Nervosität im Sport – was kann man tun?
- Nils Borgstedt
Von: Andreas Meyer, Dipl.-Sportwissenschaftler und Sportpsychologischer Experte asp.
Man wird zappelig, die Hände fangen an zu schwitzen und im Magen macht sich ein unwohles Gefühl breit. Zudem scheint auch das Herz sein Eigenleben zu entwickeln, denn es klopft stärker und schneller als man es gewohnt ist. Die Atmung wird flacher und der Mund seltsam trocken. Dies alles sind Symptome, die bei Nervosität auftreten können. Aber was passiert da überhaupt genau und warum kann es die Leistungsfähigkeit schwächen? Oder schwächt es sie überhaupt? Diese Fragen möchte ich in diesem Beitrag beantworten und verschiedene Methoden als Lösungsmöglichkeiten nennen.
Zum Ursprung von Unruhe und Nervosität
Zu Beginn möchte ich erwähnen, dass Unruhe und Nervosität auch einen körperlichen Ursprung haben kann. Bedingt durch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder auch eine Schilddrüsenüberfunktion, können Symptome der Nervosität auftreten. In den meisten Fällen kann dies beides jedoch durch einen Arzt ausgeschlossen werden und der eigentliche Ursprung sitzt im Kopf. Generell versteht man unter Nervosität das Auftreten körperlicher Symptome in Stresssituationen.
Dass der Ursprung aus einem selbst kommt, soll nicht heißen, dass hier ein psychisches Problem vorliegen muss. Nervosität ist etwas ganz normales und kann bei Bewertungsprozessen in Angst- oder Stresssituationen auftreten. Beispielsweise bei einer Prüfung, einem wichtigen Gespräch oder eben vor Wettkämpfen. Das Schwierige dabei ist jedoch, dass uns dieser Bewertungsprozess oft gar nicht bewusst ist, sondern automatisch und unbewusst abgespult wird. Werden die eigenen Kompetenzen beim Bewertungsprozess für die bevorstehende Aufgabe als nicht ausreichend eingeschätzt, entsteht Stress und somit können Symptome der Nervosität auftreten.
Ansatzpunkte zur Reduktion von Nervosität
Will man seine Nervosität bekämpfen, gibt es dazu zwei Ansatzpunkte, bei deren Auswahl man unterscheidet, in welcher Situation man sich gerade befindet. Der eine beinhaltet die Konfrontation mit dem Ursprung der Nervosität, der andere beschäftigt sich mit den auftretenden Symptomen und wie man diese regulieren kann. Beide Ansatzpunkte spielen in unterschiedlichen Situationen eine wichtige Rolle.
In Situationen, in denen keine Nervosität spürbar ist (also keine Symptome auftreten), sollte man versuchen, sich Zugang zu seinen unterbewusst ablaufenden Bewertungsprozessen zu verschaffen. Dazu ist es wichtig sich im Klaren darüber zu sein, in welchen Situationen es überhaupt zu einem nervösen Verhalten kommt. Darüber hinaus wäre es nötig zu erkennen, was die Stresssituationen gemein haben, damit anschließend der eigentliche Grund herausgefunden und angegangen werden kann. Reflektion nimmt also bei dieser Herangehensweise einen großen Stellenwert ein. Wenn man bei der Selbstreflektion an seine Grenzen stößt, können Sportpsychologen weiterhelfen, die Ursache der Nervosität auszumachen.
Befindet man sich allerdings mitten in einer Wettkampfsituation, so wird mir jeder zustimmen, dass die erste Priorität sein wird, die Symptome der Nervosität so weit in den Griff zu bekommen, dass es sich nicht negativ auf die zu erbringende Leistung auswirkt. Für diese Situation bietet die Sportpsychologie viele Methoden, von denen ich einige etwas genauer vorstellen werde.
Methoden zur Reduktion von Nervosität
Eine sehr bewerte Methode um das richtige Aktivitätsniveau anzusteuern ist die Psychoregulation. Dabei steht die Entspannung der Anspannung gegenüber und kann das Aktivitätsniveau des Sportlers senken. Hierbei ist zu beachten, dass man seine "individual zone of optimal functioning" kennt, dass ist nach Hanin der Zustand zwischen Entspannung und Aktivierung, in der man die beste Leistungserbringung zeigt. Dieser kann durchaus von Athlet zu Athlet und auch stark von Sportart zu Sportart abweichen. Beim Golf oder Billard wird beispielsweise ein deutliches niedrigeres Aktivitätsniveau bevorzugt, als im Boxen oder Judo. Ein zu entspannter Sportler wird vor dem Start eines Wettkampfes zwar nur wenig Nervosität zeigen, aber sein Körper ist nicht aktiviert genug um auf sein volles Leistungspotenzial zugreifen zu können. Seine Muskeln sind also zu entspannt um ihre Kraft zu entfalten und auch seine Konzentration wird wenig gebündelt sein. Ein zu sehr aktivierter Athlet zeigt Nerven, er ist unruhig und verbraucht somit schon vor dem eigentlichen Wettkampf viel zu viel Energie um seine Leistung zu bringen. Häufig ist er viel zu beschäftigt, rennt von A nach B und seine Konzentration ist überall und kostet ihn wertvolle Energie. Für den Athleten ist es wichtig die Signale zu erkennen, in welchem Zustand er sich gerade befindet um daraufhin durch Psychoregulation seine "indiviual zone of optimal functioning" anzusteuern.
