper kann zwar alle Nährstoffe verbrennen, bevorzugt aber solche, die möglichst schnell verfügbar sind. Am schnellsten können wir Kohlenhydrate umsetzen. Fette haben zwar doppelt so viele Kalorien wie Kohlenhydrate, benötigen aber mehr Sauerstoff, um daraus Energie zu gewinnen. Dagegen werden Proteine primär als Baustoffe benötigt.
Kohlenhydrate sind nichts anders als Zucker. Man unterscheidet diese in Einfachzucker und Mehrfachzucker. Der Unterschied ist also nur, wie viele Zuckermoleküle miteinander verknüpft sind. Haushaltszucker (Saccharose) besteht beispielsweise aus zwei Zuckermolekühlen (Zweifachzucker), während Vollkornbrot aus langen, verzweigten Molekülketten besteht. Essen wir Kohlenhydrate, werden diese aufgespalten und gelangen als Einfachzucker ins Blut. Bei Haushaltszucker geht das natürlich viel schneller als bei Vollkornprodukten, wo erst viele Verknüpfungen aufgespalten werden müssen.
Einmal im Blut angelangt, wird der Zucker in Energie umgewandelt. Bei unserem 10.000m-Beispiel passiert das unter Zufuhr von Sauerstoff. Und zwar in den so genannten Mitochondrien, den Kraftwerken des Körpers. Diese Kraftwerke befinden sich direkt in der Muskulatur. Ist genügend Sauerstoff vorhanden, wird der Zucker in Kohlendioxyd und Wasser umgewandelt. Dabei wird relativ viel Energie freigesetzt, mit der die ATP-Vorräte wieder aufgefüllt werden können.
Leider kann unser Körper auch Kohlenhydrate nur begrenzt speichern. Die so verfügbare Energie reicht für etwa 1 Stunde; theoretisch also genug Energie für einen 10.000m Lauf, aber zu wenig für einen Marathon. Bei längeren Ausdauereinheiten müssen wir also entweder Kohlenhydrate nachtanken oder auf andere Nährstoffe zurückgreifen.
Wesentlich mehr Energie kann der Körper aus Fetten ziehen. Fette haben nämlich fast doppelt so viele Kalorien wie Kohlenhydrate. Außerdem steht uns Energie aus Fetten in nahezu unbegrenztem Maße zu Verfügung. Denn die Fettdepots des Körpers sind enorm. Selbst ein 70 Kilogramm schwerer Sportler mit niedrigem Körperfettgehalt von bspw. 10 Prozent hat immer noch rund 7 Kilogramm Körperfett. Aus einem Kilogramm Fett kann der Organismus rund 7.000 Kilokalorien (kcal) ziehen.
Unser Beispiel-Sportler verbraucht bei einem zügigen Lauftempo von 12 km/h etwa 850 kcal pro Stunde. Mit einem Kilogramm Körperfett könnte er also über 8 Stunden laufen. Energie aus Nahrungsfetten und Kohlenhydraten sind da noch gar nicht eingerechnet. Bei langen Läufen ist es demnach optimal, die Energieversorgung über Fette zu gewährleisten. So einfach ist es aber nicht.
Fette verbrennen im Feuer der Kohlenhydrate
Mit Kohlenhydraten und Fetten verhält es sich ähnlich wie mit Grillanzünder (KH) und Briketts (FS). Briketts sind schwer entflammbar, aber wenn sie erst mal brennen, dann heiß und lange. Ohne Grillanzünder wird man den Grill aber nicht zum Glühen bringen. Legt man ständig Grillanzünder nach, obwohl die Briketts bereits brennen, verschleudert man Grillanzünder. Wenn kein Grillanzünder mehr übrig ist, verglühen auch die Briketts und lassen sich nicht mehr entzünden.
Ganz so isoliert läuft der Stoffwechsel natürlich nicht ab. Alle verfügbaren Energie-Systeme laufen parallel. Je nach Intensität und Länge der Belastung variiert deren Anteil an der Energiebereitstellung. Die Fette verbrennen gewissermaßen im Feuer der Kohlenhydrate. Ohne Kohlenhydrate läuft im aeroben Stoffwechsel nicht viel. Das kennst Du vielleicht auch unter dem Namen „Hungerast“. Sind die Kohlenhydrate aufgebraucht, kommst es zu einem rapiden Leistungsabfall.
Es gilt also, den Fettstoffwechsel zu optimieren um wertvolle Kohlenhydrate zu schonen. Bei einem untrainierten Menschen wird auch bei längeren Belastungen nur ein kleiner Teil der Energie über Fette gedeckt, während Ausdauersportler auch bei höherem Tempo relativ viel Energie aus Fetten ziehen können. Bis zu 50 Prozent der nötigen Energie ziehen beispielsweise Marathonläufer aus dem Fettstoffwechsel. Trotzdem ist die Belastung zu lang, um 42 Kilometer alleine mit Fett und der Kohlenhydrat-Energie aus den Glykogenspeichern zu bestreiten. Deshalb müssen unterwegs Kohlenhydrate nachgeladen werden.
Jetzt haben wir uns zwei extreme Situationen angeschaut; einen 60m-Sprint und einen Langstreckenlauf. Die Kurzstrecke bestreitet man fast ausschließlich mit schnell verfügbaren, phosphatreichen Verbindungen, während auf langen Strecken die Energie vor allem aus dem aeroben Stoffwechsel (glykolytisch, lipolytisch) gezogen wird.
Die Leistungsfähigkeit des aeroben Stoffwechsels hat aber auch Grenzen. Zu wenig Sauerstoff und die Kapazität der vorhandenen Enzyme in den Muskelzellen beschränken die Kapazität der Energiebereitstellung. Die Sauerstoffaufnahme über die Lunge ist begrenzt, außerdem werden Blutgefäße in der Muskulatur stark zusammengepresst, wenn die Muskelleistung über 50 Prozent der Maximalkraft erreicht. Der Muskel schwillt an und kann nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden.
Das ist beispielsweise bei einem 400m-Lauf der Fall. Die Strecke ist zu lang, um sie nur mit ATP und CP zu bewältigen und das Lauftempo zu hoch, um die notwendige Energie aus dem aeroben Stoffwechsel zu ziehen. Auch dafür hat der Körper eine Lösung: die anaerobe Oxidation. Fehlt trotz anhaltender Leistung genügend Sauerstoff, reichern sich Stoffwechselzwischenprodukte (Pyruvat) aus der Glukoseverbrennung an. Die Glukose wird nicht vollständig verbrannt. Aus Pyruvat können wir dennoch Energie ziehen. Zwar unterm Strich nicht so viel, wie aus dem aeroben System, aber dafür ist die Energie viel schneller verfügbar.
Der Nachteil der anaeroben Oxidation ist die Anreicherung von Laktat (Salz der Milchsäure) im Organismus. Das führt mit der Zeit zu einer starken Übersäuerung. Das Ergebnis: ab einem bestimmten pH-Wert stellen die Muskeln ihren Dienst ein. Deshalb können wir ein relativ hohes Tempo nur eine begrenzte Zeit Aufrecht erhalten. Auf längeren Strecken müssen wir zwangsläufig einen Gang zurückschalten.
Jörg Birkel