Bei zu hoher Aktivierung muss er runterregulieren, dies geht häufig sehr gut mit verschiedensten Entspannungstechniken. Mögliche Techniken sind beispielsweise Atemtechniken, Progressive Muskelrelaxation (PMR) oder Autogenes Training (AT). Im Wettkampf selbst ist die Atemtechnik die zu bevorzugende Methode, da sie auch über einen kurzen Zeitraum angewandt das Aktivitätsniveau senken kann. Zum Entspannen in längeren Wettkampfpausen oder zur generellen Stressverarbeitung können auch die PMR oder das AT sehr gut angewendet werden. Die Atemtechnik, gilt als die am leichtesten zu erlernende Methode, gefolgt von der PMR und dem AT. Falls der Sportler ein zu geringes Aktivierungsniveau zeigt, so sollte er sich vor dem Wettkampf aktivieren um seine Psyche und seine Physis auf die kommende Aufgabe vorzubereiten. Hier hilft beispielsweise ein starkes Abklatschen der Muskulatur, das fördert die Durchblutung der Muskulatur und somit die Sauerstoffbereitstellung. Oft helfen aber auch Vorsätze wie das Visualisieren von Zielen, oder Atemtechniken mit kurzer Ausatmung, sowie Aktivierung der Sinne Geruch und Akustik. Eine weitere Methode zur Reduktion von Nervosität ist es sich an seine Stärken zu erinnern und somit an Selbstvertrauen zu gewinnen, was auch den am Anfang genannten Bewertungsprozess beeinflusst. Dazu muss der Athlet natürlich seine Stärken kennen und sie so verpacken, dass sie auch in Stresssituationen für ihn mental abrufbar sind. Im Besten Fall kann er sich seine Stärken einfach ins Gedächtnis holen, da sie ihm sehr präsent sind. In den meisten Fällen ist dem aber nicht so und dann können verschiedene Hilfsmittel, wie ein z.B. ein Maskottchen oder irgendein anderer Gegenstand, den der Athlet griffbereit dabei hat helfen, sich seine Stärken zu vergegenwärtigen. So widmen sich die Gedanken der eigenen Stärken, rufen diese ins Bewusstsein und machen sie im Wettkampf leichter abrufbar. Zudem vertreiben die Gedanken über die eigenen Stärken, die oft zweifelnden Gedanken im nervösen Zustand und lindern somit die Symptome.
Eine weitere Methode um Sicherheit zu gewinnen und nicht seinen zweifelnden und nervösen Gedanken erlegen zu sein ist, ein Ritual auszuführen. Ein Ritual im sportlichen Sinne kann beispielsweise ein fester Bewegungsablauf sein, den man vor dem Wettkampf durchgeht. Hierbei ist zu beachten, dass der Bewegungsablauf nicht unbedingt mit einem der Sportart ähnlichen Ablauf in Verbindung gebracht werden muss. Das Ritual an sich muss sehr gut einstudiert sein und es muss beim Athleten selbst Anklang finden. Ein vorgefertigtes Ritual, das der Athlet nicht ernst nimmt, oder mit dem er sich nicht identifizieren kann, ist kontraproduktiv. Ein Beispiel eines Tennisspielers macht das deutlich, dass ein Ritual ein sehr individuelles Vorgehen sein kann: Rafael Nadal streift fast vor jedem Aufschlag den Sand von der Linie, danach klopft er sich den Sand aus seinen Schuhen. Gefolgt vom Zupfen an seiner Hose und den Schultern. Daraufhin kämmt er sich mit der Hand die Haare aus dem Gesicht, berührt einmal kurz seine Nase und dann noch mal der Griff ins Haar. Erst dann serviert er zum Aufschlag. Das Ziel von Ritualen ist wie bereits erwähnt Sicherheit dadurch aufzubauen, dass man eine gewohnte und als subjektiv beruhigende empfundene Bewegung ausführt. Struktur und Organisation vermeidet Stress. Dies ist eigentlich ganz leicht zu verstehen und dennoch setzen es so wenig Sportler um. Man kann einiges an Sicherheit dazu gewinnen, wenn man weiß, wann man wo zu sein hat, wo die Toiletten sind und wo man Verpflegung bekommt. Um solche Angelegenheiten zu klären ist es natürlich wichtig früh genug am Wettkampfort anzukommen. Kommt man zu spät, kann es z.B. sein, dass man sich direkt aufwärmen muss und kurz vor dem ersten Kampf im Judo fällt einem ein, dass man ja noch zur Toilette muss. In solchen Fällen stimmt einfach etwas an der Planung nicht und es kommt zu Unsicherheiten und Nervosität.
Es hat sich bewährt einen Ablaufplan zu entwerfen, in welchem man im besten Fall auch die Pausen konsequent mit einplant um Stress und zu große Leerlaufzeiten zu vermeiden. Macht sich ein Sportler solche Methoden zu eigen und beschäftigt sich bestenfalls auch mit der Ursache seiner Nervosität, so wird es ihm helfen im Wettkampf eine bessere Leistung abzurufen und sich nicht von Nervosität hemmen zu lassen. Es ist wichtig zu betonen, dass Stress nicht grundsätzlich etwas schlechtes ist, sondern zum Leben mit dazu gehört. Man sollte allerdings lernen die Stresssymptome zu erkennen und sich mit dem Ursprung auseinander zu setzen. Stress kann auf die sportliche Leistung positive aber auch negative Effekte ausüben.
Weitere Informationen zum Autor gibt es unter www.sportdienstleistung-meyer.de